Korruptionsaffäre:Regensburg: SPD-Basis fordert Wolbergs zum Rücktritt auf

Korruptionsaffäre: Die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild kennt nach eigenem Bekunden den Revisionsbericht noch nicht.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild kennt nach eigenem Bekunden den Revisionsbericht noch nicht.

(Foto: privat)

Damit hat der Oberbürgermeister auch seine letzten Verbündeten verloren. Ein interner Revisionsbericht der Bundespartei stellt dem Finanzgebaren des Oberbürgermeisters ein vernichtendes Zeugnis aus.

Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl, Regensburg

Quälend lang haben sich die fünfeinhalb Stunden für die Regensburger SPD am Montagabend hingezogen. Am Ende stand eine Erklärung, die so schmerzvoll wie unvermeidlich war. Ihre beiden zentralen Sätze lauten: "Die SPD-Stadtratsfraktion und die Regensburger SPD sind der Meinung, dass eine Rückkehr von Joachim Wolbergs in das Amt des Oberbürgermeisters trotz der nach wie vor geltenden Unschuldsvermutung nicht mehr möglich ist." Und weiter: "Wir erwarten entsprechende Schritte durch den Oberbürgermeister." Damit hat Wolbergs in der Bestechungsaffäre nun auch seine letzten Verbündeten verloren, seit er vor einer Woche inhaftiert worden ist. Seine eigene Parteibasis fordert ihn zum Rücktritt auf.

Wie schwer einigen dieser Beschluss gefallen ist, lassen die Worte von SPD-Stadtverbandschefin Margit Wild erahnen. Die "menschliche Komponente" habe eine große Rolle gespielt, Intensität und Dauer der Debatte seien "der Situation angemessen" gewesen. Nicht jeder war damit einverstanden, dass die Regensburger SPD ihren einstigen Helden aufgibt, der den Genossen 2014 einen triumphalen Wahlsieg beschert hatte. 14 Parteivertreter votierten am Montag gegen Wolbergs, vier für ihn. In der Fraktion ging die Abstimmung noch knapper aus. Wolbergs habe genügend Zeit gehabt, sich zu erklären, begründete Wild den Schritt. Egal, wie die Justiz urteile: Für den OB werde es "keine Rückkehr mehr geben". Die politische Bewertung lasse keinen anderen Schluss mehr zu.

Somit fügt sich die SPD nach Tagen des Zögerns auch dem Druck der Koalitionspartner. Freie Wähler, Grüne und FDP waren unmittelbar nach Wolbergs' Verhaftung von ihm abgerückt und hatten eine Fortsetzung des Bündnisses von persönlichen Konsequenzen abhängig gemacht. Dazu gehörte auch der Rücktritt von SPD-Fraktionschef Norbert Hartl - eine der zentralen Figuren in der Korruptionsaffäre um die Bauvergabe am Nibelungenareal. Hartl war bereits am Montagmittag abgetreten, obwohl er sich angeblich "keinerlei Schuld bewusst" sei. Seine Ämter als Stadt- und Bezirksrat will er behalten.

Weniger umstritten als die Distanzierung zu Wolbergs war ein weiterer Beschluss der Regensburger SPD. Sie ruft die Bundespartei auf, "eine unabhängige parteiinterne Untersuchungskommission zur umfassenden und lückenlosen Aufklärung" der Vorfälle zu installieren. Wilds Ziel: Die Wahlkampffinanzierung müsse künftig wieder über den Stadtverband laufen und nicht über einen Ortsverein - wie dies zuletzt unter Wolbergs geschah.

Die Aufklärungsarbeit, wie Wild sie verlangt, ist im Grunde jedoch bereits erfolgt. In einem Revisionsbericht aus dem Juni 2016 stellt die Bundes-SPD dem Regensburger OB ein vernichtendes Zeugnis aus. Unter anderem ist darin von "einer fehlenden finanziellen Wahlkampfplanung und einer mangelnden Kostenkontrolle" die Rede. Das Dokument, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, bezieht sich auf das von Joachim Wolbergs und dessen Ehefrau verwaltete Konto des Regensburger Ortsvereins Stadtsüden. Über dieses Konto hatte Wolbergs seinen OB-Wahlkampf abgewickelt und vermutlich illegale Parteispenden aus der Baubranche empfangen.

In ihrem Bericht führt die Bundes-SPD einen Schuldenberg von etwa 190 000 Euro zum Jahresende 2015 auf. Wie eine einzige Mängelliste lesen sich die 15 Seiten. Allein 2014, als Wolbergs zum OB gewählt worden ist, habe das Ausgabendefizit seines SPD-Ortsvereins mehr als 267 000 Euro betragen. Obwohl "hoch verschuldet", habe der Ortsverein 2015 die Büro- und Personalstrukturen aus dem Wahlkampf beibehalten. Kosten: mehr als 90 000 Euro.

Weiter heißt es, die Personal- und Wahlkampfausgaben hätten selbst "durch das relativ hohe Spendenaufkommen nicht kompensiert" werden können. Ausgaben seien "teilweise (. . .) fehlerhaft erfasst", Spendenbescheinigungen "entgegen den Vorschriften der Finanzordnung" durch Wolbergs oder die Leiterin seines Ortsvereinsbüros ausgestellt worden. Wolbergs sagte dazu laut Unterlagen: "Einen Wirtschaftsplan gab es auch nicht, konnte es auch nicht geben, da vor Wahlkampfbeginn ja nicht feststand, was an Spenden eingehen (. . .) würde. Insofern gab es auch kein schriftliches Wahlkampfkonzept (. . .)." Wild bestreitet, von dem Revisionsbericht Kenntnis zu haben. Sie solle "der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen", wisse aber von nichts. Ein Sprecher der Bundespartei sagte, der Revisionsbericht sei allein an die Bayern-SPD geschickt worden. Deren Vorsitzender Florian Pronold begrüßte den Beschluss der Regensburger SPD: Sie habe "jetzt den richtigen Schritt ergriffen", es müsse "einen klaren Schlussstrich geben unter einen Jahrzehnte dauernden Sumpf in der Kommunalpolitik". Da Wolbergs die ihm gewährte Zeit nicht genutzt habe, nannte Pronold die Entscheidung "unausweichlich". Die Ermittlungen in Regensburg gehen derweil weiter: Auch zwei Banken sollen zwischenzeitlich durchsucht worden sein. Ein Justizsprecher wollte das nicht bestätigen, sprach aber von einem "nicht unüblichen Vorgang", sollte es so sein.

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