Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Bayern:Wenn drei mitspielen, gibt es zwei Verlierer

An den Ergebnissen vom Sonntag lässt sich ablesen: In Bayern reden mehr Parteien mit und Amtsinhaber haben es schwerer, wiedergewählt zu werden. Eine erste Analyse.

Von Kassian Stroh

Dürfen sie sich nun als Gewinner fühlen oder als Verlierer? Alles nur eine Frage der Perspektive. Wo immer in den großen bayerischen Städten die Rathauschefs erneut angetreten sind, wurden sie im Amt bestätigt oder kamen zumindest in die Stichwahl. Das mögen die jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten als Erfolg werten angesichts der Tatsache, dass auch in Bayern Mehrheiten immer knapper werden und dass zunehmend drei Parteien mitreden, wenn es darum geht, wer die stärkste Kraft in der Kommunalpolitik ist. Da gibt es zwangsläufig mehr Verlierer.

Andererseits: Früher wurden nur Amtsinhaber abgewählt, wenn sie sich entweder als korruptionsgeneigt oder mit fortdauernder Amtszeit als völlig abgehoben erwiesen. Und da ist es schon überraschend, wie wenige von ihnen es diesmal im ersten Durchgang geschafft haben. Christian Schuchardt (CDU-Mitglied) in Würzburg ist da mit seinen knapp 52 Prozent eine Ausnahme, Thomas Jung (SPD) in Fürth mit seinen 72,9 Prozent sogar eine weithin leuchtende.

In Ingolstadt muss der CSU-Oberbürgermeister Christian Lösel Federn lassen und in die Stichwahl gegen SPD-Herausforderer Christian Scharpf, der weniger als 0,2 Prozentpunkte hinter ihm landete. In Erlangen ist es ähnlich, nur parteipolitisch anders herum: Der CSU-Kandidat Jörg Volleth (35,4 Prozent) zwingt den amtierenden OB Florian Janik (SPD, 39,2 Prozent) in die Stichwahl. In Bamberg bekommt der Rathauschef Andreas Starke (SPD) nur 35,9 Prozent, in Bayreuth seine Kollegin Brigitte Merk-Erbe (Freie Wähler) gar nur 25,5 Prozent. Das ist für eine amtierende Oberbürgermeisterin ein Misstrauensvotum.

Und wenn man die fünf größten Städte des Freistaats anschaut, kommt es überall zu Stichwahlen. Neben Ingolstadt sind das München, Nürnberg, Augsburg und Regensburg. Und überall heißt das Duell in zwei Wochen CSU gegen SPD. Sind also die Grünen die großen Verlierer der Kommunalwahl, so wie CSU-Chef Markus Söder vier Stunden nach der Schließung der Wahllokale seinen derzeitigen Angstgegner analysierte?

Gemessen an diesen fünf Städten: Ja. Da hatten sie sich mehr ausgerechnet nach ihren Erfolgen bei der Landtags- und Europawahl und den Umfragewerten. Gemessen auch an Ergebnissen wie dem des grünen Landrats in Miesbach, Wolfgang Rzehak, der ebenfalls in die Stichwahl muss und am Sonntag sogar nur Zweiter wurde. Andererseits: Ein Oberbürgermeister oder eine Landrätin ist zwar die zentrale Figur in der Kommunalpolitik. Wichtig sind aber auch die Mehrheitsverhältnisse in den Stadträten und Kreistagen. Und da liegen bislang nur Teilergebnisse vor.

In den größeren Stadträten scheinen die Grünen zuzulegen

In München zeichnet sich zum Beispiel ab, dass die Grünen im Stadtrat die stärkste Kraft werden und ihr Ergebnis mehr als verdoppeln könnten. Auch in Augsburg, Regensburg und Würzburg scheinen sie deutlich zuzulegen. Eine Kommunalwahl ist vielschichtig, viel hängt von den Kandidatinnen und Kandidaten, von den Verhältnissen in den einzelnen Städten und Gemeinden ab. Und ein Bayern-Trend ist allenfalls aus dem sogenannten landesweiten Ergebnis abzuleiten, in das die Wahlen der kreisfreien Städte und der Landkreise einfließen. Bis das vorliegt, das wird dauern. Wegen der komplizierten und langwierigen Auszählung, ganz unabhängig davon, wie viele Wahlhelfer coronavirusbedingt nun zur Verfügung stehen.

Was die Grünen aber unabhängig davon weiter schmerzen wird: In der Landeshauptstadt hat es ihre Kandidatin Katrin Habenschaden nicht in die Stichwahl geschafft, womit sie zuletzt fest zu rechnen schienen. Dort tritt nun Kristina Frank (CSU) gegen Dieter Reiter (SPD) an. Frank holte 21,3 Prozent der Stimmen, Reiter, der seit sechs Jahren die Geschicke Münchens steuert, 47,9 Prozent. Er ist der klare Favorit, als Gewinner dieses Wahlsonntags kann er sich deshalb nicht uneingeschränkt fühlen.

Erst ein Mal in der Nachkriegsgeschichte Münchens wurde ein erneut antretender Oberbürgermeister bisher in die Stichwahl gezwungen: Erich Kiesl war das im Jahr 1984, der einzige CSU-Oberbürgermeister Münchens, der es schaffte, die SPD-Herrschaft in München für sechs Jahre zu unterbrechen. Aber eben nur für sechs Jahre, dann machte die Münchner SPD diese Scharte in ihrer Historie wieder wett. Muss sich Reiter - die Riege und die Ergebnisse seiner Vorgänger vor Augen - nun als Sieger oder als Verlierer fühlen? Alles nur eine Frage der Perspektive.

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