Kommunalwahl in Bayern:So bunt wie blass

Bürgerendscheid zu Olympia in Garmisch-Partenkirchen

Sonntag wird in Bayern gewählt.

(Foto: picture alliance / dpa)

CSU-Chef Horst Seehofer benimmt sich im Jahr 2014 zwar gern, als wäre er Alleinherrscher - doch auf der politischen Landkarte gibt es durchaus bunte Flecken. Heute können die Bayern entscheiden, ob es mehr werden sollen.

Ein Kommentar von Nina Bovensiepen

An Jakob Kreidl führt an dieser Stelle kein Weg vorbei, denn so viel Dreistigkeit war selten. Jakob Kreidl ist jener Miesbacher Landrat, der seine Geburtstagsfeier von der örtlichen Kreissparkasse mit 77 000 Euro sponsern ließ. Für ihn war das zunächst kein Grund, bei der bayerischen Kommunalwahl nicht mehr zu kandidieren.

Zuvor hatte er sich schon nicht davon beirren lassen, dass ihm sein Doktortitel wegen Abschreibens aberkannt wurde, und dass er seine Frau jahrelang auf Staatskosten beschäftigt hatte. Erst als der CSU-Parteispitze das alles zu bunt wurde, lenkte Kreidl ein: Er versprach, das Amt des Landrats nicht mehr anzutreten, falls er gewählt wird.

Bayern im Jahr 2014. Ja, in diesem Bundesland durften die Menschen sich zuletzt stark an die alte CSU mitsamt Filz erinnert fühlen. Sie dürfen das ab und an, die Verwandtenaffäre, bei der seltsame Familienbeschäftigungsverhältnisse zutage kamen, war auch ein Beispiel dafür. Außerdem ist da noch der Politikstil des Horst Seehofer, der sich trotz eines politischen Schlingerkurses als Quasi-Alleinherrscher geriert. Auch das ruft Gedanken an jene CSU wach, die einst das Land regierte, als gäbe es keine Opposition.

Bayern ist facettenreicher geworden

Das ist Bayern im Jahr 2014. Und doch ergibt das kein vollständiges Bild. Wer genauer auf den Süden der Republik schaut, der sieht ein Land, das viel bunter und facettenreicher geworden ist, als es einst war. Diesen Sonntag stimmen die bayerischen Bürger über Oberbürgermeister, Landräte und Kreistage ab. Bei den Kommunalwahlen geht es um jenen Teil der Politik, der viele unmittelbar betrifft.

Sie sind bedeutender als viele andere Wahlen, weil hier direkt über Personen und Sachthemen im engsten Umfeld entschieden wird. Es geht um ganz simple und zugleich schwerwiegende Fragen. Steckt eine Stadt Geld lieber in ein Gewerbegebiet oder in den Schulausbau? Ist in der Dorfstraße eine weitere Bushaltestelle wichtig oder braucht es dringender einen Radweg? Hat eine Gemeinde den Anspruch, ein lebendiges Vereinsleben zu unterstützen und wie wichtig sind ihr Kitaplätze?

Zu diesen und ähnlichen Fragen haben sich quer durch Bayern derart viele Parteien und Wählergruppierungen positioniert, dass mancherorts das Kreuzchenmachen in einer engen Wahlkabine zu einem komplizierten Akt wird. In München etwa ist der Stimmzettel zur Stadtratswahl 1,38 Meter breit und 60 Zentimeter hoch. Mit 932 Kandidaten auf 14 Listen gibt es so viele Bewerber wie nie zuvor für die 80 Sitze. So viel Vielfalt ist nicht überall geboten. Dabei schätzen die Menschen das: Bei der Kommunalwahl 2008 mussten CSU und SPD die schlechtesten Ergebnisse seit Jahrzehnten einstecken. Die verschiedenen Wählergruppen, die aus Unzufriedenheit oder weil sie um lokale Interessen kämpfen, entstanden sind, erzielten dagegen insgesamt das größte Plus.

Um wie viel bunter Bayern geworden ist, zeigt sich auch an der politischen Landkarte, auf der beileibe nicht mehr überall die CSU dominiert. Städte wie München und Nürnberg werden schon lange von Sozialdemokraten regiert, auch anderswo wurde der einstige Platzhirsch verdrängt.

Über die Farbe der politischen Landkarte bestimmen die Bayern nun wieder - wenn sie zur Wahl gehen. Denn, obwohl die Abstimmung so direkte Folgen für das eigene Leben hat: Der Wille, auf kommunaler Ebene mitzureden, nimmt ab. 2008 erreichte die Wahlbeteiligung mit 59,5 Prozent den niedrigsten Wert der Nachkriegszeit. Das ist bitter, besagt es doch, dass fast nur noch jeder Zweite sein Recht zur Mitbestimmung vor der Haustür wahrnahm. Dabei geht es um so viel.

In München tritt Oberbürgermeister Christian Ude ab

Um besonders viel geht es in diesem Jahr in der Landeshauptstadt. In München tritt Oberbürgermeister Christian Ude ab, der fast 21 Jahre regierte. Eine lange Amtsperiode endet - eine zu lange. Wie es bei Mächtigen häufig ist, so hat auch Ude den besten Zeitpunkt für den Abschied verpasst. Er hat seinen Posten zu sehr geliebt, was seinem Nachfolger die Sache nicht leicht macht. Und "die Sache" ist in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen.

Der Bürgermeister von München ist nicht das Oberhaupt einer x-beliebigen Stadt. Er - oder sie - entscheidet über die Geschicke eines Wirtschaftsmotors, der für München, aber auch für Bayern und Deutschland zentral ist. München hat Zugkraft weit über seine Grenzen hinaus, viel mehr als Stuttgart, Hannover oder andere Landeshauptstädte sie besitzen.

Umso schlimmer, dass die vergangenen Jahre von Stillstand geprägt waren. Die Stadt ist in Schönheit und Wohlstand erstarrt. Drängende Probleme wurden aufgeschoben, sie bedrohen die immer noch gerne beschworene bayerische Gemütlichkeit. Doch gemütlich ist es für viele Menschen in der Stadt und dem schmucken Umland längst nicht mehr. Selbst Gutverdiener müssen sich in München strecken, um das teure Leben finanzieren zu können. Wer wenig oder nichts hat, ist abgehängt.

Wo sollen all die Menschen hin?

Mit Hartz IV mag man in Magdeburg auskommen, in München funktioniert das nicht. Es geht um nicht weniger als das soziale Miteinander, das in Gefahr ist. Und das ist nur eines der Probleme, die das künftige Stadtoberhaupt anpacken muss. Zugleich ziehen immer mehr Menschen in die Stadt, die viele DAX-Konzerne und andere Firmen beheimatet.

Es gibt den täglichen Pendlerstrom, der zu bewältigen ist. Wo sollen all die Menschen hin? Wie sollen sie sich bewegen? Wie hält man den Jobmotor am laufen? Wer kümmert sich um die Abgehängten?

Über all diese Fragen haben die Kandidaten, die Ude beerben wollen, im Wahlkampf diskutiert. Sie haben in Lokalzeitungen mit Holzklötzchen ihre Wohn-Visionen aufgetürmt, haben an Haustüren geklingelt und Einblicke in ihr Privatleben gewährt. Trotzdem sind sie blass geblieben. Das gilt für Dieter Reiter, den SPD-Kandidaten. Er hat wenig Abstand von seiner Rolle als Wirtschaftsreferent gefunden, als wohl zuverlässiger, aber eher dröger Verwalter.

Zudem scheint er sich des Sieges etwas zu gewiss zu sein. Josef Schmid von der CSU hat ebenfalls kein scharfes Profil gezeigt. Er vertritt liberalere Positionen als die Landespartei, starke eigene Meinungen und Ideen blieben aber weitgehend aus. Auch die Grüne Sabine Nallinger, die als Kandidatin mit hehren Ansprüchen gestartet war, stach unter den Bewerbern nicht hervor.

Das muss nicht heißen, dass München ein mediokres Stadtoberhaupt bekommt. Jeder Kandidat kann im Amt Profil gewinnen. Für den wahrscheinlichen Fall einer Stichwahl sollte die blasse Vorstellung bisher den Kandidaten aber noch einmal Ansporn sein, sich anzustrengen. Wähler möchten wissen, warum sie jemanden in dieses wichtige Amt bringen sollen. Sonst bleiben sie noch eher zu Hause. Und das wäre nun wirklich die schlechteste Wahl. In München wie in Miesbach.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: