Korruptionsskandal:Regensburger Promi-Rabatt

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Anja Wolbergs umarmt ihren Mann Joachim Wolbergs. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Seit Ende September läuft der Korruptionsprozess gegen OB Wolbergs (SPD), Unternehmer Tretzel und zwei Mitangeklagte.
  • Im fünften Prozesskomplex stehen nun zwei Eigentumswohnungen im Fokus. Es geht um die Frage, ob ein Bauträger der Familie des OB billige Wohnungen zugeschanzt hat.
  • Bei ihrer Verteidigung bleiben sich alle Beteiligten treu.

Aus dem Gericht von Andreas Glas und Annette Ramelsberger, Regensburg

Es ist Donnerstagfrüh, kurz vor neun. Sie wartet auf dem Flur, er kommt um die Ecke gebogen. Joachim Wolbergs geht auf Anja Wolbergs zu, eine Umarmung, ein paar Sekunden, keine Worte. Dann lässt er los, dreht um und geht in den Gerichtssaal. Zurück bleibt die Botschaft: Wir sind ein getrennt lebendes Ehepaar. Aber wir halten zusammen.

Die Zuschauerplätze sind dicht besetzt. Natürlich wollen das alle sehen. Auf der Anklagebank: Regensburgs suspendierter Oberbürgermeister, auf dem Zeugenstuhl: seine Frau. Also, wie war das, als Anja Wolbergs' Mutter damals eine Wohnung kaufen wollte? Anja Wolbergs: "Dass mein Mann gesagt hat: Da fragst du mal beim Tretzel nach." Ob ihr Mann gesagt habe, dass er bei Bauunternehmer Tretzel ein gutes Wort für seine Schwiegermutter einlegt, vielleicht mit Blick auf einen Rabatt? "Nein, hat er nicht", sagt Anja Wolbergs. Sie habe kaum mit ihrem Mann geredet, er sei nie dagewesen, immer beschäftigt als OB. Für die Wohnung ihrer Mutter, sagt Anja Wolbergs, habe sich ihr Mann "überhaupt nicht" interessiert.

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Von Andreas Glas

Seit Ende September läuft der Korruptionsprozess gegen OB Wolbergs (SPD), Unternehmer Tretzel und zwei Mitangeklagte. Bisher ging es um Tretzel-Millionen für den Fußballklub SSV Jahn, um fragwürdige Parteispenden, einen umstrittenen Grundstücksdeal, Renovierungen im Wochenendhaus der Familie Wolbergs und in einer Mietwohnung des OB, die Tretzels Firma teils gratis organisiert haben soll. Im fünften Prozesskomplex stehen nun zwei Eigentumswohnungen im Fokus. Die eine Wohnung kaufte Wolbergs' Mutter bei Tretzels Firma. Laut Anklage soll sie einen Rabatt von knapp 54 000 Euro bekommen haben. Für den Kauf einer weiteren Wohnung soll die Firma einen Nachlass von 47 500 Euro an Wolbergs' Schwiegermutter gewährt haben.

Alles nur, weil Tretzel sich die Gunst des OB für seine Bauprojekte sichern wollte? Ihr Mann habe nie den eigenen Vorteil im Blick gehabt, sagt Anja Wolbergs, Geld sei ihm "total unwichtig". Er habe immer nur "das Lebensumfeld der Menschen in der Stadt verbessern" wollen. Ihr Mann sei "ein Schlamper", aber er habe sich "nichts zuschulden kommen lassen".

Bei "nennenswerten Kunden" habe er das immer gemacht

Mehr Aufschluss als die Zeugin Anja Wolbergs bringen die Aussagen eines Tretzel-Mitarbeiters, der am Montag vor Gericht auftritt. Er sagt, er habe Joachim Wolbergs im Frühjahr 2012 per E-Mail den Preis der Wohnung für dessen Mutter mitgeteilt: 339 900 Euro. Laut Firmenpreisliste soll der Wohnungspreis inklusive Hobbykeller, Tiefgaragenstellplatz und zwei Fahrradstellplätzen bei 375 500 Euro gelegen haben. Vor dem Notartermin im Sommer 2012 habe er wegen des Preises noch mal seinen Chef gefragt, sagt der Tretzel-Mitarbeiter. Da habe ihm Volker Tretzel den Rabatt mitgeteilt. Der Endpreis lag schließlich bei 337 900 Euro.

Ob das üblich sei, trotz Preisliste beim Chef zu fragen? "Es handelt sich um den Bürgermeister, da war für mich klar, dass ich mal mit ihm sprechen werde, um den Preis zu erfahren", sagt der Tretzel-Mitarbeiter. Bei "nennenswerten Kunden" habe er das immer gemacht. Ob es weitere Kunden gab, die in der selben Wohnanlage fünfstellige Rabatte bekamen, fragt die Staatsanwältin. Ja, sagt der Tretzel-Mitarbeiter, 15 Käufer "aus dem Umfeld vom Herrn Tretzel", Bekannte und Freunde.

Dann mischt sich Volker Tretzel ein. In seiner Firma gebe es "eine alte Regel". Man wolle, dass "Prominente in unsere Quartiere ziehen". Und Wolbergs' Mutter sei eben eine Prominente. Weiter sagt er, dass die Wohnung "ein Ladenhüter" gewesen und deshalb "etwas billiger gewesen sein könnte". Kurz danach sagt er, der Preis sei "gar nicht besonders günstig gewesen".

Als seine Mutter eine Wohnung kaufte, war Wolbergs noch nicht OB, sondern Dritter Bürgermeister. Auch vor diesem Kauf soll es Gespräche zwischen Tretzel, Wolbergs und dessen Mutter in den Räumen der Firma BTT Bauteam Tretzel gegeben haben. Das legen auch Einträge ("Termin BTT mit Mama") in Wolbergs' Terminkalender nahe. Die Termine seien "eine Form von Fahrdiensten" für die Mutter gewesen, sagt der OB. Möglich, dass er "gelegentlich" und "zu ihrer Sicherheit" bei Gesprächen dabeigewesen sei, weil sich seine Mutter mit Finanzen nicht auskenne. Er habe aber "nie über Kaufpreise verhandelt".

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Aus dem Gericht von Andreas Glas

Auch bevor seine Schwiegermutter eine Tretzel-Wohnung kaufte, könnte es ein Gespräch in der Baufirma gegeben haben, an dem Wolbergs teilnahm. Das jedenfalls sagt der Tretzel-Mitarbeiter vor Gericht. Sein Chef habe ihn zum Gespräch dazu gerufen und ihm den Kaufpreis mitgeteilt. Für die Wohnung soll die Schwiegermutter 268 400 Euro bezahlt haben. Laut Anklage war sie in der Firmenpreisliste mit 315 900 Euro notiert. Auch in diesem Fall bestreitet der OB, sich an Preisverhandlungen beteiligt zu haben. Bei dem Gespräch in Tretzels Firma sei es bestimmt nicht um die Wohnung seiner Schwiegermutter gegangen. Auch Wolbergs-Anwalt Peter Witting und die Tretzel-Verteidiger bezweifeln, dass das Gespräch so stattgefunden hat, wie es der Zeuge vor Gericht erzählt. In einer Vernehmung bei der Polizei hatte er von dem Gespräch nichts gesagt.

Neben Rabatten geht es um die Frage, warum die Firma Tretzel Sonderarbeiten in der Wohnung von Wolbergs' Mutter nicht berechnete. Das habe die Geschäftsführung so entschieden, sagt ein weiterer Tretzel-Mitarbeiter, "oder man hat es vergessen". Auch er sagt, er habe sich wegen der Sonderarbeiten mit seinem Chef besprochen. Und warum? Der Mitarbeiter antwortet mit Blick auf OB Wolbergs: "Weil er halt nicht irgendwer war."

Am Donnerstag tritt auch die Mutter von Anja Wolbergs als Zeugin vor Gericht auf

Bei ihrer Verteidigung bleiben sich alle Beteiligten treu. Wolbergs sagt, er könne sich an bestimmte E-Mails und Gespräche nicht erinnern und habe sich für die Wohnungspreise "nicht interessiert". Die Tretzel-Anwälte wiederum argumentieren mit Zahlen. Demnach seien für die Wohnungen gar "keine Rabatte gewährt worden". Das zeige schon der Vergleich mit anderen, baugleichen Immobilien derselben Wohngebiete. Der Preis für die Wohnung der Mutter liege da eher im Mittelfeld, die Wohnung der Schwiegermutter sei in Relation sogar die teuerste gewesen. Zudem habe es sich um Musterwohnungen gehandelt, die für gewöhnlich billiger seien.

Am Donnerstag tritt auch die Mutter von Anja Wolbergs als Zeugin vor Gericht auf. Die 76-Jährige sagt, sie habe sich damals "ganz alleine" nach einer neuen Wohnung umgeschaut. Sie könne sich nicht an einen Tipp von Joachim Wolbergs erinnern, sich an die Firma Tretzel zu wenden. Sie habe sich sowieso "von keinem dreinreden lassen". Die Idee, bei Tretzel zu kaufen, sei entstanden, als sie in der Tretzel-Wohnung einer Freundin und "recht begeistert" gewesen sei - nicht etwa durch einen Anstoß ihres Schwiegersohnes. "Der war da schon OB, der hat für mich nicht mehr so viel Zeit gehabt", sagt die 76-Jährige. Es habe auch keine Preisverhandlungen gegeben, an denen der OB hätte teilnehmen können. Ihr sei der Preis für die Wohnung von der Firma Tretzel nur mitgeteilt worden, den habe sie dann bezahlt. Außerdem, sagt die Schwiegermutter, habe sich "der Wolli" nie auch nur irgendwas schenken lassen, nicht mal eine Bratwurst.

© SZ vom 01.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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