Kolumne:Störrischer Bock, lustige Leich

Der Dualismus des Advents kommt in den Verästelungen des so gar nicht staden Alltags besonders deutlich zur Geltung.

Von Hans Kratzer

Die meisten Dramen, die sich im Laufe des Advents und der Weihnachtszeit zutragen, sind von einer feinen Dramaturgie. Man kann sagen, sie sind von jenem Dualismus, der diese Jahreszeit prägt, voll durchdrungen. Im Dezember wird das Gute vom Bösen begleitet, die heilige Lucia von der schiachn Luz, der Weihnachtsmann vom Kommerz. Aus Linz wird diesbezüglich gemeldet, ein 14-Jähriger sei mit feuerwehrtechnischem Großaufwand aus einem Kamin gerettet worden. In diesen war er unabsichtlich hineingerutscht, als ihm einfiel, den Weihnachtsmann selber zu spielen. Ähnlich unbekümmert ist im niederbayerischen Pfeffenhausen ein Ziegenbock ausdauernd auf einer frequentierten Straße herumstolziert. Der laut Polizei eher "uneinsichtige" Bock entzog sich allen Zugriffsversuchen einer Streife mit Erfolg. Dass die Hatz von Passanten unterstützt wurde, war ebenfalls für die Katz. Zuletzt sprang das flüchtende Tier kurzerhand in das Becken einer Kläranlage, wo es trotz der Kälte ein Bad nahm. Es sind dies nur zwei aktuelle Fälle, die aber nachhaltig herausstreichen, welch krasse Gegensätze die stade Zeit prägen, die doch so laut ist. Er sei froh, wenn die stade Zeit vorbei ist, soll schon der Philosoph Karl Valentin gesagt haben, "dann wird's vielleicht wieder ruhiger".

Am trefflichsten kommt der adventliche Dualismus in einem lange zurückliegenden Ereignis im Bayerischen Wald zum Ausdruck. Der Bauer von Boxberg war um den Lucientag herum dahingeschieden. Als ihn die Trauergemeinde abholte, wurde der Sarg nach altem Brauch an der Haustür dreimal abgesenkt. Die Musikanten, die den Trauermarsch intonierten, lehnten sich der Bequemlichkeit halber ans hölzerne Treppengeländer, das aber wegen Morschheit dem Gewicht der Männer nicht standhielt. Die Bläser fielen in geschlossener Formation auf den Misthaufen, der an der Sturzstelle bereits in die Odelgrube ausfranste. Hilflos kugelten die Opfer in die Brühe. Der einzige, der die Ruhe bewahrte, war der Tote im Sarg. So wie sich im Advent die Antipoden vereinigen, so flossen hier Trauer und Gaudi nahtlos ineinander. Später erzählte der Sohn des Verstorbenen im Wirtshaus von Rattenberg: "So fest hab ich in meinem ganzen Leben nicht gelacht wie auf der Leich' vom Vater!"

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