Süddeutsche Zeitung

Konnersreuth:Die wundersame Therese Neumann

Schon zu Lebzeiten war sie weltberühmt: Die 1962 gestorbene Frau mit den Stigmata wird wie eine Heilige verehrt. Doch die Amtskirche prüft noch

Von Katja Auer, Konnersreuth

An einem Mittwochmittag zum Beispiel, mitten unterm Jahr, schaut Konnersreuth aus wie ein ganz normales Dorf in der Oberpfalz. Der Metzger sperrt anderthalb Stunden zu, drüben kehrt einer vor seiner Garage, und auf dem Friedhof erörtern zwei ältere Damen die Frage, ob man die Stiefmütterchen jetzt schon wegtun soll vom Grab und dann vielleicht doch wieder Tagetes drauf. Nur die vier Wanderer laufen nicht zufällig über irgendeinen Friedhof in irgendeinem Dorf. Sie suchen das Grab der Therese Neumann, genannt Resl von Konnersreuth, die aus der Marktgemeinde im Landkreis Tirschenreuth längst einen Wallfahrtsort hat werden lassen. Keinen offiziellen, das noch nicht, aber man hat sich eingestellt auf die Pilger. Vom Reslhaus, wo die Verehrte von ihrer Geburt 1898 bis zu ihrem Tod 1962 lebte, über die Pfarrkirche, wo sie getauft wurde, bis zu ihrem Garten und den Friedhof, wo sie begraben liegt, können Besucher ihren Spuren folgen. In einer 2006 errichteten Votivkapelle zeugen Tafeln, Kerzen und Rosenkränze von den vielen Gebeten, bei denen die Resl als Fürsprecherin eingetreten sein soll. 2005 wurde der Seligsprechungsprozess eröffnet. Am 18. jedes Monats, ihrem Sterbetag, finden Gebetstage statt, um das Ganze zu beschleunigen.

Die Geschichte der Resl von Konnersreuth hat schon zu ihren Lebzeiten Menschen fasziniert, hat jene angezogen, die sie verehrten und sich Seelenheil erhofften und jene, die sie endgültig als Schwindlerin entlarven wollten. Als erstes von elf Kindern kam Therese als Tochter eines wenig begüterten Schneiders zur Welt. Sie besuchte ein paar Jahre die Volksschule und wurde dann Magd bei einem Bauern im Dorf, bis sie 1918 nach einem Unfall gelähmt wurde und später auch erblindete. Beide Gebrechen sollen plötzlich wieder verschwunden sein, nämlich am Tag der Selig- und danach der Heiligsprechung der heiligen Therese von Lisieux, die Resl sehr verehrte. Von 1926 an soll sie Visionen gehabt und das Leben und Leiden Jesu geschaut haben. Bis zu ihrem Tod, 35 Jahre lang, soll sie weder feste noch flüssige Nahrung mehr zu sich genommen haben - außer der Hostie. An ihrem Körper sollen sich die Wundmale gezeigt haben, jeden Freitag durchlitt sie die Passion Christi. Das sprach sich herum, immer mehr Menschen kamen nach Konnersreuth und wollten sie sehen. Fromme und Neugierige, Gläubige und Skeptische. Resl betete für die Kranken, Sterbenden und für die Priester. Sie scharte einen Kreis von Nazi-Gegnern um sich, die ebenfalls auf sie vertrauten. 1962 starb sie nach kurzer Krankheit.

Die Geschichte der stigmatisierten Bauernmagd wird nun von allerlei Gremien geprüft, ob sie tatsächlich Jesus schaute und ob ihre Fürsprache Wunder tut. Die Ehrenamtlichen, die in dem zauberhaften Gärtchen sitzen, das die Resl anlegte und pflegte, glauben das ganz gewiss und erzählen den Besuchern gerne davon. Was die vier Wanderer glauben, mögen sie nicht sagen. Aber suchen wollen sie nach den Spuren der Resl von Konnersreuth.

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Quelle:
SZ vom 31.05.2016
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