Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl 2020:"Wir haben keinen Bewerbermangel"

  • 39 500 Mandate werden bei der Kommunalwahl in allen Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten vergeben.
  • Etwa die Hälfte der amtierenden Bürgermeister stellt sich dieses Mal Schätzungen zufolge nicht mehr zu Wahl.
  • Der Bedarf an neuem Personal ist groß. Der Bayerische Gemeindetag hatte zunächst befürchtet, dass es schwer werden könnte, ausreichend viele Kandidaten zu finden.

Von Matthias Köpf

Sieben Wochen vor der Kommunalwahl am 15. März regiert in Bayerns Rathäusern zumindest in einer Hinsicht die Erleichterung: Nach dem Abgabeschluss für die Wahlvorschläge Ende vergangener Woche steht bisher noch keine Gemeinde ganz ohne einen Bürgermeisterkandidaten da. Zumindest habe er noch von keiner gehört, sagt Andreas Gaß, der beim Bayerischen Gemeindetag für das Kommunalrecht und damit auch für die Kommunalwahlen zuständig ist. Auch für die rund 39 500 Mandate in allen Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten, die am 15. März vergeben werden, habe am Ende doch "nicht flächendeckend und händeringend" nach Kandidaten gesucht werden müssen, sagt Gaß. "Wir haben keinen Bewerbermangel."

Das gilt freilich nicht für alle Gruppen und Parteien, die bisher vielerorts mitgemischt haben. So kam die SPD bei der Kommunalwahl 2014 in den 71 Kreistagen und in den Räten der 25 kreisfreien Städte auf 20,6 Prozent der Stimmen. Von einem solchen Ergebnis dürfen Bayerns Sozialdemokraten derzeit kaum mehr träumen - auch weil sie an manchen Orten überhaupt keine Kandidaten mehr für ihre Listen gefunden haben. So wie im oberbayerischen Eschenlohe, wo die SPD von 1990 bis 2008 den Bürgermeister und zuletzt immerhin zwei Gemeinderäte gestellt hatte. Dafür sehen sich die Grünen im Aufwind, die ihr Ergebnis 2014 von 8,2 auf 10,2 Prozent verbessert hatten und einen solchen Zuwachs um zwei Prozentpunkte in diesem Jahr sogar als herbe Enttäuschung ansehen würden. Die CSU hatte 2014 mit 39,6 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit langer Zeit eingefahren und muss nun auch die AfD fürchten, die vor sechs Jahren mit 0,3 Prozent fast gar keine Rolle gespielt hat. Diese Wahlen hatten noch vor der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015 stattgefunden. Inzwischen hat sich bei Migration und Integration aber auch in den Kommunen die größte Aufregung gelegt.

Dass der Wechsel in den Rathäusern groß sein wird, ist aber auch ganz unabhängig vom Wählerwillen schon gewiss: Gemeindetagspräsident Uwe Brandl rechnet damit, dass sich etwa die Hälfte der amtierenden Bürgermeister dieses Mal überhaupt nicht mehr zu Wahl stellt. Allerdings gibt es auch niemanden, der die Kandidaten und die Wahllisten zentral erfassen würde: Jede einzelne Kommune ist für ihre ureigene Wahl zunächst einmal selber verantwortlich. Der Rat wird am 15. März in jeder bayerischen Gemeinde gewählt. Nur die Wahl der Bürgermeister oder Landräte ist mancherorts wegen früherer Todesfälle oder Rücktritte aus dem Turnus geraten. 2014 wurden laut Andreas Gaß in 1881 der insgesamt 2056 Gemeinden auch die Bürgermeister bestimmt, in 58 von 71 Landkreisen fanden Landratswahlen statt.

Unter anderem deswegen und wegen der schieren Zahl der Mandate sind die Kommunalwahlen weitaus die aufwendigsten und kompliziertesten Wahlen. Ferner können die Wähler ihre Stimmen für die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte - in der Regel sind es so viele Stimmen wie das jeweilige Gremium Sitze hat - auch kumulieren. Das heißt, sie können einem Kandidaten bis zu drei einzelne Stimmen geben, und sie können panaschieren, also die Stimmen auf Kandidaten verschiedener Listen oder Parteien verteilen. Ebenso ist es möglich, komplette Listen anzukreuzen, aber auch einzelne Kandidaten davon zu streichen. Und weil Gemeinderäte, Kreisräte, Bürgermeister, und Landräte eben in der Regel gleichzeitig gewählt werden, können die Wähler stolze vier Wahlzettel ausfüllen - zum Teil echte Großformate, je nach Einwohnerzahl besteht ein Gemeinde- oder Stadtrat aus acht bis 80 und ein Kreistag aus bis zu 70 Mitgliedern - mit entsprechend vielen Namen auf den einzelnen Listen. Nur in den 25 kreisfreien Städten Bayerns entfällt die Wahl des Landrats und der Kreisräte.

Um die Sache für die Wahlhelfer nicht noch aufwendiger zu machen und vor allem um die Wahl nicht allzu direkt von einzelnen Streitfragen abhängen zu lassen, sollen in Bayern am Tag der Kommunalwahl nicht auch noch Bürgerentscheide stattfinden, wie es zwischenzeitlich etwa in Seeon-Seebruck am Chiemsee geplant war. Dort will die Gemeinde zu einer verbindlichen Haltung gegenüber einer geplanten "Entlastungsspange" für Seebruck samt einer weiteren Alzbrücke finden. Statt einer zusätzlichen Abstimmung am Tag der Wahl plant sie nun eine separate Bürgerbefragung im Februar.

Vielerorts werden aber auch am 15. März nicht alle endgültigen Entscheidungen fallen. Denn die Wahlen der Bürgermeister und Landräte sind auch die einzigen Wahlen, bei denen es häufig zu einer Art zweitem Durchgang kommt: Erhält beim ersten Mal kein Kandidat mehr als die Hälfte der Stimmen, so muss zwei Wochen später am 29. März eine Stichwahl zwischen den bestplatzierten Kandidaten folgen. In den seltenen Fällen, in denen es dann immer noch keinen Sieger gibt, muss ausgelost werden, so wie 2008 in der unterfränkischen Gemeinde Bergtheim.

Und selbst dort, wo für die Wahl des Bürgermeisters nur ein Vorschlag fristgerecht eingegangen ist, kann alles noch anders kommen: In Stetten im Unterallgäu entschied sich der parteilose Uwe Gelhardt bei der außertourlichen Wahl im Sommer 2019 erst zur Kandidatur, als die Stimmzettel schon gedruckt waren. Doch bei Kommunalwahlen sind die Wähler auch so frei, den Namen ihres Wunschbürgermeisters einfach auf den Stimmzettel zu schreiben. In Stetten haben 355 Bürger den Namen Gelhardt geschrieben, er gewann gegen den einzigen fristgerecht nominierten Kandidaten von der CSU mit 52,28 Prozent. In Stetten wird für den 15. März also kein Bürgermeisterkandidat gebraucht.

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SZ vom 27.01.2020/vewo
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