Kommentar:Realitätsverlust

Klinikchef Nawratil ist nicht zu halten. Aber er ist nicht der allein Schuldige. Bezirkstagspräsident Richard Bartsch hat falsch gemacht, was man nur falsch machen kann

Von Uwe Ritzer

Es ist das größte Beben beim Bezirk Mittelfranken seit 1984. Damals deckte der Krankenpfleger Klaus Lister auf, dass in der Ansbacher Bezirksklinik Versuche mit nicht zugelassenen Medikamenten an psychisch Kranken liefen. Beim aktuellen Fall sind Gott sei Dank nicht wehrlose Patienten die Opfer, aber wieder geht es um gravierendes Fehlverhalten. Sonderprüfer legen Missstände im Klinikmanagement offen, die strafrechtliche Folgen haben und Regressforderungen auslösen könnten.

Es geht um Millionen. Vor allem aber um das Regime Nawratil, um die Rücksichtslosigkeit, mit der Vorstand Helmut Nawratil die Bezirkskliniken führte. Wie er Mitarbeiter mundtot machte oder hinauswarf, weil er Widerspruch nicht duldete. Nawratil gebärdete sich, als würden für ihn keine Regeln gelten außer seinen eigenen. Er hinterging den Verwaltungsrat, gab den harten Sanierer und lieferte in Wahrheit Pfusch: Vergaben ohne Ausschreibungen, Chaos bei Bauvorhaben, teure Kündigungen. Obendrein riecht es ziemlich streng nach Vetternwirtschaft. Dass Dokumente vernichtet oder den Prüfern vorenthalten wurden, ist ein Skandal im Skandal.

Nawratil ist nicht mehr zu halten. Aber er ist nicht der allein Schuldige. Bezirkstagspräsident Richard Bartsch hat falsch gemacht, was man in einer solchen Funktion nur falsch machen kann. Nun gibt er den Überraschten, dabei hatte er persönlich frühzeitig Hinweise auf die Missstände. Doch statt aufzuklären, hat er Nawratil bedingungslos verteidigt. Dass Bartsch trotzdem Bezirkstagspräsident bleiben will, zeugt nicht nur von bedenklichem Realitätsverlust; es ist dreist.

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