Pappenheim:Das Schloss des Anstoßes

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Die Schlossfassade am Marktplatz in Pappenheim entwickelt sich zum Schandfleck. Die Fenster sind weiß und grau verhangen, die Fassade bröckelt. (Foto: dpa)

In Pappenheim liegen Bürgermeister Uwe Sinn und die Familie von und zu Egloffstein wegen einer Fassade und einer kleinen Straßenfläche im Clinch. Es geht dabei auch um Geld, Beziehungen, zögerliche Behörden und Gerichtsverfahren.

Von Uwe Ritzer, Pappenheim

Uwe Sinn, 55, hat das Problem täglich vor Augen, immer dann, wenn der Pappenheimer Bürgermeister in seinem Amtszimmer aus dem Fenster schaut. Zwangsläufig fällt sein Blick über den Marktplatz hinweg auf das Stadtschloss, dessen Fassade langsam aber sichtbar vergammelt. Beugt sich Sinn (SPD) vor und nach links, dann schaut er zu jenen vier Quadratmetern mitten in einer Altstadtstraße, um die sie in Pappenheim seit Jahren streiten; die Stadt und die Eigentümerin des Schlosses, die Familie von und zu Egloffstein.

Das eine hängt bekanntlich mit dem anderen zusammen. Die Kommune fühlt sich von den Egloffsteins hintergangen und geprellt. 1,4 Millionen Euro öffentliche Zuwendungen (bei 1,8 Millionen Baukosten) flossen in die Sanierung des Privatschlosses, in dem die Familie wohnt. Eine wesentliche Bedingung für die hohe Subvention: Die Fassade zum Marktplatz hin muss saniert werden. Wurde sie aber nicht.

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Schon seit Jahren streitet die Stadt Pappenheim mit der Familie von und zu Egloffstein um vier Quadratmeter Straße. Nun soll ein drastischer Schritt für Ruhe sorgen.

Von Uwe Ritzer

Seit die Stadt dies heftig moniert, rächen sich die Egloffsteins, indem sie besagte vier Quadratmeter, die bei einer Umwidmung vor langer Zeit vergessen wurden und ihnen gehören, beanspruchen und damit drohen, sie zu umzäunen. Wohlgemerkt mitten in einer Straße, in einer Engstelle. Das Pikante an alledem: Albrecht Graf von und zu Egloffstein ist Vize-Chef des bayerischen Landesdenkmalrates und auch sonst gut vernetzt. Erst im Oktober hatte er wieder einmal CSU-Landtagsabgeordnete zu Gast. In Pappenheim ist Egloffstein für viele nur "Graf Ego".

Auffallend ist der zögerliche Umgang staatlicher Stellen mit dem nun schon fünf Jahre währenden Streit, der die Entwicklung Pappenheims in Teilen blockiert. Die Kommune und ihr Bürgermeister erfahren keine erkennbare Unterstützung, nicht einmal vom Landesamt für Denkmalpflege, das sonst mit Denkmaleigentümern gerne mal penibel umspringt. Anfang Dezember beantragte die Stadt die Enteignung der vier Quadratmeter beim Landratsamt in Weißenburg. Das lässt sich Zeit. Es laufe eine "Vorprüfung", sagt eine Sprecherin, man sammle noch Unterlagen.

Man wartet ab. Zum Beispiel darauf, was aus einer Duldungsanordnung der Stadt wird. Bürgermeister Sinn hat sie erlassen, weil die Stadt den größten und wichtigsten, innerstädtischen Parkplatz sanieren und erweitern will. Die Zufahrt ist nur über die vier Quadratmeter möglich. Gegen die Duldungsanordnung zog die Familie Egloffstein vor Gericht. Die von der Stadt beauftragte örtliche Baufirma, die öfter auch für die Egloffsteins arbeitet, zögert nach deren Warnungen, den Straßenfleck nur ja nicht zu überfahren. "Der Parkplatzausbau kommt deshalb so gut wie nicht voran", sagt Bürgermeister Sinn.

Überhaupt haben Angst und Unterwürfigkeit vor "dem Grafen" und "der Grafschaft" in Teilen der Pappenheimer Bevölkerung und des Stadtrates für das 21. Jahrhundert ein verblüffendes Ausmaß. Nicht wenige Rathauspolitiker plädieren für mehr Nachgiebigkeit; Steuergeld und Vereinbarungen hin oder her. Für manche ist der Bürgermeister das Feindbild. Das politische Pappenheim ist zerstritten und in Lager gespalten, die sich teilweise wüst und bis ins Private hinein bekämpfen. Das alles beileibe nicht nur, aber auch wegen des Konfliktes um die Schlosssanierung.

Im Februar verbuchten die Egloffsteins einen Teilerfolg. Das Verwaltungsgericht Ansbach wies eine Klage der Stadt auf Rückzahlung von 42 000 Euro Städtebaufördermittel zurück. Hauptsächlich aus formalen Gründen, wie die schriftliche Urteilsbegründung zeigt, die der SZ vorliegt. Da diese Formalia im Nachhinein nicht korrigiert werden können, soll die Stadt nach dem Willen ihres Bürgermeisters auch keine Berufung gegen das Urteil einlegen.

Die Begründung des Richterspruches lässt allerdings Spielräume für beide Interpretationen. Die Stadt beharrt darauf, dass die Egloffsteins die Fördermittel nicht korrekt ausgegeben haben, weil sie alles mögliche an ihrem von Leo von Klenze entworfenen und zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbauten Schloss saniert haben, nur nicht, wie vereinbart, die Fassade am Marktplatz. Die Egloffsteins, die sich zum Konflikt seit Jahren und auch auf eine neuerliche SZ-Anfrage hin nicht äußern, argumentierten vor Gericht, andere Teile des Schlosses seien baufälliger gewesen und deswegen saniert worden. Zum Beispiel ihr zur Altmühl hin gerichtetes, privates und von außen kaum einsehbares Refugium.

Die Schlossfassade am Marktplatz entwickelt sich hingegen zum Schandfleck. Die Fenster sind weiß und grau verhangen, die Fassade bröckelt und dreckelt, gleich vier Schilder warnen davor, nur ja die private Einfahrt freizuhalten. "Wir sind natürlich weiter an einer Lösung interessiert", sagt Bürgermeister Sinn, "schließlich leidet der Marktplatz und das gesamte Stadtbild unter dem Zustand." Ob aber auch die Egloffsteins eine Lösung wollen und wie sie aus ihrer Sicht aussehen könnte, ist offen; auch dazu blieb eine Anfrage unbeantwortet. Im Gegenzug für die Überlassung der vier Quadratmeter Straße forderten sie von der Stadt exklusive Zugriffsrechte auf ein Vielfaches der Fläche vor ihrem Schloss. Für Sinn "völlig unakzeptabel".

Es ist ein Kleinkrieg mit bisweilen bizarren Zügen, der da in Pappenheim tobt. An allen Ecken und Enden tun sich Grundstückskonflikte auf, zum Teil geht es auch da nur um wenige Quadratmeter. Selbst die Altmühl, die friedlich durch das Städtchen zieht, ist vor dem Streit nicht sicher. Die Hälfte des Flusses beansprucht die Familie Egloffstein als ihr Privateigentum.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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