Beim Beklagten ist die Klage noch gar nicht angekommen. Man wisse bisher nicht im Detail, wogegen genau die Marktgemeinde vorgehen wolle, hieß es zuletzt aus dem Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen. Vom Rathaus bis zum Landratsamt sind es nur ein paar Minuten zu Fuß, doch der Rechtsweg ist deutlich langwieriger. Fest steht, dass die Auseinandersetzung in Garmisch-Partenkirchen ein Thema betrifft, das in Bayern viele Kommunen gegen ihre Landratsämter aufbringt – nämlich wie und wo genau die Behörden in den Gemeinden Unterkünfte für Flüchtlinge schaffen.
Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen hat es da bisher nicht an Solidarität mangeln lassen – weder mit den Asylbewerbern und den vor dem Krieg geflüchteten Ukrainern noch mit den benachbarten Kommunen. Die mit rund 28 000 Einwohnern weitaus größte Gemeinde hat innerhalb des Landkreises nicht nur weitaus die meisten Geflüchteten aufgenommen, sondern um ungefähr ein Fünftel mehr, als es ihrem Einwohneranteil entspräche. Fast 1500 Asylbewerber sind das derzeit, 500 mehr als vor zwei Jahren. Das überfordere die Marktgemeinde inzwischen vor allem bei der Kinderbetreuung, wo es ohnehin viel zu wenig Personal gebe. So argumentierte Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU), als sie im Juni angekündigte, von einem Gericht überprüfen zu lassen, ob das Landratsamt die Geflüchteten richtig auf die Gemeinden verteile.
Dass dies „eigenmächtig“ geschehe, wie ihm nach Kochs Vorstoß auch die örtliche FDP vorgehalten hat, weist Landrat Anton Speer (FW) aber ebenso zurück wie den Vorwurf, er habe„stolz verkünden“ lassen, dass der Landkreis die ihm auferlegte Quote für die Flüchtlingsunterbringung mit 132 Prozent übererfüllt habe. Vielmehr bemühe man sich, „für die Flüchtlinge, aber auch für die Landkreisbevölkerung die verträglichste Lösung zu realisieren“, und habe es mit Hinweis auf die übererfüllte Quote geschafft, zeitweise keine weiteren Asylbewerber zugewiesen zu bekommen.

Denn während der Bund dem Freistaat, dieser seinen sieben Regierungsbezirken und die wiederum den Landkreisen nach festen Quoten Asylbewerber zuweisen können, gibt es in Bayern im Verhältnis der Landratsämter zu den einzelnen Gemeinden keine solche Handhabe. Ein Landratsamt könne die Gemeinden „zur Benennung geeigneter Möglichkeiten zur Unterbringung von Flüchtlingen auffordern“ und diese seien auch grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet, heißt es dazu vom Innenministerium in München. „Zwangszuweisungen“ von staatlicher Seite seien aber nicht vorgesehen. Diese Rechtslage wurde Anfang des Jahres in einem anderen Gerichtsprozess bestätigt, den das kleine Greiling gegen das Landratsamt in Bad Tölz geführt hatte. Das Gericht hat es dem Tölzer Landrat Josef Niedermaier (FW) per Eilentscheidung verboten, der Gemeinde Greiling einfach Flüchtlinge zuzuweisen, so wie Niedermaier das im vergangenen Sommer angekündigt hatte.
Zugleich klagt derzeit auch die Stadt Bad Tölz gegen ihr örtliches Landratsamt, das in all diesen Fällen streng genommen für den Freistaat als eigentlichen Beklagten steht. Bad Tölz wehrt sich vor Gericht dagegen, dass das Landratsamt sich selbst gegen den erklärten Willen der Stadt eine weitere Gemeinschaftsunterkunft für fast 100 Geflüchtete genehmigt hat. Dies berühre das Recht auf kommunale Selbstverwaltung, heißt es dazu von der Stadt.
Gemeindetag hält viele Klagen für chancenlos
Dem gleichen Muster folgten wohl die meisten einschlägigen Klagen von Kommunen gegen die jeweiligen Landratsämter, heißt es vom Bayerischen Gemeindetag. Dessen Baurechtsexperte Matthias Simon wird nach eigenen Angaben immer wieder von Gemeinden dazu angefragt – und winkt meistens ab, weil solche Klagen „in neun von zehn Fällen chancenlos“ seien. Denn im deutschen Baurecht gibt es schon seit Jahren Sonderregelungen, die den Bau von Flüchtlingsunterkünften erleichtern.
Die sechs Verwaltungsgerichte in Bayern haben seit Anfang 2023 zusammen rund ein Dutzend Klagen gezählt, mit denen sich Kommunen per Baurecht gegen Flüchtlingsunterkünfte wehren wollten. Etliche Klagen wurden von Eilanträgen flankiert, von denen die Gerichte bisher aber die meisten abgelehnt haben. Wirklich erfolgreich war zuletzt vor allem der Markt Tussenhausen im Unterallgäu mit seiner Klage gegen eine Thermohalle für 80 Geflüchtete. Das Verwaltungsgericht Augsburg gab ihr im April recht, weil das Landratsamt einen Formfehler begangen hatte.
Was allen Beteiligten auf allen Seiten klar ist: Irgendwo müssen die Geflüchteten hin, unter möglichst guten Bedingungen. Und irgendwo ist immer in irgendeiner Gemeinde.