Oberbürgermeister-Wahlen:Die unerwarteten Rathaus-Chefs in Hof, Bayreuth und Ansbach

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Die neue Oberbürgermeisterin der Stadt Hof, Eva Döhla, arbeitet jetzt genau in dem Amtszimmer, das sie noch "von früher her" kennt. Aus der Zeit, als ihr Vater Dieter Döhla Rathaus-Chef war. (Foto: Michael Farkas)

Sie haben gewonnen, obwohl ihre Vorgänger keine offensichtlichen Fehler begingen. Was sind das für Polittypen, die Amtsinhaber mitten in der Krise aus dem Amt gedrängt haben?

Von Olaf Przybilla

Wenn einer keine goldenen Löffel geklaut hat, dann wird er als Oberbürgermeister wiedergewählt, so hieß es früher. Der Amtsbonus werde das dann schon regeln, auch bei blassen oder glücklosen Amtsinhabern. Nun konnte man vor allem in Franken beobachten, dass es einen Amtsbonus zwar noch gibt - dass aber auch OBs um ihren Job bangen müssen, denen man keine benennbaren Großfehler nachsagen kann. Aus dem Amt gedrängt haben Herausforderer ihre Konkurrenten mit OB-Titel in der mittelfränkischen Hauptstadt Ansbach genauso wie in der oberfränkischen Hauptstadt Bayreuth sowie in Hof. Was sind das für Polittypen, die Rathauschefs mitten in der Krise aus dem Amt gedrängt haben?

Hof, das wird man sagen können, ist ein Sonderfall. Und das schon deshalb, weil es als besondere Pointe in der Historie der Kommunalpolitik in Bayern gelten darf, dass ein Mann die Amtsgeschäfte an eine Frau übergibt, von deren Vater er sie einst übernommen hatte. Ja, es war schmerzlich für die siegesgewöhnte Hofer SPD, als CSU-Mann Harald Fichtner der Partei 2006 den OB-Sessel streitig machte. Der Sozialdemokrat Dieter Döhla hatte nach der Wende Geschichte geschrieben in Hof, sein Name hatte bundesweites Renommee. Trotzdem sollte es ihm nicht vergönnt sein, das Rathaus an einen Roten weiterzugeben.

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Die entscheidende Stimme kommt in Bayreuth womöglich von der rechten Partei, in Höchstadt sehr wahrscheinlich. Die gewählte Grüne nimmt die Wahl nicht an, der gewählte SPDler will trotz Rücktrittsforderungen im Amt bleiben.

Von Olaf Przybilla

Auf Döhla folgte Fichtner und der hatte die Stadt durch harte Zeiten zu manövrieren: abnehmende Bevölkerungszahlen, einbrechende Einnahmen, nicht genehmigungsfähige Haushalte und zu allem Überfluss der Ärger mit dem unrentablen Hofer Flughafen. Fichtner, ein Mann mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein, regierte anfangs dünnhäutig, gewann aber bald an Statur und schien 2020 einem weiteren Wahlsieg entgegenzusehen. Die bayerische Krisenregion Hof? Davon kann kaum noch die Rede sein. Stattdessen konzentrierte sich die Stadtdebatte vor der Wahl auf kleinteiligere Themen: ein nicht in die Gänge kommendes Einkaufszentrum etwa. Im Vergleich zu den Problemen von 2006, dem Jahr der Amtsübergabe von Döhla an Fichtner, wirkte das fast albern.

Trotzdem wurde Fichtner - zuvor ostentativ siegesgewiss - abgewählt und musste die Amtsgeschäfte an die Tochter seines Vorgängers abtreten: an Eva Döhla, 48. Wie so etwas passieren kann? "Die Leute wählen einen nicht für das, was war", sagt sie. Sondern in erster Linie für das, was sie erwarten. Fichtner war der Mann, der die Krise gemeistert hatte. Aber dass er die Stadt nun weiterbringt, das haben die Leute wohl nicht mehr erwartet von ihm. Am Ende wirkte Fichtner im Vergleich zu seiner Herausforderin regelrecht unnahbar. Also regiert nun wieder Döhla (SPD) im Hofer Rathaus - Eva Döhla allerdings.

Thomas Ebersberger ist neuer OB in Bayreuth. (Foto: Privat)

Das Schönste für ihren Vater, sagt sie, "ist die Erkenntnis, dass offenbar nicht alles abschreckend war, was er der Familie über Jahre zugemutet hat". Denn sonst hätte sich seine Tochter wohl kaum um denselben Job beworben. Ihr ureigenster Berufswunsch, gar ein Traum, war der Job als OB allerdings nicht - weshalb Eva Döhla einfach das studierte, was sie am meisten interessierte: Geisteswissenschaften. Erst später, da hatte sie sich längst in Jobs als Journalistin und Sprecherin einer großen kirchlichen Einrichtung verwirklicht, erinnerte sie sich konkret daran, dass ihr Vater "einer total erfüllenden und sinnstiftenden Tätigkeit nachgegangen ist". Vor etwa zehn Jahren war das, seither konnte sie sich vorstellen, den Weg einzuschlagen, den ihr Vater vor ihr genommen hatte.

Und arbeitet nun also exakt in jenem Amtszimmer, in dem bereits ihr Vater arbeitete, und an das sie sich noch "von früher her" erinnert, als sie noch OB-Tochter war. Vor allem an den gewichtigen Holzrundtisch mit den acht Stühlen erinnert sie sich, der schon bei Dieter Döhla den Raum dominierte und es immer noch tut. Genauso wie das Porträtbild ihres Vaters im großen Sitzungssaal. Selbst wenn sie es wollte: An ihrem Vater würde Eva Döhla schwer vorbeikommen im Hofer Rathaus.

Was kein Wunder ist, immerhin hat ihr Vater dort Geschichte geschrieben. Dieter Döhla war als OB federführend dabei, als 1989 die Flüchtlingszüge aus Prag am Hofer Bahnhof ankamen. Auch Eva Döhla hatte damals als Schülerin eine ganze Nacht auf dem Bahnhof verbracht, um den Flüchtlingen am Bahnsteig zu helfen. Und klar, sagt sie, habe sie mitbekommen, mit welchen Problemen ihr Vater zu kämpfen hatte in dieser Zeit - und erst recht kurze Zeit später nach dem Mauerfall. Probleme, für deren Lösung es keine Blaupause gab, und mit denen sich ihr Vater sehr bald nach Amtsbeginn konfrontiert sah.

Jetzt hat sie das Amt gerade übernommen und sieht sich ebenfalls mit einer nicht ganz gewöhnlichen Lage konfrontiert. Auch jetzt fällt oft das Wort von der "Blaupause", die es nicht gebe - wie damals bei ihrem Vater. Mitbekommen zu haben, wie sehr die Rathausmitarbeiter die Ausnahmesituation von 1989 zusammengeschweißt hat, helfe ihr jetzt. Wer weiß, sagt Eva Döhla, "vielleicht sitze ich ja in 30 Jahren mit dem heutigen Stadtkämmerer zusammen und wir erinnern uns an die Corona-Krise und deren Auswirkungen auf den Stadthaushalt". Oder daran, wie sie sich selbst die Amtskette anlegen musste, weil das kein anderer tun sollte. Wäre die Geschichte von Dieter und Eva Döhla eine Vorabendserie, womöglich unter dem Titel "Väter und Töchter", und zweimal jeweils direkt zu Amtsbeginn würden Vater-OB und Tochter-OB jeweils Historisches in einer eher mittelgroßen Stadt zu bewältigen haben - "dann würde man dem zuständigen Drehbuchschreiber vermutlich sagen: so ein Quatsch", sagt Eva Döhla.

Nein, normale Zeiten sind das nicht für OBs, die ihr Amt beginnen, es ist eben eine Ausnahmesituation. Aber so unterschiedlich die Voraussetzungen waren für einen OB-Wechsel in Hof und Bayreuth - auffällig ist doch, dass sich die Amtsinhaber hier wie dort mit dem Vorwurf konfrontiert sahen, zu abgeschottet zu sein, zu wenig nahbar. Auch die parteilose Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe in Bayreuth hatte sich das am Ende anhören müssen. Im Gegenzug setzten sich dann diejenigen durch, deren Name so ziemlich jedem in der Stadt vertraut ist, und die eine Geschichte zu erzählen haben. Auf Thomas Ebersberger in Bayreuth trifft das ebenso zu wie auf Eva Döhla, wenn auch ganz anders.

Der CSU-Mann Ebersberger ist 62, für eine Amtsübernahme womöglich nicht das optimale Alter, hätte man sagen können. Dafür aber ist Ebersberger einer, der seit 1984 aktiv Kommunalpolitik macht, und aus eigenem Erleben die Vorzüge und Schwächen von insgesamt vier Amtsvorgängern auffächern kann - und den ebenfalls eine Geschichte mit seiner Heimatstadt verbindet, die aus einer Vorabendserie entnommen sein könnte.

Der neue OB von Bayreuth ist in direkter Nachbarschaft des Festspielhauses aufgewachsen, "seit der dritten Klasse Grundschule bin ich jedes Jahr in den Festspielaufführungen gewesen", sagt er. Ein waschechter Wagnerianer also, in dessen Familienanwesen unter anderem der Dirigent Daniel Barenboim während der Festspielzeit untergebracht war, als Untermieter; und der 1971 bei der Premiere von Lohengrin selbst auf der Bühne stand, als jemand kurz vor der Aufführung umknickte und er als Sänger aus dem Chor kurzfristig einspringen musste. Dass nun ausgerechnet in seinem ersten Amtsjahr die Festspiele nicht stattfinden werden, und seine Heimatstadt damit im Sommer einmal nicht der Nabel der Opernwelt sein wird, darf schon beinahe als tragikomisch gelten. Man wolle selbstverständlich zeigen, dass "Bayreuth auch ohne Wagner eine Reise wert ist", beteuert Ebersberger. Klingt dabei aber nur halbüberzeugt.

Diverse Vermittlungs- und Kommunikationsprobleme bei der parteilosen Amtsvorgängerin, ein Mann, den die Leute kennen, und der in der Stadt geboren und tief verwurzelt ist - das Bild in Ansbach gleicht dem in Bayreuth bis ins Detail. Dort hat Thomas Deffner der Amtsinhaberin Carda Seidel in der Stichwahl nach zwölf Amtsjahren keine Chance gelassen. Deffners Großvater hatte im Winter 1945/46 die Ansbacher CSU mitgegründet, anschließend war er wie später sein Enkel CSU-Spitzenkraft im Stadtrat. "Jederzeit" werde er als OB "ansprechbar" sein, hat Deffner im Wahlkampf versprochen - und hat dies nach seiner Amtseinführung genau so wiederholt.

© SZ vom 20.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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