Ingolstadt:Wie es im Lehmann-Prozess steht

Prozessbeginn gegen Alfred Lehmann

Dem früheren Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann (Mitte) wird Bestechlichkeit vorgeworfen.

(Foto: dpa)
  • Dem ehemaligen Ingolstädter Bürgermeister Alfred Lehmann (CSU) wird Bestechlichkeit in zwei Fällen vorgeworfen.
  • Er soll Wohnungen vergünstigt gekauft haben und dem Verkäufer, einem Bauunternehmer, im Gegenzug Vorteile gewährt haben.
  • Der Prozess nähert sich langsam dem Urteil, für Ende Juli sind die Plädoyers angesetzt.

Aus dem Gericht von Johann Osel, Ingolstadt

Das ehemalige Kasernengelände mit Wohnungen für Studenten und Soldaten, das im Zentrum des Korruptionsprozesses gegen den Ingolstädter Alt-Oberbürgermeister Alfred Lehmann steht, diente mehreren Vertretern der Stadtpolitik offenbar als Geldanlage. Dem CSU-Politiker, Rathauschef von 2002 bis 2014, wird vorgeworfen, mit seinem Vater 16 Appartements von einem Bauunternehmer aus dem Landkreis Eichstätt erworben und vergünstigt ausgebaut bekommen zu haben; im Gegenzug soll er veranlasst haben, dass dem Unternehmer zahlreiche planerische Änderungswünsche an dem Bau bewilligt wurden.

Wie der Donaukurier mit Verweis auf das Grundbuchamt berichtet, haben auch ein ehemaliger und ein aktiver Stadtrat (beide CSU) sowie eine leitende Mitarbeiterin der Verwaltung Wohnungen auf dem Areal gekauft; allerdings nicht bei dem Eichstätter Unternehmer, sondern bei einem anderen Investor. Am Dienstag sagte nun Bürgermeister Albert Wittmann (CSU) vor dem Landgericht aus. Die Kammer hatte ihn geladen, nachdem Lehmann behauptet hatte, Wittmann habe die Wohnungen als Erster angeboten bekommen, aber einen Kauf abgelehnt - und habe daraufhin ihn gefragt, ob er denn Interesse habe.

Die Stadt hatte das Areal mit Backsteinbauten von der Bundeswehr gekauft, um es zu einfachem, preisgünstigem Wohnraum zu entwickeln. Mehrere Akteure stiegen mit ein, unter anderem ein Studentenwerk. 2010 beschloss der Beirat der städtischen Wirtschaftsfördergesellschaft IFG unter Vorsitz des damaligen OB den Verkauf eines Abschnitts an das Eichstätter Unternehmen. Beim Notartermin 2011 wurden nicht nur abweichende Zuschnitte und weitere Forderungen des Käufers berücksichtigt. Sondern es änderte sich juristisch auch der Käufer: nicht die Firma, sondern der Unternehmer und seine Ehefrau bekamen privat den Zuschlag. Der Mann ist gestorben, seine Witwe war im Lehmann-Prozess mitangeklagt. Ihr Verfahren wurde inzwischen gegen eine Geldauflage eingestellt. Für sie könnte, wie es hieß, ein "etwaiges rechtswidriges Handeln Lehmanns nicht erkennbar" gewesen sein.

Welche Rolle spielt Wittmann?

Albert Wittmann war auch schon unter Lehmann Bürgermeister, er hatte das Sanierungsprojekt Kaserne zudem als ehemaliger Soldat mit größtem Interesse verfolgt. Den Eichstätter Unternehmer kenne er seit Jugendtagen, er war mit ihm um Ecken verschwägert. Beim Neujahrsempfang 2011 habe der Unternehmer ihm erzählt, dass er einige Wohnungen weiterverkaufen wolle, mutmaßlich "um das Risiko zu minimieren". Kurze Zeit später habe er Lehmann im Rathaus "nebenbei" davon berichtet. Wohnungen seien aber weder ihm selbst angeboten worden noch habe er Lehmann die Offerte angetragen oder gar schmackhaft gemacht. Lehmann betonte dagegen auch am Dienstag, Wittmann habe ihm erzählt, dass ihm die Wohnungen angeboten worden seien. Gewinnbringende Erkenntnisse liefert dieser Disput der ehemaligen Politikerkollegen indes nicht.

Anders die Wohnungsverkäufe an Stadträte - und zwar als Vergleichsmaßstab. Lehmann und sein Vater haben für 16 nicht ausgebaute Buden 230 000 Euro bezahlt; den Preis nannte ein Gutachter "plausibel", die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Für den Ausbau zahlte Lehmann einen Pauschalpreis von 420 000 Euro. Die tatsächlichen Kosten, die dem Bauunternehmer für die Sanierung der 16 Einheiten entstanden, lagen bei 570 000 Euro. Der Differenzbetrag wurde nicht berechnet. Die Stadträte und die Verwaltungsangestellte haben beim Investor eines anderen Abschnitts der Kaserne ihre Appartements voll ausgebaut und möbliert gekauft - und deutlich mehr als Lehmann bezahlt. Der frühere Stadtrat zahlte laut Donaukurier für ebenfalls 16 Buden 1,5 Millionen Euro; Lehmann insgesamt nur 650 000 Euro.

Der Alt-OB bezweifelte am Dienstag die Vergleichbarkeit, da in seinem Fall eine ganze Etage nicht saniert gekauft worden sei, der andere Investor aber die Wohnungen nur einzeln und komplett mit Möbeln angeboten habe. Dass der Pauschalpreis für den Ausbau nicht reichte, sei ihm nie mitgeteilt worden, dies habe er erst im Zuge der Ermittlungen erfahren. "Für mich war die Höhe der Sanierungskosten nicht zu verifizieren und zu erkennen."

Lehmann bestreitet alle Vorwürfe

Am Vergleichsbeispiel eines Münchner Studentenwohnheims wollte Lehmann zudem nachweisen, dass der Eichstätter Unternehmer wohl fehlerhaft kalkuliert habe. Dokumente dazu übergab er dem Gericht. Dass er dem Ehepaar Vorteile zugeschanzt habe, hat Lehmann schon an früheren Prozesstagen klar bestritten. Ihm sei es um zügiges Vorankommen gegangen, damit Studenten günstig wohnen könnten. Ein Mitarbeiter der IFG hatte in seiner Aussage angedeutet, dass es Lehmann stets darum gegangen sei - dabei habe der OB aber eigenmächtig Dinge entschieden, die eigentlich ein Fall für die Gremien gewesen wären.

Der Prozess läuft seit April. Lehmann, 69, wird Bestechlichkeit in zwei Fällen vorgeworfen, in einem Fall in Tateinheit mit Untreue. Er bestreitet alle Vorwürfe. In einem zweiten Strang geht es um ein Innenstadtobjekt. Dort soll Lehmann einer Baufirma Vorteile verschafft und dafür vergünstigt eine luxuriöse Wohnung für sich selbst erhalten haben. In der Causa sind Ende Juni noch Zeugen geladen, insgesamt befindet sich die Beweisaufnahme auf der Zielgeraden. Kommen keine neue Anträge, sind für Ende Juli die Plädoyers angesetzt.

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