Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl 2014:Mit der Klobürste im Wahlkampf

"Du musst mir nen Job holen, Alter." oder "Aha, daher weht der Wind!" Solch zusammenhanglose Sätze stehen auf Plakaten in Nürnberg. Auf anderen prangen eine Klobürste oder ein geflügeltes Schwein. Ist das jetzt Wahlkampf? Oder Kunst? Beides.

Von Katja Auer

Dieser Tage versuchen Kommunalpolitiker in ganz Bayern aufzufallen. Schließlich sind am 16. März Wahlen, da gilt es den Wähler vorher auf die eigene Eignung als Stadt- oder Gemeinderat aufmerksam zu machen. Einem bubenhaften Kandidaten der CSU ist das im mittelfränkischen Roth jüngst nur mit mäßigem Erfolg gelungen, als er das Zitat eines zweifelhaften Rappers auf sein Plakat druckte und statt vieler Wählerstimmen nur eine Menge Spott kassierte.

In Bamberg wird diskutiert, ob die SPD ihren amtierenden Oberbürgermeister gleichsam als Werbung auf eine Anzeige drucken darf, wenn der gleichzeitig Wahlleiter ist und selbst gar nicht zur Wahl steht. Und im oberpfälzischen Floß im Landkreis Neustadt an der Waldnaab lieferten sich CSU und SPD einen wortwörtlichen Geister-Wahlkampf, auf dessen Höhepunkt kleine weiße Gespenster den Marktplatz bevölkerten. Aber immer ist klar, um wen es geht.

Die Nürnberger dagegen stehen derzeit Plakaten gegenüber, die scheinbar gar nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben. Eine Klobürste prangt da kommentarlos auf einem Plakat, anderswo sind rätselhafte Sprüche zu lesen: "Wenns das Geld nicht gibt, kannst auch nicht rauchen." Oder: "Du musst mir nen Job holen, Alter." Oder: "Kannst a mal anschaun, dann siehst a mal was." Es sind da weder genervte Wahlkampf-Verweigerer am Werk, die Plakate einfach überklebten, noch handelt es sich um den kryptischen Hinweis auf ein philosophisches Kolloquium. Es ist doch Wahlkampf. Aber auch Kunst.

Verweis auf Demo um "Rote Flora"

"Die Guten", eine Nürnberger Wählergruppe, haben einen Teil ihrer Plakate an die Kunstakademie abgetreten. Studenten der Klasse "Kunst im öffentlichen Raum" von Professorin Simone Decker gestalteten insgesamt 130 Plakate. "Was sie machen, wusste ich nicht", sagt "Die Guten"-Stadtrat Stephan Grosse-Grollmann, er habe nur über die Entwürfe informiert werden wollen. Schließlich habe seine Gruppierung die Verantwortung für die Aktion und etwas Verunglimpfendes beispielsweise hätte er nicht geduldet.

Die jungen Künstler hörten beispielsweise den Gesprächen von Passanten zu, Fetzen daraus sind auf den Plakaten zu lesen. Die Klobürste verweist auf die Demonstrationen in Hamburg, wo die Bürste jüngst zum Symbol des Widerstands gegen die umstrittenen, von der Polizei ausgewiesenen Gefahrengebiete wurde. Eben doch nicht nur Kunst, sondern auch Politik.

So politisch, dass sich mit einigen Plakaten sogar kurzzeitig die Polizei beschäftigen musste. Ein Kunststudent hatte mit Plakaten die Orte markiert, "an denen der Rechtsstaat versagt hat", wie es Grosse-Grollmann formuliert. Also den Platz in der Scharrerstraße, wo Ismail Yazar von den Mitgliedern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) erschossen worden sein soll, und den Standort des ehemaligen Kulturzentrums "Komm" nahe dem Bahnhof, wo die Polizei 1981 insgesamt 141 Personen bei einer Massenverhaftung mitnahm. Schnell wurde allerdings geklärt, dass es sich um Kunst und Wahlkampf handelt und die Polizei war fortan nicht mehr beteiligt.

Weil es nun zwar eine schöne Sache ist, die Nürnberger mit Kunst zu erfreuen, sich aber keine Wahl gewinnen lässt, wenn niemand weiß, wem solche Sachen einfallen, haben auch "Die Guten" noch ein paar klassische Wahlplakate drucken lassen. Grosse-Grollmann, selbst Kunstschaffender, will für seine Wiederwahl in den Stadtrat auch mit seinem eigenen Spruch werben. "Denken hilft", lautet der.

"Die Guten" gibt es seit 1989, Mitbegründer Grosse-Grollmann sitzt seit 1996 als einziger "Guter" im Stadtrat. Auf seine Initiative gehen die Nightliner, die Nürnberger Nachtbusse, zurück. Vor allem aber lassen sich "Die Guten" immer wieder was einfallen: Einmal schlüpfte ein OB-Kandidat vor der Lorenzkirche aus dem Ei, und als AEG pleite war, errichteten sie ein Mahnmal aus Waschmaschinen vor dem Hauptbahnhof. Und jetzt halt wieder Kunst.

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SZ vom 12.02.2014/ahem
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