Regensburger Korruptionsprozess:Der Unternehmer, das Geld und der Fußball

Prozess Oberbürgermeister Wolbergs

Bauunternehmer Volker Tretzel schweigt zu den Mails, die im Prozess gegen ihn vorgebracht werden.

(Foto: dpa)
  • Im Regensburger Korruptionsprozess steht auch Bauunternehmer Volker Tretzel vor Gericht.
  • Er steht im Verdacht, seine finanzielle Unterstützung des Fußballvereins SSV Jahn an Gegenleistungen von der Stadt geknüpft zu haben.
  • Sein eigener Mailverkehr nährt diese Annahme im Prozess, Tretzel schweigt dazu.

Von Andreas Glas

Seit acht Prozesstagen sitzt Volker Tretzel nun auf der Anklagebank. Drahtig, kaum Falten, man glaubt nicht, dass dieser Mann 76 Jahre alt ist. Noch rätselhafter als Tretzels Jugendlichkeit ist aber seine Rolle in der Korruptionsaffäre, die das Regensburger Landgericht beschäftigt. Hat der Bauunternehmer mit seinen Millionen Politik und Fußball gesponsert, weil er sich dadurch Vorteile bei Grundstücksgeschäften mit der Stadt erhoffte? Hat er Politiker gar wie Marionetten gesteuert? Noch bleiben 62 Prozesstage, um dies zu klären. Doch bei der Suche nach Antworten hatte bereits Tag acht eine Menge zu bieten.

Donnerstag, 13 Uhr. Elke Escher packt einen Stapel ausgedruckter E-Mails auf ihren Richtertisch. Schon die erste Mail, die sie vorliest, legt nahe, dass Tretzel einen besonderen Umgang mit der Politik pflegte. Sie datiert aus dem Jahr 2009, als Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) hieß. Empfänger ist Franz Wild, Ex-Geschäftsführer in Tretzels Baufirma und Mitangeklagter im Korruptionsprozess. In der Mail schreibt Tretzel, ein nicht näher definiertes Grundstück kaufen zu müssen, um "die Früchte unseres Jahn-Engagements" zu ernten. Tretzel befand sich offenbar nicht in Regensburg, als er die Mail schrieb, wollte Schaidinger aber wohl dringend sprechen. Für ein Gespräch, schreibt Tretzel, könne er einfliegen - oder Schaidinger fliege zu ihm, "mit der Piper".

Piper. So heißt Tretzels Privatflugzeug. Er hat auch eine Yacht und bis vor Kurzem gehörte ihm der Fußballklub, um den es in der E-Mail geht: der SSV Jahn Regensburg, zweite Liga. Rund 90 Prozent der Anteile hielt Tretzel, gut sieben Millionen Euro soll er in den Klub gepumpt haben, obwohl er sich nicht für Fußball interessiere, auch das schreibt er in einer E-Mail.

Gegen Alt-OB Schaidinger laufen die Ermittlungen noch. Bereits vor Gericht sitzen Tretzel, dem die Staatsanwälte Bestechung vorwerfen und Schaidingers Nachfolger, der suspendierte OB Joachim Wolbergs (SPD), den sie der Bestechlichkeit verdächtigen. Das Gericht hat die Anklage auf Vorteilsgewährung respektive Vorteilsannahme herabgestuft, eine abgeschwächte Form der Eine-Hand-wäscht-die-andere-Korruption.

Zum Händewaschen gehören für die Staatsanwälte auch rund 475 000 Euro, die aus Tretzels Umfeld auf Wolbergs' Wahlkampfkonto flossen. Aus Sicht der Ermittler hat Tretzel auch dieses Geld gezahlt, um sich Wolbergs' Wohlwollen bei Grundstücksdeals zu kaufen. Tretzel und Wolbergs streiten bislang alle Vorwürfe ab, ebenso die wegen Beihilfe angeklagten Franz Wild und Ex-SPD-Rathausfraktionschef Norbert Hartl.

Auch an Christian Schlegl spendete Tretzel. Bei der OB-Wahl 2014 war Schlegl der unterlegene CSU-Kandidat - auch gegen ihn laufen Ermittlungen. Schlegl bekam weniger Tretzel-Spenden als Wolbergs. Er fürchte, bei Schlegl aufs "falsche Pferd" zu setzen, schreibt Tretzel 2011 an seinen damaligen Mitgeschäftsführer Wild. In der selben E-Mail sinniert er darüber, SPD-Mann Wolbergs zum Jahn-Präsidenten zu machen - und über eine "strahlende Zukunft" für seine Firma sowie "interessante Grundstücke", die es auch nach Schaidingers Amtszeit geben werde.

Wolbergs spricht von berechtigter "Kritik an der Verwaltung"

Interessant ist auch eine Tretzel-Mail, die im Mai 2016 an Jahn-Geschäftsführer Christian Keller ging. Tretzel schreibt über die "Unfähigkeit" der Bauverwaltung, die ihm offenbar zu langsam ist bei Baugenehmigungen fürs Nibelungenareal, das Tretzel der Stadt 2014 abgekauft hatte und im Zentrum der Korruptionsaffäre steht. In der selben Mail schreibt Tretzel, er werde den Wunsch nach mehr Geld für den Jahn vorerst nicht erfüllen. Es geht offenbar um 500 000 Euro. Tretzel kündigt an, die Mail mit dramatischerem Text nochmals an Keller zu schicken - und zusätzlich in Kopie an OB Wolbergs und SPD-Fraktionschef Hartl. Wollte Tretzel die Politik so dazu bewegen, sich bei der Verwaltung für schnellere Baugenehmigungen einzusetzen? In der E-Mail wolle ihm Tretzel nur "Kritik an der Verwaltung" mitteilen, sagt Wolbergs, "das ist sein gutes Recht".

Eine Stunde lang liest Richterin Escher E-Mails vor. Im Anhang einer dieser Mails: ein an zwei Stadtreferenten adressiertes Schreiben, in dem Tretzel sich über Sozialwohnungsquoten beklagt, die die Stadt für eines seiner Grundstücke vorschlägt. Er selbst fordert niedrigere Quoten, bringt seine Fußball-Millionen zur Sprache. Dass es "fatal" wäre, würde das neue Stadion nach einem möglichen Jahn-Konkurs ungenutzt bleiben. Wollte Tretzel signalisieren, dass die Existenz des Fußballklubs am Entgegenkommen der Stadt hängt?

Es war ja die Stadt, die für mehr als 50 Millionen Euro eine nagelneue Fußballarena für den Jahn bauen ließ. Sie wäre heute ein Millionengrab, hätte Tretzels Geld den SSV Jahn nicht vor der Insolvenz bewahrt. Im Herbst 2010 knüpft Tretzel in einer Mail an OB Schaidinger künftige Fußball-Zahlungen an einen Stadionneubau und schreibt, dass dies ein würdiger Schlusspunkt seiner OB-Karriere sein könne. Kein Jahr danach beschloss der Stadtrat: Das neue Stadion kommt.

Auch Wolbergs dürfte an der finanziellen Gesundheit des Fußballklubs gelegen haben. Er war Jahn-Aufsichtsratschef, hatte den Stadionbau als Dritter Bürgermeister mitangeschoben. Tretzels Schreiben an die Referenten ging als Entwurf auch an Wolbergs und Hartl - samt Ankündigung, dass Tretzel das Schreiben rausschicke, wenn es so passe. Hat Tretzel mit Wolbergs und Hartl über Bande gespielt, um die Referenten in seinem Sinne zu beeinflussen?

Wolbergs sagt, er könne sich an diese E-Mail nicht erinnern. Eine andere Mail, in der sich SPD-Kollege Hartl mit Tretzel und Wild im Juni 2014 über einen Ausschreibungsentwurf fürs Nibelungenareal austauscht, habe er dagegen "wohl bekommen". Doch erinnern könne er sich auch daran nicht, sagt Wolbergs. So oder so hätte ihn der Inhalt "nicht sonderlich interessiert", da ein OB oft mit Unternehmern zu tun habe, die argumentierten, "viel Gewerbesteuer" zu zahlen und dies mit Forderungen verbinden. Zu Prozessbeginn hatte Wolbergs gesagt, er habe Mails meist nur dann gelesen, "wenn mir langweilig war". Für sein E-Mail-Postfach seien andere zuständig gewesen. Zwei als Zeugen geladene Rathausmitarbeiterinnen bestätigen dies grundsätzlich. Eine der beiden legt in ihrer Aussage aber nahe, dass Wolbergs zumindest die Hartl-Mail mit dem Ausschreibungsentwurf vorgelegt wurde.

Und Tretzel? Schweigt ebenso wie seine Verteidiger zu den Mails, in denen Tretzel Fußballmillionen und Grundstückswert gegenüberstellt, in denen er etwa schreibt, dem Jahn aus Ärger über die Stadt keine Fördermittel mehr zur Verfügung zu stellen. Nur der Verteidiger des Ex-Tretzel-Manns Wild äußert sich zu einigen Mails. Mal sagt er, dass die Mails aus der Schaidinger-Zeit irrelevant seien. Mal, dass Mails keine Zusammenhänge hergäben zwischen Tretzels Jahn-Förderung und Bauprojekten - etwa das Schreiben an die Referenten, das widersprüchliche Datumsangaben trage und nie abgeschickt worden sei. Mal, dass bestimmte Tretzel-Mails nicht die Politik im Blick gehabt hätten, sondern die Stadtverwaltung, bei der gar keine Vorteilsannahme in Frage komme. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

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