Süddeutsche Zeitung

Sexismus-Debatte:Junge Union kriegt Ärger wegen Po-Plakat

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Wahlwerbung liefert Gesprächsstoff, im besten Fall. Der JU Mettenheim ist das gelungen - nur gänzlich anders als geplant.

Glosse von Johann Osel

Es sind zwei Pobacken und zwei Hände, die der Jungen Union im oberbayerischen Mettenheim mächtige Entrüstung bescheren. So nämlich illustrierte der Nachwuchs der CSU ein Plakat zur Kommunalwahl: eben mit einem - augenscheinlich weiblichen - Hintern, in Lederhosen gepackt, links und rechts werden die Rundungen angetatscht. Ob ein lüsterner Kerl da hinlangt oder die Dame selbst nach hinten greift (um den Sitz ihrer Hose zu prüfen), ist nicht zu eruieren. "Jetzt pack ma's an!", heißt der Slogan dazu. Genauer: hieß er; denn nach Kritik in sozialen Medien, wo sich derlei Aufreger rasch verbreiten, wurde die Kampagne gestoppt. "Wahlplakate from Hell: Frauenförderung bei der JU" oder "sexistische Kackscheiße" war im Netz zu lesen.

Nun kann man sich zwei Szenarien vorstellen, wie die Idee aufkam. Das eine wäre eine bierselige Runde, "hohohoho", wo plötzlich einer den Geistesblitz hat, "hihihihi", und sagt: "Wisst's was, mach' ma doch an Weiberarsch und schreib'n: Jetzt pack ma's an!" Hohoho, hihihi. Szenario zwei: Monatelang wälzte die JU Fachbücher zum politischen Marketing. Ein "Unique Selling Point" müsse her, Einzigartiges, über das die Leute sprechen; schließlich tritt die JU in Mettenheim - wie der Nachwuchs andernorts - mit eigener Liste an. Das muss sich herumsprechen. Wieso nicht also eine kleine Provokation? In Zeiten von "Me Too", in der manche die Debatten durchaus für überdreht halten: so überdreht, dass jeder Fitzel nackter Haut in der Werbung gleich als Skandalon gilt und sich unbescholtene Männer mit perversen amerikanischen Milliardären in Sippenhaft genommen fühlen.

Steinzeitliche Tölpelhaftigkeit oder superpfiffiges Politmarketing? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Man wollte "einen Eye-Catcher erzeugen", erklärt die JU, sei jedoch "wohl über das Ziel hinausgeschossen". Man distanziere sich "von jeglicher Art von Frauenfeindlichkeit". Zumindest viel Aufmerksamkeit ist erreicht, in Mettenheim wissen die Bürger nun, dass die JU dort separat kandidiert. Doch zur Wahl ist es noch sieben Wochen hin. Um die Spannung zu erhalten, empfiehlt sich vielleicht jetzt ein Vorschlag aus der Facebook-Debatte: "Der gleiche Spruch, aber mit dem nackten Ortsverbandsvorsitzenden, der sein Gehänge mit der Hand verdeckt."

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Quelle:
SZ vom 24.01.2020
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