Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl:Die SPD und ihre Erfolge

Wie die Parteispitze mit einer Lobes-E-Mail Irritationen an der Basis auslöst

Von Lisa Schnell

Als Franz Kröninger den Brief las, freute er sich einerseits. So viele schöne Dinge standen da über seine SPD. Aber irgendwie wunderte er sich auch. "Es ist in der Realität anders, wenn man ehrlich ist", sagt er am Telefon. Wie die Realität ist? Längeres Schweigen. Dreizehn Jahre war der 57-Jährige Bürgermeister von Zeitlarn, einem Ort im Landkreis Regensburg. Noch länger ist er bei der SPD. Nun aber wurde Kröninger letzten Sonntag abgewählt. Wie er sich da fühlt, fragt man lieber nicht, aber man ahnt es: eher nicht wie ein Gewinner.

Könnte Kröninger aber, und zwar, weil er bei der SPD ist. So las er es in einem Rundschreiben der Landesleitung an alle Mitglieder - drei Tage, nachdem er die Stichwahl verloren hatte. Die SPD sei bei den Kommunalwahlen "ganz klar zweitstärkste Kraft", "mit weitem Vorsprung" vor Freien Wählern und Grünen. Aufgezählt werden "zahlreiche Erfolge", "eine Reihe toller Ergebnisse" auch auf dem Land, sogar eine bundesweit "fast schon sensationelle Quote" bei den kreisfreien Städten. Fazit zum Gesamtergebnis: "positiv". Rückhalt der SPD in der Bevölkerung? Stark. Kröninger sagt: "Es wäre schön, wenn es so wäre."

Natürlich sind die Zahlen nicht falsch, die Landeschefin Natascha Kohnen und Generalsekretär Uli Grötsch ihren Mitgliedern präsentieren. Aber sie sind auch nicht ganz richtig. Konzentriert man sich nicht auf die Zahl der Oberbürgermeister und Bürgermeister, sondern auf die Landkreise und kreisfreien Städte, kommt die SPD auf Platz drei und hat mit sieben Prozentpunkten so viel verloren wie keine andere Partei. In vielen Stadträten ist sie geschrumpft, selbst dort, wo sie die Oberbürgermeister stellt. Und wer sich mit SPD-Mitgliedern auf dem Land unterhält, vernimmt nur wenig Jubel. "In vielen Nachbargemeinden, da gibt es die SPD jetzt nahezu nicht mehr", sagt etwa Sebastian Koch, Bürgermeister im oberpfälzischen Wenzenbach. Es sei wie "ein Stein, der an dir dranhängt, wenn du sagst, du bist bei der SPD", erzählt Jürgen Sommer, Bürgermeister von Donaustauf.

Man muss ehrlich sein: Ganz verschwiegen wurden die Verluste in dem Brief an die Mitglieder nicht, nur weit hinten versteckt. Und natürlich picken sich alle Parteien aus den Ergebnissen die Zahlen heraus, die sie als Sieger erscheinen lassen. Die Frage ist nur: Was bringt das?

Die einen meinen: Motivation für eine SPD-Basis, die in letzter Zeit genug gebeutelt worden ist von Wahlergebnissen, die jeglicher Schönrechnerei trotzen. Renate Schmidt, die Grande Dame der Bayern-SPD, sieht das so. "Wir haben besser abgeschnitten, als es uns viele zugetraut haben. Das darf man schon sagen", meint Schmidt, die sonst nicht durch Lobreden auf Kohnen aufgefallen ist. Andere überkamen bei den Zeilen der Landeschefin eher weniger erfreuliche Gefühle. "Hat euch die "Was waren wir doch erfolgreich"-Mail von Natascha Kohnen gestern auch so angekotzt?", fragt etwa ein Mitglied in einer internen Facebook-Gruppe. Bei ihnen auf dem Land in Oberbayern hätten sich die Mandate der SPD fast halbiert, berichtet ein anderes. Die Ortsvereine stünden ratlos da und bräuchten weniger Jubel, als Unterstützung. Rita Röhrl hat gerade keine Zeit für Facebook. Die Landrätin von Regen ist im totalen "Corona-Fieber", organisatorisch gemeint, nicht gesundheitlich. Den Brief hat sie deshalb nicht gelesen, eine Meinung hat sie aber. "Wo Licht ist, gibt es auch Schatten", stünde da? "Es gibt sehr viel Schatten und ab und zu einen Lichtstrahl", so sieht sie das. Die Menschen draußen seien "nicht dämlich". Wo die SPD Gewinne aufweise, sei das wegen der guten Kandidaten der Fall, nicht wegen der Partei. Die solle "schleunigst darüber nachdenken, warum das so ist", sonst schaffe sie es nicht mal mehr in den Landtag.

Auf der einen Seite muss sich die SPD oft den Vorwurf gefallen lassen, sie rede ihre Erfolge schlecht. Preist sie diese mal an, wie jetzt Kohnen, heißt es: Schönfärberei. Den richtigen Ton zu treffen, ist nicht einfach. Dafür scheint es in der Partei und in der Landtagsfraktion auch Verständnis zu geben. Das heiße aber nicht, dass man sich im Oberanger zurücklehnen könne, im Gegenteil. So sollen das auch einige in der Fraktionssitzung am Mittwoch geäußert haben. Aus den Verlusten in Stadt- und Gemeinderäten werde man Konsequenzen ziehen, versichert deshalb Generalsekretär Grötsch. Enttäuschte Kandidaten sollen durch Weiterbildungsangebote motiviert werden und politische Entscheidungen enger mit Kommunalpolitikern abgestimmt werden.

Gegen die Enttäuschung des langjährigen Bürgermeisters Kröninger aus Zeitlarn wird so ein Angebot wohl nicht allzu viel ausrichten können. Wirklich gram sei er Kohnen nicht, sagt er. Nur eines wünsche er sich: Dass die Partei die Probleme endlich angehe, denn: "Wegleugnen kann man sie nicht."

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SZ vom 03.04.2020
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