Süddeutsche Zeitung

OB-Wahlsieger Maly:Der Frankenkaiser

So geschockt wie nach der ersten Prognose hat man Markus Söder selten gesehen: OB Maly hat für die SPD in Nürnberg ein Traumergebnis erzielt - und gibt sich gerührt vom Liebesbeweis der Wähler. Wird er nun der nächste Spitzenkandidat der bayerischen Sozialdemokraten?

Von Katja Auer und Olaf Przybilla, Nürnberg

Damit hat Ulrich Maly nicht gerechnet. Dass er es im ersten Wahlgang schaffen würde, damit schon, bei aller Bescheidenheit. Aber dass ihm die Nürnberger noch mal ein paar Prozentpunkte draufpacken würden auf das Spitzenergebnis aus dem Jahr 2008, das kommt für den SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg doch überraschend.

68 Prozent lautet die erste Prognose des Bayerischen Rundfunks, als Maly mit seiner Frau Petra zu den jubelnden Genossen im Karl-Bröger-Haus stößt. Ein Triumph. Er küsst seine Frau, drückt seine Eltern, die auch gekommen sind. Dann steigt er auf die Bühne. "Uli, Uli, Uli!", rufen sie im Saal.

"Das könnte knapp reichen", sagt er ins Mikrofon. Das ist Maly. In der Stunde eines fast historischen Sieges würden andere überschäumend reagieren. Maly macht einen Witz. Und verspricht, auch mit einem solchen Ergebnis nicht übermütig zu werden. "Wir bleiben fränkisch-bescheiden", sagt er. Seine SPD hat bei der Stadtratswahl ebenfalls zugelegt um vier Prozentpunkte auf 47 Prozent. "Das Wiederherstellen der roten Hochburg", nennt er das.

Maly ist extrem beliebt, und das weiß er auch. Und doch freut er sich sichtlich über das Ergebnis, denn es "zeigt die Zuneigung der Nürnberger, die mich berührt", sagt er. Ein bisschen gezittert habe er schon am Ende und schließlich habe er ja nicht nur einen Gegenkandidaten gehabt, sondern zwei. Sebastian Brehm meint er damit, den Herausforderer von der CSU, und Markus Söder, den Bezirkschef und Finanzminister.

Die hatten sich in den vergangenen Wochen eifrig bemüht, Maly als Zauderer dastehen zu lassen. Das hat ihn getroffen. Geschadet hat es ihm nicht. Das Ergebnis sei "eine kleine Ohrfeige für die anderen". Und tatsächlich hatte Maly sogar noch deutlich mehr Herausforderer, insgesamt acht von allen möglichen Parteien und Gruppierungen. 67, 1 Prozent am Ende kommen da fast schon einer Sensation gleich. Nur die Nürnberger SPD-Legende Andreas Urschlechter hatte 1969 ein paar Zehntel mehr.

Brehm bedankt sich artig für alles

Der Nürnberger CSU-Kandidat Brehm ist sichtbar angeschlagen. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn, er ringt mit den Händen. Dass er Maly schlagen würde, den Städtetagspräsidenten, das hat er wohl selbst nicht erwartet. Aber noch mal schlechter als der CSU-Herausforderer von 2008, das hätte er nicht für möglich gehalten. Brehm bedankt sich artig für alles, er bekommt auch artige Ovationen von den Parteifreunden.

Aber wer in die Gesichter schaut, sieht eine Mischung aus Schock und Mitleid. Eine "Perspektivwahl" sei das gewesen, sagt der 42 Jahre alte Steuerberater Brehm. Was heißen soll: Eigentlich sollte sie dazu dienen, ihn bekannt zu machen, damit er bei der nächsten OB-Wahl - wenn Maly womöglich nicht mehr antritt - eine Chance haben könnte. Aber jetzt: 24, 1 Prozent, das ist niederschmetternd.

Neben ihm sitzt Söder, so geschockt wie kurz nach Bekanntgabe der ersten Prognosen hat man ihn selten gesehen. Das breite Söder-Lächeln ist weg, Söder starrt in die Menge im Bratwurst-Röslein, wo die CSU eigentlich feiern wollte. Nachdem Brehm seine Rede gehalten hat, will der Kandidat schnell weg von der Bühne. Söder aber lässt ihn nicht. Wenn die Fotos von dem Debakel geschossen werden, dann will der Nürnberger CSU-Chef nicht alleine vorne dran stehen. Die Niederlage ist eine Brehm-Niederlage, dieser Eindruck muss hängen bleiben von diesem Abend.

Söder gratuliert Maly und versucht sich an Durchhalteparolen. Ein Rücktritt Brehms als Fraktionsvorsitzender der CSU im Stadtrat? Eigentlich läge das jetzt nahe nach so einem Ergebnis. Im Gegenteil, sagt Söder. Brehm muss weiter machen. Das verkündet Söder noch am Wahlabend. Der Grund ist einfach: Die CSU hat keinen anderen. Und Söder, der Nürnberger Parteichef, will in den kommenden Jahren nicht permanent die Frage beantworten müssen, mit welchem Personal er nach diesem Niederschlag eigentlich weiter machen will.

Woran es gelegen hat, wird Söder gefragt. Etwa auch an ihm selbst? Immerhin war es Söder, der bei so ziemlich jeder Wahlveranstaltung nach vorne drängte, so dass man manchmal den Eindruck hatte, Söder stünde zur Wahl und nicht Brehm. Söder hat eine eigene Sicht der Dinge. Natürlich lag es mitnichten am Mittelmaß, das die Partei geboten hat.

Sondern daran, dass Maly die "versammelte Linke in Nürnberg" hinter sich gebracht habe. Also auch die Grünen. In München, will Söder damit andeuten, ist das anders. Für das Debakel der Nürnberger CSU, auch für den Niederschlag des CSU-Chefs in Nürnberg, sind also verantwortlich: die Grünen.

Während Söder so spricht, taucht hinter ihm, auf der Leinwand, der Triumphator des Abends auf. Der Mann, der der CSU die schwersten Niederlagen beizubringen weiß: Maly. "Wenigstens der Ton ist abgestellt", sagt Söder, "das braucht man im Moment wirklich nicht." Immerhin: Da ist Söder schon wieder Söder. Nicht das Häufchen Elend, das man zu Beginn des Wahlabends beobachten konnte.

Am Ende sind es doch keine 68 Prozent, sondern 67,1 , aber das schmälert Malys Erfolg nicht. Nachdem Christian Ude in München in den politischen Ruhestand getreten ist, bleibt Maly als starker Mann der Bayern-SPD. Und schon kommt sie wieder, die Frage, ob er für die SPD den Ministerpräsidenten-Kandidaten macht. Und Maly weist sie wieder, ebenso freundlich wie bestimmt, zurück. Vielleicht noch ein bisschen bestimmter als sonst. "Die Nürnberger haben mich gewählt", sagt er. "Umso mehr bin ich verpflichtet, da zu bleiben."

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Quelle:
SZ vom 17.03.2014
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