Konsumforschung:Wie Ideale das Einkaufsverhalten prägen

Konjunkturelle Lage in Deutschland

Was wir kaufen, sagt eine Menge über unsere Persönlichkeit aus.

(Foto: Julian Stratenschulte)

Shopping als Hochgenuss - oder als Strafe? Die Geister scheiden sich an der Frage. Darum hat der Münchner Forscher Oliver Gansser 15 500 Menschen zu ihrem Einkaufsverhalten befragt - und sieben "Konsum-Milieus" entwickelt.

Von Anna Günther

Wenn es ums Einkaufen geht, trennt sich die Gesellschaft in zwei Gruppen: Für die einen gibt es nichts Schöneres, als stundenlang durch Geschäfte zu bummeln und neu erstandene Dinge beim Kaffee danach den Freunden zu präsentieren. Die anderen finden das alles lästig und anstrengend. Dass es auch hier Abstufungen gibt, kann sich jeder denken.

Aber was macht einen zu einem gewissen Konsumtyp? Es sind die Wertvorstellungen, dachte Oliver Gansser, denn niemand ändert vor der Käsetheke plötzlich seine Persönlichkeit. Der stellvertretende Direktor des Instituts für Empirie und Statistik an der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM) ließ seine Studenten im Frühjahr 15 500 Menschen in Deutschland befragen. Die Antworten geben ihm recht: Zwischen der Art des Konsums und den eigenen Idealen besteht ein Zusammenhang.

In 62 Fragen sollten Männer und Frauen zwischen zwölf und 99 Jahren angeben, wie stark sie sich mit einer Verhaltensweise oder einem Lebensideal identifizieren. Gansser teilte die Befragten in sieben Milieus ein. Auch die 3241 befragten Bayern unterscheiden sich nur marginal vom bundesweiten Ergebnis:

Der Verantwortungsverweigerer

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Den höchsten Anteil von Männern hat in Bayern wie auch in ganz Deutschland das Milieu der Verantwortungsverweigerer. Die sturen, auf sich fixierten Mannsbilder sind im Freistaat mit 63,1 Prozent sogar noch stärker vertreten als im Rest des Landes. Bundesweit sind 59,8 Prozent in diesem Milieu Männer. Soziales Engagement, Umweltthemen, Naturschutz oder auch die eigene Freiheit sind diesen Bayern extrem unwichtig. Darin übertreffen sie jedes andere Milieu. Salopp gesagt, die eigene Wurschtigkeit ist Lebensphilosophie. Bildung und gesellschaftliche Verantwortung interessieren nicht, Neuheiten oder das perfekte Produkt ebenso wenig. Einkaufen ist reine Zweckerfüllung. Der typische Verantwortungsverweigerer ist zwischen dreißig und sechzig. Gekauft wird, was vertraut ist, im Zweifel immer ein Markenprodukt.

Der Genießer

Die Gruppe der Genießer ist in Bayern größer als im Rest der Republik, aber sie bleiben mit 9,9 Prozent das kleinste Milieu. Zwar möchten diese Befragten selbst über ihr Leben entscheiden und unabhängig sein, aber genauso wichtig sind ihnen soziale Aspekte wie die Rücksicht auf Bedürfnisse anderer. Gesellschaftliche Verantwortung bedeutet mehr als Macht oder Erfolg. Wichtiger sind Chancengleichheit und Hilfe für Schwächere. Das Streben nach Harmonie ist sehr ausgeprägt, Umwelt- und Naturschutz haben Priorität. Die bayerischen Genießer bestehen zu 61 Prozent aus Frauen, bundesweit sind es sogar 63 Prozent. Und die Fakten belegen das Klischee: Einkaufen empfinden sie als Genuss, Shoppen wird zelebriert. Sie haben Spaß daran, in Ruhe zu bummeln und probieren gerne Neues aus. Die Vielfalt des Angebots empfinden sie als Bereicherung und nicht als verwirrend. Die Genießer kennen sich aus in der Welt des Konsums, mit Mitte vierzig bis Mitte sechzig können sie sich den erlesenen Geschmack auch leisten. Fehlkäufe kommen selten vor, egal ob beim Kaschmirpulli oder am Weinregal.

Shopping Mall Hofstatt, Einkaufspassage

Vertrauen Sie auf Bewährtes oder probieren Sie gern etwas Neues aus?

(Foto: Florian Peljak)

Die Wertschätzenden und die Selbstbestimmten

"Mia san mia" könnte der Leitspruch der Wertschätzenden sein. Das Bewahren der Heimat, die gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft und die Bedürfnisse anderer sind diesen 15,7 Prozent der Bayern wichtiger als allen anderen Gruppen. Sie folgen wohl dem Motto: "Man kennt sich und hilft sich, das war immer schon so." Bescheidenheit, Religion und der Respekt gegenüber älteren Generationen gehören zu den favorisierten Tugenden. Regeln und die soziale Ordnung hat man zu respektieren. Gefahr, Nervenkitzel oder Umbruch sind nicht erwünscht. Aber in die Lebensführung reinreden soll einem auch niemand. Die meisten Befragten dieser Gruppe sind zwischen 40 und 68 Jahre alt. Sie vertrauen auf Bewährtes. Neue Produkte spielen für sie keine Rolle, Spontankäufe kommen so gut wie nie vor. Markenprodukte sind auch kein Kaufargument, an der Kasse landet, was sich über lange Zeit bewährt hat. Einkaufen ist für das zu 52 Prozent aus Männern bestehende Milieu kein Erlebnis, sondern eher ein notwendiger Teil des Alltags, wenn der Kühlschrank leer oder die Lieblingshose zerschlissen ist - und auch die drei identischen Ersatzhosen schon ihre beste Zeit hinter sich haben.

Das größte Milieu in Bayern wie im Bund sind die sogenannten Selbstbestimmten. Unabhängig zu sein, selbst über das eigene Leben entscheiden und planen zu können, ist dieser Gruppe besonders wichtig. Sie verlassen sich am liebsten auf sich und legen überdurchschnittlich großen Wert auf Macht, Erfolg und Bildung. Gesellschaftliche Verantwortung ist eher Nebensache. Wenn die Befragten einkaufen, verlassen sie sich im Zweifel auf Markenprodukte und vertrauen darauf, dass teurer auch qualitativ besser ist. Weil neue Produkte für diese 17,2 Prozent der Bayern sehr spannend sind, kaufen sie auch mal eher spontan den grün-lila gepunkteten Turbo-Marmeladeneinkocher, der dann recht bald hinten oben im Küchenschrank verschwindet. Die meisten Befragten sind zwischen 23 und 51 Jahre alt - und nur 45,3 Prozent der Selbstbestimmten sind Frauen.

Olching: Neu-Eröffnung Bio-Insel - Bio-Supermarkt Hecker

Bio oder konventionell? Auch diese Frage ist für viele Konsument ausschlaggebend für einen Kauf.

(Foto: Johannes Simon)

Die Harmoniesuchenden

Die zweitgrößte Gruppe der Bayern besteht aus den sogenannten Harmoniesuchenden. Macht und Erfolg ist für 16,8 Prozent der Befragten zwischen Ende dreißig und Ende sechzig deutlich uninteressanter als für die anderen sechs Milieus. Priorität haben friedliche Tugenden, mit der Ellenbogengesellschaft können diese Männer (47,2 Prozent) und Frauen (52,8 Prozent) nichts anfangen. Sie setzen sich für den Schutz der Natur ein, sorgen sich um den eigenen Einfluss auf die Umwelt und um den Weltfrieden. Materielle Werte wie Karriere, teure Marken oder feinste Materialien interessieren diese Konsumenten nicht. Es gibt Wichtigeres im Leben. Der Apfel im Bioladen muss nicht perfekt und rotbackig sein, Hauptsache das Obst ist ohne den Einsatz von Schadstoffen gewachsen. Perfektionismus ist den Menschen dieses Milieus eher fremd. Gleiches gilt für Neuheiten, die in Fußgängerzonen oder Kaufhäusern grell beworben werden. Wozu auch, das Überangebot verwirrt bloß.

Die Hedonisten und die Konformisten

Beinahe so groß wie bei den Genießern ist der Anteil der Frauen im Milieu der Hedonisten. 59,3 Prozent der Befragten mit diesen Lebensvorstellungen sind weiblich. Und sie sind jung. Mehr als die Hälfte dieser Menschen ist Anfang/Mitte 30 und möchte am liebsten alles haben im Leben. Macht, Erfolg und auch die kleinen oder großen Freuden sind den Schöngeistern extrem wichtig. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen. Das Leben soll aufregend sein und Spaß machen. Geld, teure Besitztümer und die Bewunderung anderer sind genauso gewollt wie Ehrgeiz und Führungswille. Bildung findet die Gruppe bedeutender als alle anderen.

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Aber Ganssers Studie entlarvt keineswegs ausschließlich verwöhnte, skrupellose Machtmenschen. Soziale Aspekte wie der Schutz Schwächerer oder gegenseitiges Helfen und Chancengleichheit ist 13,6 Prozent der Bayern genauso wichtig wie ihre Freiheit und die Sicherheit in der Heimat. Wie bei der solventen, materiell veranlagten Klientel anzunehmen, sind neue Produkte sehr verlockend, das Einkaufserlebnis ist Genuss pur. Aber die Ansprüche sind auch auf dem Wochenmarkt und bei elektronischem Spielzeug hoch. Nur das Beste soll es sein, Qualität geht klar vor Quantität.

Die Konformisten

Fast so viele Männer wie Frauen gehören ihren Wertvorstellungen nach ins Milieu der Konformisten. Sie sind bescheiden, oft religiös und halten Demut für eine wichtige Tugend. Regeln sind zu wahren und Traditionen müssen auch in den kommenden Jahrzehnten mit Leben erfüllt werden. Recht und Ordnung, der Erhalt der Heimat und Frieden in der Nachbarschaft ist diesen Menschen wichtiger als den restlichen Bayern. Soziales Engagement empfinden diese 14,9 Prozent als entscheidend für ein angenehmes Miteinander. Beim Einkauf scheuen sie große Kaufhäuser und Fußgängerzonen, die Fülle verwirrt eher als dass sie bereichert. Diese Leute sind zwischen 27 und 60 Jahre alt, vertrauen auf die Produkte, die sie seit Jahren kaufen und verknüpfen den Namen großer Firmen immer mit Qualität. Einkaufen ist nicht das Shoppen der jüngeren Generationen, aber Spaß haben diese Bayern trotzdem daran. Sie kaufen immer beim gleichen Metzger, Bäcker oder Bekleidungshaus. Dort kennt man die Verkäuferin, erfährt den neuesten Klatsch und lässt sich auch mal etwas Unnützes aufschwatzen. Aber es war halt grad so nett.

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