Korruptionsaffäre in Regensburg:Wolbergs' Wahrheiten

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Der suspendierte Oberbürgermeister von Regensburg Joachim Wolbergs (SPD). (Foto: dpa)
  • In der Korruptionsaffäre um den suspendierten Regensburger OB Wolbergs ist ein weiterer Bauunternehmer festgenommen worden. Er sitzt in Untersuchungshaft.
  • Ihm wird Bestechung in zwei Fällen und Vorteilsgewährung in einem Fall vorgeworfen.
  • Derweil hat Wolbergs eine Videobotschaft auf Facebook veröffentlicht, in der er ankündigt, wieder in sein Amt des Oberbürgermeisters zurück zu wollen.

Von Andreas Glas, Regensburg

Der Hintergrund ist grau, das Hemd blau und Joachim Wolbergs hält die Hände vor dem Bauch verschränkt. Etwas länger als zehn Minuten dauert seine Videobotschaft, die er am Dienstagabend auf Facebook öffentlich macht. Zehn Minuten lang spricht ein Mann, der sich anhört, als habe er das Rathaus nur kurz verlassen. Um Zigaretten zu holen oder in den Urlaub zu fahren. In dem Video ruft er den Regensburgern zu: "Passen Sie bitte gemeinsam auf unsere tolle Stadt auf!" Die Bürger als Aufpasser, bis er selbst wieder im Rathaus ist, um aufzupassen? Klingt fast so, als Wolbergs sagt, dass er "wieder in das Amt des Oberbürgermeisters zurück möchte".

Einen halben Tag später scheint eine Rückkehr des suspendierten SPD-Oberbürgermeisters zumindest nicht wahrscheinlicher geworden zu sein. Am frühen Mittwochmorgen bestätigte die Regensburger Staatsanwaltschaft, dass am Montag im Rahmen der Korruptionsaffäre erneut ein Bauunternehmer verhaftet wurde. In zwei Fällen verdächtigt ihn die Justizbehörde der Bestechung des Oberbürgermeisters, in einem weiteren Fall der Vorteilsgewährung. Der OB sei "Mitbeschuldigter in dem Verfahren", sagte Theo Ziegler, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Mit anderen Worten: Kommt es zur Anklage, könnte sich Wolbergs bald sogar in zwei Gerichtsprozessen verantworten müssen.

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Wieder handelt es sich um einen Bauunternehmer, der im Verdacht steht, den suspendierten Oberbürgermeister Joachim Wolbergs bestochen zu haben.

Von Andreas Glas

Bislang galt vor allem einem Bauunternehmer die Aufmerksamkeit in der Korruptionsaffäre: Volker Tretzel, der im Januar ebenfalls für mehrere Wochen in Untersuchungshaft musste. Auch OB Wolbergs war damals vorübergehend festgenommen worden. Im Juli erhob die Staatsanwaltschaft dann Anklage gegen Wolbergs und Tretzel wegen Korruptionsverdachts und gegen zwei weitere Beschuldigte wegen Beihilfe.

Nun rückt also ein weiterer Bauunternehmer in den Fokus der Affäre. In einer Pressemitteilung bestätigen Wolbergs' Anwälte indirekt, dass es sich um einen Geschäftsführer des Regensburger Immobilien Zentrums (IZ) handelt. Er soll zwischen 2012 und 2016 knapp 130 000 Euro auf das von Wolbergs verwaltete Konto des SPD-Ortsvereins Stadtsüden überwiesen haben, "um positive Entscheidungen der Stadtverwaltung für das von ihm geführte Immobilienunternehmen herbeizuführen", teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Die Masche könnte die gleiche gewesen sein wie bei Volker Tretzel, der Wolbergs eine halbe Million Euro überwiesen und sich damit dessen Gunst erkauft haben soll. Auch der IZ-Geschäftsführer soll die wahre Spendenhöhe verschleiert haben, indem Einzelspenden unter 10 000 Euro gehalten wurden. Grundsätzlich muss eine Einzelspende nur veröffentlicht werden, wenn sie oberhalb dieser Grenze liegt. Im Gegenzug soll Wolbergs die Stadtverwaltung trotz deren Bedenken angewiesen haben, Wohnbaurecht auf einem der Grundstücke des IZ zu schaffen.

Auch bei zwei weiteren, von der Stadtverwaltung zu treffenden Entscheidungen sollen die Spenden eine Rolle gespielt haben. Als Haftgrund nennt die Staatsanwaltschaft Verdunklungsgefahr. Der IZ-Geschäftsführer soll "in unlauterer Weise erheblich auf eine mitbeschuldigte Person eingewirkt" haben, teilte die Behörde mit. Um Wolbergs soll es sich dabei nicht handeln, doch bestehe der Verdacht, dass der Bauunternehmer ohne Anordnung der U-Haft weiter auf jene Person einwirken würde, "um die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren".

"Ich war nie bestechlich", sagt Wolbergs

Dass es über die Wahrheit in der Regensburger Affäre unterschiedliche Auffassungen gibt, macht Wolbergs in seiner Videobotschaft sehr deutlich. Erneut weist er alle Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft zurück. "Ich war nie bestechlich", sagt er. "Ich habe zu jeder Zeit die Dinge getan, die meiner Meinung nach für die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger das Beste waren und ich habe mich dann darum bemüht, im Stadtrat dafür Mehrheiten zu finden." Seiner Unschuldsbeteuerung schickt Wolbergs eine Medienschelte voraus und kritisiert die Staatsanwaltschaft und deren Ermittlungen, die teils "davon gekennzeichnet waren, alle möglichen Methoden einzusetzen, ohne zu hinterfragen, ob diese denn auch erlaubt sind".

Konkret geht es um Telefonate der Beschuldigten, die im Laufe der Ermittlungen überwacht wurden. Schon in der vergangenen Woche hatte Wolbergs-Anwalt Peter Witting kritisiert, dass dabei unerlaubterweise Telefonate zwischen Beschuldigten und Verteidigern mitgehört, aufgezeichnet und gespeichert worden seien. Auch Gespräche, die das Intimleben der Beschuldigten oder ihrer Gesprächspartner berühren, wurden offenbar nicht gelöscht. Nun hat die Staatsanwaltschaft erstmals angedeutet, dass die Vorwürfe stimmen. Bei derart vielen Telefongesprächen könne er nicht ausschließen, dass "mal ein Telefonat durchrutscht, das eigentlich gelöscht werden sollte. Ich will das aber nicht schön reden, das darf nicht sein", sagte Sprecher Ziegler am Mittwoch. Er betonte aber, dass kein unerlaubt gespeichertes Telefonat für die Ermittlungen relevant sei.

Am Mittwoch legte Anwalt Witting noch einmal nach - und kritisierte den "gesamten Ermittlungskomplex". Als Reaktion auf die neuerliche Verhaftung teilte er mit: "Jede Entscheidung von Herrn Wolbergs, die im Zusammenhang mit Personen steht, die den SPD-Kommunalwahlkampf unterstützt haben, wird unterschiedslos mit dem Generalverdacht der Korruption überzogen." Der Staatsanwaltschaft fehle "jedes Verständnis für die Aufgaben und Pflichten eines Oberbürgermeisters", der gewählt worden sei, "um Entscheidungen im Interesse der Stadt zu fällen". Auch im Fall des IZ habe Wolbergs "unbeeinflusst" und "im wohlverstandenen Interesse der Stadt" gehandelt.

Es ist auffällig, wie oft Wolbergs und seine Verteidiger derzeit betonen, dass der OB stets im Interesse der Stadt agiert habe. Es dürfte ein Hinweis auf die Strategie sein, mit der die Anwälte eine Anklage verhindern wollen. Denn sollte Wolbergs einen Unternehmer begünstigt, aber dabei zugleich im Interesse der Allgemeinheit gehandelt haben, kann er womöglich auch dann nicht belangt werden, wenn ihn der Unternehmer großzügig mit Parteispenden bedacht hat. Im Fall Tretzel berät das Landgericht Regensburg derzeit über diese und andere Fragen. Bis die Beratungen abgeschlossen sind, dürften mehrere Wochen vergehen. Erst dann entscheidet sich, ob es zum Prozess kommt.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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