Kommunalpolitik:Personalnot an den Landratsämtern

Die Kreischefs fordern gemeinsam mehr Stellen für Veterinäre, Digitalisierung, Bau. Die Staatsregierung sträubt sich

Von Christian Sebald

Die Personalnot der Veterinärbehörden an den Landratsämtern ist so schlimm, dass Kontrollstandards wie das Vieraugenprinzip nicht immer eingehalten werden können. Das hat die Aufarbeitung des Bayern-Ei-Skandals im Landtag ergeben. Die gleichnamige Firma hatte 2014 wochenlang kontaminierte Eier ausgeliefert und so einen europaweiten Salmonellen-Ausbruch mit 187 Erkrankten und womöglich einem Toten verursacht. Seit dem Skandal fordern die Landräte, allen voran der Chef des bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU, Deggendorf), vom Freistaat mehr Veterinäre. Bisher ohne Resonanz. Auch in anderen Abteilungen der Landratsämter wächst die Personalnot. Auf der Vollversammlung der Landräte an diesem Dienstag und Mittwoch in Weißenhorn (Kreis Neu-Ulm) ist sie deshalb das zentrale Thema.

Wann immer es um Polizisten und Lehrer geht, zeigt sich die Staatsregierung spendabel. So kündigte der neue Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner ersten Regierungserklärung Tausende neue Planstellen für mehr Sicherheit und für eine bessere Ausbildung von Kindern und Jugendlichen an. Ganz anders bei den Landratsämtern, dem Rückgrat der Verwaltung in den ländlichen Regionen. Hier sträubt sich der Freistaat gegen zusätzliche Stellen, egal um welche es geht. Dabei werden die Aufgaben der Kreisbehörden - nicht nur bei den Lebensmittelkontrollen, sondern auch in den Bauabteilungen oder im Naturschutz - immer umfangreicher und komplizierter. Nun hat Landräte-Chef Bernreiter nachrechnen lassen. 2017 haben die 71 bayerischen Landkreise 1450 Planstellen finanziert, die eigentlich Sache des Freistaats gewesen wären. 1450 Planstellen, das sind 20 pro Landratsamt. Die Kosten für die Landkreise summierten sich bayernweit auf 145 Millionen Euro. "Das kann es aber nicht sein", sagt Bernreiter. So dürfe es nicht weitergehen.

"Medizinische Versorgung, Digitalisierung, öffentlicher Nahverkehr und der weitere Ausbau der Infrastruktur - das sind die Aufgaben der nächsten Jahre", sagt Bernreiter. "Aber wir haben heute schon einen eklatanten Mangel an Personal in unsere Landratsämtern. Allein in den Bauabteilungen: Ob es um die Umsetzung des Gigabit-Netzes, den Bau neuer Straßen oder die Verdichtung von Ortskernen geht, in vielen Beurteilungen ist schon jetzt nicht mehr das Personal vorhanden, um diese und andere Projekte in einem angemessenen Tempo durchzuziehen." Die Klagen über den Personalmangel sind für Bernreiter "kein Jammern nach immer mehr Mitarbeitern". Es gehe vielmehr um "echte Lücken" und damit um eine "Wachstumsbremse für den gesamten Freistaat".

In ihrer Not haben die Landräte der Staatsregierung schon wiederholt angeboten, den Arbeitsanfall und die Personalsituation gemeinsam zu überprüfen. "Wir scheuen keine transparente Durchleuchtung unserer Tätigkeiten", sagt Bernreiter. "Beim Thema Veterinäre habe ich immer wieder angeregt, den Obersten Rechnungshof mit ein Personalbemessungsgutachten zu beauftragen" - einer Analyse also, die aufschlüsselt, ob die Zahl der Planstellen und der tatsächlichen Mitarbeiter der Veterinärabteilungen ausreicht oder eben nicht. Bislang ist eine solche Überprüfung nicht in Sicht.

Den bisherigen Abhilfen des Freistaats steht Bernreiter kritisch gegenüber. Die neue, zentrale Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, kurz KBLV, ist ein Beispiel dafür. Sie wurde mit ihren 70 neuen Planstellen in Folge des Bayern-Ei-Skandals gegründet und hat den Landratsämtern landesweit die Überwachung der großen, überregional tätigen Lebensmittelfirmen abgenommen. "Die Kontrolleure an meinem Landratsamt sind wegen der KBLV jetzt für sieben Firmen weniger zuständig", sagt Bernreiter. "Was das für eine Entlastung ist, muss sich erst weisen." Ähnlich skeptisch beurteilt Bernreiter Söders Ankündigung, am neuen Bauministerium und den Landratsämtern 250 neue Planstellen einzurichten. "Auch da müssen wir sehen, was draus wird."

Am Mittwoch machen Ministerpräsident Söder und die Fraktionschefs der Landtagsparteien der Versammlung die Aufwartung. Die Landräte werden sie gewiss mit ihren Personalforderungen konfrontieren. Bereits am Dienstag werden der EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger, Landtagspräsidentin Barbara Stamm und der Parteienforscher Jürgen W. Falter erwartet.

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