Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Wenn Wähler Sumpfgebiete trocken legen

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Bei der Kommunalwahl in Ingolstadt und Regensburg haben die Menschen dem Kleinstadtklüngel den Kampf angesagt. Die Affären im Vorfeld haben den Wunsch nach neuen Köpfen bestärkt

Von Andreas Glas

Es ist zwar bekannt, dass der Filz in Bayern eine gewisse Tradition hat. Aber das Sumpfgebiet, das sich in jüngster Zeit aufgetan hat, ist selbst für bayerische Verhältnisse ziemlich großflächig. Das Gebiet reicht, knapp 60 Kilometer Luftlinie, von Regensburg bis Ingolstadt. Nur Zufall ist das nicht. Beide Städte sind ähnlich groß, beide haben sich in Rekordzeit zu riesigen Spielwiesen für Baufirmen entwickelt. Doch der Kreis der Handelnden ist so überschaubar geblieben, dass sich der Kleinstadtklüngel jahrelang halten und ausbreiten konnte. Die OB-Wahlen in Regensburg und Ingolstadt waren daher keine normalen Wahlen. Sie waren ein Votum gegen den Klüngel. Die Botschaft der Wähler lässt sich in einen Satz packen: Wir haben die Schnauze voll.

In Regensburg ist der suspendierte OB Joachim Wolbergs (früher SPD) schon im ersten Wahlgang durchgefallen. Wie tief er im Sumpf steckt, ist noch nicht ganz geklärt. Das Urteil im ersten Korruptionsprozess fiel milde aus, der zweite läuft noch. Was die Prozesse aber längst offenbart haben: Dass es sich bei vielen Bauträgerspenden an Wolbergs um Schmiergeld handelte - und Wolbergs so ziemlich der einzige ist, der das offenbar bis heute für völlig normal hält. In Ingolstadt ist OB Christian Lösel (CSU) in der Stichwahl abgeschmiert. Zum Verhängnis wurde ihm die Nähe zu Parteifreund Alfred Lehmann, der kürzlich wegen Bestechlichkeit schuldig gesprochen wurde. Lösel hat sich von Alt-OB Lehmann distanziert, sich als Aufklärer inszeniert. Nicht jeder hat ihm das abgekauft. Was auch mit einem privaten Deal zu tun hatte, den Lösel und Lehmann mit einer Baufirma am Laufen hatten. Das Investment ist längst beendet und hatte keine juristischen Folgen - doch abgefärbt hat die Lehmann-Affäre eben trotzdem auf Lösel.

Die Wähler haben also ihren Teil geleistet, den Sumpf in Regensburg und Ingolstadt trockenzulegen. Jetzt liegt es an den neuen Rathauschefs, dass die Sumpfgebiete auch trocken bleiben. Für den Augenblick haben sie nur eine Wahl gewonnen. Dass sie auch das Vertrauen der Menschen in die Stadtpolitik zurückgewinnen können, müssen die Neuen erst noch beweisen.

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Quelle:
SZ vom 31.03.2020
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