"Mitte"-Studie zu Bayern:Herrmann sieht keine Ausländerfeindlichkeit

Großkontrolle im Kampf gegen Diebesbanden und reisende Straftät

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kann keine schlechte Stimmung gegen Ausländer im Freistaat erkennen.

(Foto: dpa)
  • Die hohen Zustimmungswerte sind besorgniserregend: In Bayern sind Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus offenbar deutlich verbreiteter als in anderen Bundesländern.
  • Viele Politiker und Aktivisten im Freistaat zeigen sich überrascht von den Ergebnissen der "Mitte"-Studie der Universität Leipzig.
  • Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht keinen Bedarf für politische Konsequenzen.

Von Anna Günther, Dietrich Mittler, Martina Scherf, Sarah Kanning, Wolfgang Wittl

Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und die Überhöhung des eigenen Landes sind in Bayern sehr viel weiter verbreitet als in anderen Bundesländern. Das hat die aktuelle "Mitte"-Studie der Uni Leipzig ergeben. Dazu haben die Forscher die Zustimmung von 19 080 Probanden aus den vergangenen zwölf Jahren untersucht. Auch wenn die Tendenzen im Zwölf-Jahres-Vergleich insgesamt abnehmen, sind die hohen Zustimmungswerte besorgniserregend. Nun äußern sich Politiker und Verbandsvorstände dazu.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden

Dass Bayern beim Thema Antisemitismus bundesweit an erster Stelle auftaucht, hat Josef Schuster überrascht. "Das habe ich bislang nicht wahrgenommen", sagt er. Gleichwohl sei das Ergebnis "erschreckend". Die Erkenntnisse deuteten auf altbekannte braune Ressentiments hin. "Da fordere ich mehr Konsequenz." Zunächst aber müsse nachgeforscht werden, "ob es im Freistaat Regionen gibt, in denen der Antisemitismus stärker zutage tritt". Wenn sich dabei Brennpunkte herausschälten, erwarte er von der Politik, dass sie dagegen entschieden vorgeht. Dazu zählt für Schuster auch ein Verbot der NPD.

Innenminister Joachim Herrmann

Ausländerfeindlichkeit? "Davon merke ich in unserem Land gar nichts", sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Man solle die Stimmung nicht schlechter reden, als sie tatsächlich sei. Ausländische Menschen würden in Bayern gut integriert. Natürlich gebe es "den ein oder anderen Idioten" mit rechtsextremer Gesinnung - dagegen müsse man energisch vorgehen. Generell stehe der Freistaat aber gut da, das zeigten vergleichsweise niedrige Zahlen bei ausländerfeindlich motivierten Gewalttaten. Die Studie werde er sich noch genauer ansehen, kündigte Herrmann an, etwa die Art der Fragestellung. Politische Konsequenzen schloss er aber aus: Eine Marine Le Pen, Chefin des rechtsgerichteten Front National in Frankreich, sei in Bayern weit und breit nicht zu sehen.

Martin Neumeyer, Integrationsbeauftragter der Staatsregierung

"Das Ergebnis erstaunt mich schon", sagt Martin Neumeyer (CSU). Zwar seien in Bayern Ressentiments wie in anderen Teilen Deutschlands festzustellen, doch oft erlebe er das Gegenteil: hilfsbereite, offene Bürger, die ausländische Menschen bereitwillig unterstützten. Klar sei: "Wir brauchen Menschen, die zu uns kommen", sagt Neumeyer - das zeige schon ein Blick auf den Arbeitsmarkt. Er selbst erfahre in seiner Partei immer mehr Unterstützung für seine Positionen. Dass die CSU an einer ausländerfeindlichen Stimmung schuld sei, denkt Neumeyer nicht: "Die CSU ist zwar bekannt für ihre markigen Sprüche, aber Vorurteile schüren wir nicht."

Alexander Thal, Bayerischer Flüchtlingsrat

Für Thal stellt sich die Lage indes so dar: "Solange Innenminister Herrmann den Flüchtlingen tausendfachen Asylmissbrauch vorwirft und Ministerpräsident Seehofer schwadroniert, er wolle eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bis zur letzten Patrone verhindern, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass es eine enorme Quote ausländerfeindlicher Einstellungen in Bayern gibt."

"Die Ergebnisse der Studie haben mich schockiert"

Erich Schneeberger, Landesverband Bayern der Sinti und Roma

Die aktuelle Medienberichterstattung über die "osteuropäische Völkerwanderung" vermittelt nach Ansicht von Erich Schneeberger ein verzerrtes Bild, das mit der Lebenswirklichkeit hier nichts gemein habe. "Wir sind so deutsch wie jeder andere auch", sagt er. In den Medien würden aber im Kontext mit Sinti und Roma stets "Bilder von den Armen der Ärmsten" gezeigt. "Dass bei uns viele Krankenschwestern und Ärzte aus Osteuropa tätig sind, die Angehörige der Roma sind, wird verheimlicht", sagt er.

Die Landtags-Grünen

Die Grünen fordern ein neues Handlungskonzept mit mehr Geld für zivilrechtliche Initiativen. "Die CSU-Regierung hat die gesellschaftspolitische Dimension rassistischer, antisemitischer und sonstiger menschenfeindlicher Einstellungen bis heute nicht erkannt und reduziert Rechtsextremismus stets nur auf sicherheitspolitische Probleme mit einer radikalen Minderheit am rechten Rand", sagt die innenpolitische Sprecherin Katharina Schulze.

Landtags-SPD

Das von der Staatsregierung ausgearbeitete "Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus" zeige keine Wirkung, sagt die SPD. Es diene nicht der Aufklärung sondern der Bekämpfung von Straftaten, sagte ihr Fraktionsexperte Florian Ritter (SPD). Die Staatsregierung müsse sich mehr einsetzen.

Klaus Wenzel, Bayerischer Lehrerverband

"Die Ergebnisse der Studie haben mich schockiert", sagt Klaus Wenzel. Das Problem sei strukturell, gerade am Gymnasium, aber auch an Real- und Mittelschulen fehle Zeit, spontan über Aktuelles zu sprechen. Nur wenn Schüler über Themen wie Pegida sprechen können und lernen, zu reflektieren, seien sie in der Lage, eine eigene Haltung zu entwickeln, sagt Wenzel. Genau das haben beim Schülerkongress in Nürnberg die Jugendlichen beklagt.

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