Kommunalpolitik:Blühende Landschaften

Gartenschauen dienen vielen Kommunen dazu, um mit Fördergeldern auch andere Projekte zu verwirklichen. Erlangens Oberbürgermeister will ein Erholungsgebiet direkt neben der A 73. Jetzt entscheiden die Bürger

Von Claudia Henzler, Erlangen

Die Bahnlinie trennt in Erlangen zwei Welten. Vorne geht es in die barocke Altstadt, auf der anderen Seite liegt Erlangens Hinterhof: eine Betonwüste, auf der Autos parken und Busse abfahren, sieben Fußballfelder groß. Begrenzt wird sie von einer Autobahn ohne Lärmschutzwände. Diese Tristesse soll verschwinden. Die Stadt will den Großparkplatz bis zum Jahr 2024 in eine blühende Landschaft verwandeln und anschließend zu einem "quirligen" Stadtviertel mit Wohn- und Geschäftshäusern machen. Und jenseits der Autobahn soll eine Freizeitoase entstehen - etwa Hundert Meter von der Autobahn entfernt fließt die Regnitz vorbei. Erlangens SPD-Oberbürgermeister Florian Janik hält den Lärm des vorbeirauschenden Verkehrs für ein lösbares Problem. "Man kann heute an großen Verkehrstrassen Stadt entwickeln", sagt er. "Und die Menschen wollen da auch wohnen." Doch nicht wenige Erlanger sind gegen das Projekt. Franz Höppel ist einer von ihnen. Der ÖDP-Stadtrat bezeichnet sich selbst als Fan von Landesgartenschauen, kann sich aber nicht vorstellen, dass mehrere Hunderttausend Besucher nach Erlangen kommen, um einen Tag an der A 73 zu verbringen. "Durch die Nähe der Autobahn wird die Attraktivität deutlich eingeschränkt", sagt er. Deshalb sei das finanzielle Risiko zu hoch. Auch langfristig lohnt sich die Investition aus seiner Sicht nicht. Die Erlanger würden ihre Freizeit nicht zwischen Straße und Fluss verbringen wollen.

Im vergangenen Jahr zwangen die Bürger von Traunstein ihre Stadt, aus der Landesgartenschau 2022 auszusteigen - das war neu in der Geschichte der bayerischen Gartenschauen. Vergangene Woche hat nun der Erlanger Stadtrat einen Bürgerentscheid gegen die Landesgartenschau 2024 zugelassen. Am 7. Mai wird abgestimmt.

Entschieden wird dabei nur in zweiter Linie über eine halbjährige Großveranstaltung mit Blumen und Gartenkunst, die der Stadt im Idealfall eine Millionen Besucher beschert. Wie für viele Gastgeber soll die Gartenschau für Erlangen vor allem ein Vehikel sein, um die Stadt zu verändern. "Langfristig ist es eine Chance zur Entwicklung unserer Stadt", sagt Janik.

Stahlkunst in Bamberg

In Bamberg wurde ein städtebauliches Problem dank der Landesgartenschau 2012 gelöst: Auf einem ehemaligen, belasteten Industrieareal entstand ein inzwischen beliebtes Erholungsgebiet.

(Foto: David Ebener/dpa)

Die Veranstaltung gilt als Turbomotor, um Entscheidungen von Behörden und den Zugang zu weiteren Fördertöpfen zu beschleunigen. Die bis zu 3,6 Millionen Euro, die der Freistaat für die Gartenschau zahlt, machen oft nur einen kleinen Teil der Summen aus, die vor einer Gartenschau verbaut werden. Gunnar Tausch war einer der Architekten der Gartenschau 2014 in Deggendorf. Er sagt: "Wenn Sie eine Landesgartenschau haben, kriegen sie plötzlich Knoten gelöst, die vorher unlösbar waren."

In Deggendorf war die Gartenschau Anlass für ein besonders stattliches Investitionsprogramm. Über allem stand der Wunsch, die Donau in der Stadt zum Naherholungsgebiet und besser zugänglich zu machen. Gleichzeitig wurden Parkplätze für die dortige Fachhochschule gebraucht. Deshalb entstand der Park für die Gartenschau auf dem Dach eines 330 Meter langen, flachen Parkhauses, das entlang des Donauufers gebaut wurde, direkt angelehnt an den Deich. Von dort können Spaziergänger aufs andere Donauufer schauen. Auf einer neuen Fußgängerbrücke, die ebenfalls für die Gartenschau errichtet wurde, können sie es auch erreichen.

Was geplant ist

Von Erlangens Großparkplatz sollen die Autos verschwinden - in Parkhäuser, die gleichzeitig als Lärmschutzriegel fungieren. Die Stadt träumt auch von einer neuen Brücke, auf der Fußgänger über die Autobahn bis zur Regnitz spazieren können. Die dortige Wöhrmühlinsel soll das Hauptgelände der Gartenschau werden mit Biergarten, Freilufttheater und Spielflächen. Die Gegner halten das Areal für unattraktiv. Auf der Flussseite sind bisher keine Lärmschutzwände geplant. Dass die A 73 auf einem Damm liegt, mache die Planungen sowohl für eine Brücke als auch für die Parkhäuser schwierig und teuer. henz

Zwischen sechs und acht Millionen Euro geben die Gartenschau-Gastgeber für Dinge aus, die nicht bleiben - mal abgesehen vom erhofften Imagegewinn: Das Kulturprogramm etwa und Bauwerke, die nach der Veranstaltung wieder verschwinden. Der Großteil dieser Durchführungskosten wird durch die Eintrittspreise wieder reingeholt. Worauf es den Städten aber hauptsächlich ankommt, sind die Investitionen in das, was fortbesteht. Das ist immer ein neuer Landschaftspark, der 30 Jahre lang erhalten werden muss. Mehr als doppelt so viel Geld gab Deggendorf aber für die begleitenden Projekte aus - für Parkdeck, Grundstücke und Brücke. Von den insgesamt 35 Millionen, die vor der Deggendorfer Landesgartenschau investiert wurden, musste die Stadt aber dank Förderprogrammen letztlich nicht einmal die Hälfte selbst zahlen.

Auch Bamberg hat 2012 die Landesgartenschau dazu genutzt, ein städtebauliches Problem unter Zeitdruck zu lösen. Im Nordwesten der Altstadt lag schon seit Jahren das Gelände der Erba brach, einer großen Baumwollspinnerei aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Altlasten auf dem Industriegelände hatte einige potenzielle Käufer abgeschreckt, bevor sich doch noch Investoren fanden. Mit ihnen machte die Stadt einen Deal: Die Investoren gaben einen Teil des Areals für den neuen Landschaftspark ab - er ist nun Eigentum der Stadt und nicht nur wegen seiner Lage am Fluss und seiner Spiel- und Sportplätze ein beliebtes Erholungsgebiet. Für die Fischtreppe, die durch den Park führt, machte der Freistaat Extrageld locker. Sie wurde unabhängig von der Gartenschau geplant, doch Harald Lang, Leiter der Bamberger Stadtplanung, ist sich sicher, dass sie nur "wegen der Gartenschau" so schnell verwirklicht wurde. Als Gegengeschäft bekamen die Investoren auf einem anderen Teil des Geländes Baurecht. Hier sind Luxuswohnungen entstanden, aber auch Hörsäle und Seminarräume, die von der Uni Bamberg gemietet wurden. Von den 29 Millionen Euro, die Bamberg insgesamt in die Umwandlung des Erba-Geländes steckte, war etwa die Hälfte Fördergeld.

Erlangen hat ähnliche Ziele: Neben der Umwandlung des Großparkplatzes geht es darum, die Regnitzauen, jetzt durch Gleise und Autobahn von der Altstadt getrennt, näher heranzuholen. Wie das genau aussehen und was das kosten soll, könne man noch nicht seriös beantworten, sagt die Stadt. Die konkreten Pläne sollen nach dem 7. Mai mit den Bürgern erarbeitet werden - wenn die denn wollen.

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