Informationsfreiheits­satzung:Jeder Bürger hat ein Recht auf Auskunft

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Wer Akten in den Rathäusern des Freistaats einsehen will, muss auf das Wohlwollen der Angestellten hoffen - oder streiten. (Symbolbild) (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • In fast allen Bundesländern regelt ein Gesetz das Recht auf Akteneinsicht in ihren Gemeinden.
  • Bayern hatte sich dem lange Zeit verweigert, seit dem 30. Dezember 2015 aber gilt im Freistaat zumindest ein begrenztes Auskunftsrecht, das im Bayerischen Datenschutzgesetz geregelt ist.
  • Der Freistaat räumt seinen Bürgern die Möglichkeit ein, Daten und Akten einzusehen, sofern ein "berechtigtes" Interesse "glaubhaft dargelegt wird" und der Verwaltung kein "unverhältnismäßiger Aufwand entsteht".

Von Claudia Henzler und Matthias Köpf, München/Nürnberg

Wie viele Anwohnerparkausweise gibt es in der Parkzone A in Würzburg? Wie sehen die Ergebnisse der jüngsten Verkehrszählung in Augsburg aus? Wo bietet Ingolstadt kostenlosen Wlan-Zugang an und was zahlt die Stadt dafür? Zu solchen Fragen bitten Bürger ihre Gemeinde- und Stadtverwaltungen um Auskunft. In vielen Kommunen in Bayern müssen sie dabei nicht nur auf das Wohlwollen der Rathausmitarbeiter hoffen, sie können einen Anspruch auf Auskunft und Akteneinsicht geltend machen.

Etwa 80 Städte und Gemeinden haben in den vergangenen Jahren eine Informationsfreiheitssatzung eingeführt. Aktuell fragen sich aber einige Kommunen, ob es diese Satzungen noch braucht - und ob sie rechtlich zulässig sind. Rosenheim hat seine Satzung deshalb abgeschafft. Und Erlangen hat sich gerade entschieden, als einzige bayerische Großstadt mit mehr als 100 000 Einwohnern keine einzuführen.

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Die Behörden im Freistaat geizen mit Informationen - der einzige Fortschritt bisher: Seit Ende 2015 ist im bayerischen Datenschutzgesetz ein "Recht auf Auskunft" über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen verankert.

Von Christian Sebald

In fast allen Bundesländern regelt ein Gesetz das Recht auf Akteneinsicht, und zwar für alle Verwaltungsebenen von der Gemeinde bis zum Ministerium. Bayern hatte sich dem lange Zeit verweigert, seit dem 30. Dezember 2015 aber gilt im Freistaat zumindest ein begrenztes Auskunftsrecht, das im Bayerischen Datenschutzgesetz geregelt ist.

Während in anderen Bundesländern und auf Bundesebene ein "voraussetzungsloses Jedermannrecht" gilt, räumt Bayern seinen Bürgern die Möglichkeit ein, Daten und Akten einzusehen, sofern ein "berechtigtes" Interesse "glaubhaft dargelegt wird" und der Verwaltung kein "unverhältnismäßiger Aufwand entsteht". Wann ein Interesse berechtigt ist, wird nicht definiert. In der Praxis berufen sich Behörden dann gerne darauf, dass es kein Informationsfreiheitsgesetz gibt und dass vom Antragsteller kein berechtigtes Interesse dargelegt wurde. Oder es werden hohe Gebühren in Aussicht gestellt.

Die Städte und Gemeinden mit eigener Informationsfreiheitssatzung gehen weit über das bayerische Auskunftsrecht hinaus. Sie haben sich selbst verpflichtet, den Bürgern Akteneinsicht in ihre Unterlagen zu geben, ohne dass die begründen müssen, warum sie diese Informationen haben wollen. In diesen Satzungen regeln die Kommunen dann beispielsweise auch, wann die Informationen spätestens zur Verfügung gestellt werden sollen und wie hoch die Gebühren für eine aufwendige Auskunft ausfallen dürfen.

Nun mögen Wohlfühl-Anfragen wie die nach den kostenlosen Wlan-Hotspots auch bei Kommunen ohne Informationsfreiheitssatzung beantwortet werden. Ganz anders kann es aussehen, wenn der Bürger selbst einen Blick in das Gutachten werfen will, das der Stadt bescheinigt, wie groß die statischen Probleme in der alten Turnhalle sind, oder erfahren will, wie viele Fehlbelegungen es in Sozialwohnungen gibt oder was im Bericht der Heimaufsicht steht.

Wie groß die Zahl der Bürgeranfragen ist, die in den Rathäusern eingehen, und wie oft sich Antragsteller dabei auf eine Informationsfreiheitssatzung berufen, wird nicht erfasst. "Wir haben dazu leider keine Zahlen", sagt Simon Strohmenger vom Verein "Mehr Demokratie", der sich mit Transparency International und anderen Partnern zum "Bündnis Informationsfreiheit für Bayern" zusammengeschlossen hat. Es berät Kommunen und stellt ihnen eine Mustersatzung zur Verfügung.

Ihm seien jedenfalls keine Fälle bekannt, in denen Rathäuser unter der Last der Anfragen zusammenbrechen, sagt Strohmenger. Meist interessierten sich Bürger erst dann für die Satzung, wenn sie ein persönliches Anliegen haben. In Würzburg kamen in den vergangenen Jahren nur vereinzelte Anfragen an, genau lässt sich das auf die Schnelle nicht sagen, weil sie dezentral bei den einzelnen Referaten eingehen. Im Baureferat waren es in fünf Jahren nur drei. "Die Nachfrage ist gering", sagt Stadtsprecher Christian Weiß. Das könne auch daran liegen, dass die Stadt Beschlussvorlagen und Beschlüsse online in einem Bürgerinformationssystem bereitgestellt hat.

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Erlangens Stadträte haben kürzlich mit großer Mehrheit einen Antrag der Linken abgelehnt, eine eigene Satzung zu beschließen. Die Mitarbeiter seien ohnehin schon angewiesen, "großzügig" mit Auskunftsanfragen umzugehen, hieß es in der Beschlussempfehlung. "Diese Regelung ist unbürokratisch und effektiv." Im Rathaus sei nicht bekannt, dass sich Bürger beschwert hätten oder einem "nachvollziehbaren Einsichts- beziehungsweise Informationswunsch" nicht nachgekommen wurde. Vor allem begründete die Stadt ihre Entscheidung damit, dass ja das Datenschutzgesetz neuerdings den Informationszugang auch für die Kommunen regle.

Im Februar hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Informationsfreiheitssatzung der Gemeinde Inzell im Landkreis Traunstein für unwirksam erklärt, weil diese es nach ihrer Ansicht erlaubte, dass personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden. Das Gericht bemängelte außerdem, dass die Satzung hinter dem Schutzniveau des Bayerischen Datenschutzgesetzes und anderer höherrangiger Gesetze zurückbleibe. Gemeinden dürften zwar grundsätzlich selbst freien Informationszugang gewähren, dem dürfe aber kein landesrechtliches Informationsfreiheitsgesetz entgegenstehen, hieß es.

Auf dieses Urteil des VGH bezieht sich auch die Stadt Rosenheim, die ihre Informationsfreiheitssatzung soeben wieder abgeschafft hat. Seit dem Jahr 2011 wurden demnach in Rosenheim nur zwei Anfragen gestellt, die sich ausdrücklich auf die Informationsfreiheitssatzung berufen haben. Das "Bündnis Informationsfreiheit" hat nach dem Urteil seine Mustersatzung überarbeitet, um sie der Rechtssprechung anzupassen. Die Neufassung sei in Absprache mit dem Innenministerium formuliert worden, sagt Strohmenger.

Die Gemeinde Gauting im Landkreis Starnberg hat sich Ende Juni entschlossen, an der Informationsfreiheit festzuhalten. Sie hat ihre Satzung neu beschlossen und dabei erweitert. Nun haben nicht nur Einheimische ein Recht auf Auskünfte, sondern alle Interessierten.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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