Der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger verfolgt in diesen Tagen eine Doppelstrategie, die nicht mehr lange aufgehen wird. Auf der einen Seite geißelt er die CSU weiter in der Brachial-Rhetorik, mit der er sie seit dem ersten Einzug seiner Partei in den Landtag vor zehn Jahren piesackt.
Auf der anderen Seite gibt er sich ganz staatsmännisch als seriöser Garant der künftigen schwarz-orangenen Koalition und Motor für ein besseres Bayern, der sich in seinen konservativen Grundüberzeugungen nur wenig von Markus Söder und Co. unterscheidet. Dieses Sowohl-als-Auch wird Aiwanger höchstens bis zu dem Tag fortsetzen können, an dem er den Koalitionsvertrag mit der CSU unterzeichnet. Dann wird damit Schluss sein. Mit Verweis auf den gemeinsamen Vertrag wird sich die CSU das Bashing nicht länger gefallen lassen.
Aber nicht nur das. Von dem Tag an, an dem die schwarz-orangene Koalitionsregierung startet, wird Aiwanger ein neues, für ihn und seine Partei schwieriges Problem haben. Gerade mit seinen andauernden verbalen Kraftmeiereien hat er bei vielen Anhängern und Wählern überaus hohe Erwartungen geweckt, die er nun längst nicht alle erfüllen können wird.
Der Koalitionsvertrag wird viele enttäuschen, die sich auf Aiwangers Durchsetzungskraft verlassen haben. Seien es die Gegner der dritten Startbahn am Münchner Airport oder die Bürgerinitiativen gegen die Stromautobahnen, um nur zwei mögliche Beispiele zu nennen. Die Freien Wähler werden ihren Anhängern und Wählern in nächster Zeit also erst einmal einiges erklären müssen.
Dafür ist die CSU in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Der tiefe Fall bei der Landtagswahl und die nun nötige schwarz-orangene Koalition bieten ihr die Chance zur Erneuerung. Besonders großen Modernisierungsbedarf hat sie in der Umwelt- und der Agrarpolitik. In beiden Feldern könnte sich die CSU auch sehr gut gegenüber den Freien Wählern profilieren. Schließlich sind deren umwelt- und agrarpolitische Vorstellungen ebenfalls ziemlich veraltet.