Kompromiss:Heimat leicht gemacht

Kompromiss: Illustration: Dennis Schmidt

Illustration: Dennis Schmidt

Junge Familie, vertrautes Arbeitsumfeld, attraktives Wohngebiet: Es gibt viele Gründe, an einem bestimmten Flecken wohnen zu wollen. Mit dem Einheimischenmodell haben Städte und Gemeinden Ortsansässigen günstigen Baugrund anbieten können. Nun ändern sich die Auswahlkriterien

Von Christian Sebald

Natürlich ist Josef Steigenberger erleichtert. "Der Streit um unsere Einheimischenmodelle hing jahrelang wie ein Damoklesschwert über uns Kommunalpolitikern", sagt er. "Gut, dass er ausgestanden ist und wir unseren Bürgern weiter verbilligtes Bauland anbieten können." Steigenberger ist Bürgermeister von Bernried am Starnberger See. Der ist bei betuchten Münchnern als Wohngegend sehr beliebt. Die Folge: Bauland ist so teuer, dass junge Familien aus dem Ort auf dem freien Markt kaum Chancen darauf haben.

Abhilfe schafft da seit mehr als 40 Jahren das Bernrieder Einheimischenmodell. In seinem Rahmen gibt die Gemeinde günstiges Bauland ab. 225 Euro kostet der Quadratmeter Baugrund im aktuellen Programm, auf dem freien Markt ist er nicht unter 500 Euro zu haben. Einheimischenmodelle wie in Bernried gibt es in vielen Gemeinden in Bayern, in denen Bauland rar und teuer ist. Wenigstens 200 Kommunen, so schätzt der Gemeindetag, haben Einheimischenmodelle. Schwerpunkte sind Ballungsräume wie München und Augsburg und besonders begehrte und teure ländliche Wohnlagen wie der Starnberger See oder der Tegernsee.

Dass Einheimischenmodelle auch in Zukunft möglich sind, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Denn der EU waren sie über Jahre hinweg ein Dorn im Auge. Der Grund: Die klassischen Einheimischenmodelle hatten alle eine zentrale Bedingung. Bewerben durfte sich nur, wer etliche Jahre in der jeweiligen Gemeinde gewohnt oder gearbeitet hatte, also Ortsansässiger war. Aus Sicht der EU-Kommission verstießen die Kommunen damit gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit. Die Begründung: EU-Bürger werden benachteiligt, wenn sie für Bauland Marktpreise zahlen müssen, während Ortsansässige es zum Vorzugspreis bekommen.

Schon vor neun Jahren intervenierte die EU deshalb bei der Bundesregierung, später verklagte sie Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Der urteilte 2013, dass Einheimischenmodelle tatsächlich gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Allerdings, so stellte er fest, sind sie eine Möglichkeit, Einkommensschwächeren zu Wohneigentum zu verhelfen. Seither rangen die EU-Kommission und Deutschland um einen Kompromiss.

Nun ist er da. Und die EU-Kommission hat sich durchgesetzt. "Die Ortsansässigkeit darf künftig tatsächlich kein K.-o.-Kriterium für die Teilnahme an einem Einheimischenmodell sein", sagt Gemeindetags-Geschäftsführer Franz Dirnberger. Das heißt nicht, dass sie überhaupt keine Rolle mehr spielt. Denn die Modelle funktionieren nach komplizierten Punktesystemen. In ihnen spielt der Zahl der Kinder eines Bewerbers genauso eine Rolle wie sein ehrenamtliches Engagement und künftig eben auch die Ortsansässigkeit - bis zu einem Limit von fünf Jahren.

Im Gegenzug wurde die soziale Komponente gestärkt. Einkommen und Vermögen der Bewerber bleiben K.-o.-Kriterien für die Teilnahme. Das Einkommen eines Anwärters darf das Durchschnittseinkommen in der jeweiligen Gemeinde nicht übersteigen, die Höchstgrenze sind für Ledige 51 000 Euro im Jahr, bei Ehepaaren verdoppelt sich der Betrag, plus 7000 Euro pro Kind. Die Vermögensgrenze orientiert sich am Wert des Baulands.

Wie viele Bürgermeister ist Steigenberger etwas enttäuscht über die Schwächung der Ortsansässigkeit. Andererseits hat er durchgerechnet, ob der Kompromiss Auswirkungen auf zurückliegende Bauland-Vergaben gehabt hätte. Die gute Nachricht: "Es wären die gleichen Bewerber zum Zuge kommen wie bei unserem bisherigen Modell." In Bernried sind sie ohnehin weiter. "Auch in ländlichen Gemeinden wie unserer geht der Trend weg von Häusern hin zu Wohnungen", sagt Steigenberger. "Wir tüfteln an einem Programm, um da unseren Bürgern zu helfen."

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