Konsequenzen aus Ermittlungspannen:Mehr Kontrolle für bayerischen Verfassungsschutz

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Fünf der zehn Morde, die dem NSU-Trio zugeschrieben werden, wurden in Bayern verübt. Und die Verfassungsschützer im Freistaat? Waren "völlig überrascht" vom rechtsextremen Hintergrund. Jetzt zieht Innenminister Herrmann Konsequenzen.

Mike Szymanski

Innenminister Joachim Herrmann zieht offenbar Konsequenzen aus den Ermittlungspannen bei der Mordserie der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle und will das Landesamt für Verfassungsschutz künftig stärker kontrollieren. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung plant der CSU-Politiker, die Aufsicht über die Behörde im Innenministerium grundlegend umzubauen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann baut den Verfassungsschutz im Freistaat um. (Foto: dpa)

Bislang ist der Verfassungsschutz Teil der Abteilung 1D und läuft darin neben so großen Aufgaben wie dem Brand- und Katastrophenschutz und dem Rettungswesen mit. Künftig soll der Verfassungsschutz in einer eigenen Abteilung überwacht werden. Das Innenministerium wollte sich am Freitag nicht zu den Plänen äußern.

Das Vorhaben ist nach SZ-Informationen weit gediehen. Zum Monatsende geht Abteilungsleiter Wolf-Dieter Remmele planmäßig in den Ruhestand. Herrmann will diese Gelegenheit offenbar nutzen, um die Abteilung 1D aufzuteilen. Um das Landesamt für Verfassungsschutz mit seinen etwa 450 Mitarbeitern soll sich nach SZ-Informationen künftig Hubertus Andrä kümmern, leitender Ministerialrat im Innenministerium.

Andrä war früher Chef der Polizei in Traunstein und soll mit seinen Erfahrungen für eine bessere Zusammenarbeit der Behörden sorgen. Als Abteilungsleiter für den Brand- und Katastrophenschutz sowie für das Rettungswesen mit mehreren hunderttausend Ehrenamtlichen ist Alois Lachner im Gespräch, bislang Landtagsbeauftragter des Innenministeriums.

Fünf der zehn Morde, die dem NSU-Terror-Trio zugeschrieben werden, waren in Bayern verübt worden. Vom rechtsextremen Hintergrund wurden die bayerischen Verfassungsschützer nach eigenen Angaben "völlig überrascht". Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages hat erste Versäumnisse der Ermittlungsbehörden offengelegt.

Das Landesamt für Verfassungsschutz fiel dadurch auf, dass die Mitarbeiter Anfragen eher beamtenmäßig abarbeiteten, wenig Eigeninitiative ergriffen und den Austausch mit anderen Landesbehörden auf das Nötigste beschränkten.

Bayerns Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner sieht seine Behörde geschwächt. "Das Renommee, das wir uns in Bayern aufgebaut haben, hat Schaden genommen", räumte er bereits ein. In Sachsen und Thüringen haben die Aufklärungspannen zu Rücktritten der Verfassungsschutzchefs geführt.

Auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, erklärte seinen Rückzug. Nach der Sommerpause beginnt im bayerischen Landtag die parlamentarische Aufarbeitung der Mordserie. Ein Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, wie sich der Rechtsextremismus in Bayern seit 1994 entwickelt hat und warum die Behörden den Tätern nicht auf die Spur kamen.

© SZ vom 14.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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