Kommunalpolitik:Der Kraftprotz aus Abensberg

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Uwe Brandl ist überzeugt von sich und seiner Mission - das lässt er andere gerne wissen. In Abensberg schätzen ihn die Menschen dafür. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Undiplomatisch, polternd, sachkundig - CSU-Bürgermeister Uwe Brandl ist ein Typ, der polarisiert. Vielleicht ist er gerade deshalb zum Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebunds aufgestiegen.

Von Andreas Glas und Christian Sebald, Abensberg

Am Ende des Gesprächs wird man ein bisschen enttäuscht sein von Uwe Brandl. Er wird kein einziges Mal auf den Tisch gehaut haben, kein Poltern, kein gar nichts. Dabei fängt es so schön krachert an, als er das Besprechungszimmer im Abensberger Rathaus betritt.

Rote Hose zu blauem Sakko zu violettem Einstecktuch zu Krawatte mit psychedelischem Kringelmuster, bunt wie ein LSD-Trip. Kracherte Klamotten, kracherte Sprüche, so kennt man ihn. Aber die Sprüche, die purzeln an diesem Montagmorgen nicht wie gewohnt aus seinem Mund. Stattdessen solche Sätze: "Den Poltergeist zu mimen, das ist eigentlich nicht mein Ding." Was ist da los?

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Seit 1993 ist Brandl (CSU) Bürgermeister in Abensberg, seit 2002 Präsident des Bayerischen Gemeindetages. Bis vor 15 Jahren war ein Gemeindetagspräsident so was wie der Lautsprecher der Dörfer, Märkte und kleineren Städte. Einer, der das Plärren beherrschen muss, um gegen den politischen Lärm der Großstädte anzukommen. Dann kam Uwe Brandl. Seitdem ist der Lautsprecher ein Megafon.

Politiker in Bund und Land keift er an, "die Kommunen verraten und verkauft" zu haben, unterstellt ihnen "Feigheit" und kraftmeiert, Politik sei "nichts für Warmduscher". "Ich werde nie einen Meisterpreis in Diplomatie gewinnen", sagte Brandl, als er sein Amt antrat. Heute sagt er: "Ich komme mittlerweile mit dem Florett gut aus. Den Säbel muss ich nicht jedesmal auspacken."

Vielleicht hat es mit seiner neuen Aufgabe zu tun. Kürzlich wurde Brandl, 57, auch zum Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) gewählt. In Bayern sei er gewohnt, dass "Sachgespräche auf dem politischen Parkett oft sehr knackig" seien. In Berlin "deutet man zaghaft an, in welche Richtung man will. Das ist auf diplomatischer Ebene schon noch mal eine andere Baustelle."

Ein eitler Selbstdarsteller

Manchen klingt das zu zahm, um ihm seine neue Zurückhaltung abzukaufen. Nicht wenige sagen ja über Brandl, dass er all die Ämter nicht nur sammelt, weil er robinhoodhaft für die Kleinen kämpft, die sich übersehen fühlen von den Münchner Mächtigen, die zu sehr auf ihren Großstadt-Bauchnabel fixiert seien. Selbst politische Mitstreiter sagen Brandl nach, dass er eitel sei und selbstsüchtig und die Ämter für seine Selbstdarstellung mindestens so sehr braucht wie die kracherten Klamotten.

Einer wie Brandl werde sich nie ändern. Er sei immer noch unberechenbar, sprunghaft, raste wegen Kleinigkeiten aus. Aber man habe sich dran gewöhnt. "Man kennt ihn, arrangiert sich mit ihm, dann kann man schon mit ihm arbeiten", sagt einer, der zu seinen Vertrauten zählt.

Bei Brandl selbst klingt das anders. In der Öffentlichkeit ist er ja wirklich ruhiger geworden. Selbstzufriedenheit nach 15 Jahren als Gemeindetagspräsident? So schaut es jedenfalls aus, wenn er im Stuhl lehnt und die Daumen in den Gürtel hakt. Und so klingt es, wenn er über den Breitbandausbau redet, der in dünn besiedelten Regionen immer noch hinkt. Früher konnte er sich darüber herrlich aufregen, nun sagt er: Seit Finanzminister Markus Söder (CSU) zuständig sei, "sind wir in Bayern wirklich weit gekommen".

Kurze Pause. "Das heißt nicht, dass wir am Ziel wären, um Gottes Willen." Man ist fast beruhigt, als er das sagt - und doch noch aufzählt, wo er mehr politische Unterstützung fordert: Integration, Wohnraum, Energiewende, E-Mobilität. "Ich verstehe nicht, warum sich die Politik nicht traut, der Wirtschaft zu sagen, dass sie sich am Aufbau der Infrastruktur beteiligen muss."

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Da blitzt er kurz durch: Der Uwe Brandl, der nicht scheut, die eigene Partei anzugreifen und über "die Politik" zu lästern, obwohl er selbst Politiker ist. Die Abensberger mögen es, wenn er spricht, als gehöre er zu den kleinen Leuten. Und wenn am Sonntag Bürgermeisterwahl ist, werden sie ihn wohl auch deshalb wiederwählen, weil er auf seinen Plakaten aufs CSU-Logo verzichtet. Auch im Gemeindetag schätzen sie Brandl für seinen Kampfgeist und seine Rhetorik, nach dem Motto: Der Brandl sagt wenigstens, wie es ist, nimmt kein Blatt vor den Mund, nicht mal gegenüber den Seehofers und Söders.

Zweimal, sagt Brandl, wollten sie ihn nach München holen. Einmal habe Stoiber gefragt, später Beckstein. Er habe abgelehnt, er sei nie Gemeindetagspräsident gewesen, um "ein Sprungbrett in eine andere Karriere zu haben". In München dagegen hört man, dass Brandl lange Zeit sehr wohl auf einen Posten in der Staatsregierung geschielt habe. Zwar gilt er auch dort als profilierter, eloquenter Jurist, man stört sich aber an seinem Ego. Und daran, dass ihm die Ruhe und Distanz fehle, die etwa ein Innenminister brauche.

Inzwischen dürfte er es sich bei Horst Seehofer ohnehin verscherzt haben. Er hat den Ministerpräsidenten mehrfach angegriffen, etwa bei seinem kabarettistischen Auftritt zum hundertjährigen Bestehen des Gemeindetags. Danach sagte Seehofer, dass er schon lustigere Veranstaltungen erlebt habe - obwohl 1800 Bürgermeister Brandl eifrig beklatscht hatten. Vielleicht ist Brandls Sehnsucht nach schnellem Applaus ja einfach zu groß, um sich zu beherrschen. Damit hat er sich Chancen verbaut. Vielleicht hat ihn die große Politik aber wirklich nie gereizt. Je kleiner die Bühne, desto größer fühlt man sich als Darsteller. Dem Ego eines Uwe Brandl kommt das durchaus entgegen. Oder?

"Die Wahrnehmung der Person Uwe Brandl entspricht nicht unbedingt dem, wie der Uwe Brandl unbedingt ist", sagt er. Seit Jahren schreibt er ja Gedichte und Kurzgeschichten. Er hat mal gesagt, das Schreiben eines Buches und das Warten auf die Auslieferung seien so schlimm wie eine Geburt. Die lokale Presse hat ihm danach unterstellt, er habe bei Günter Grass geklaut, der mal die "Wehen" eines Autors thematisierte. Bei Grass, dem Literaturnobelpreisträger. Es passt eben ins Bild, dass sich einer wie Brandl nicht unterhalb dieser Liga bedient.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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