Süddeutsche Zeitung

Kollnburg: Streit um Filmdreh:Die Angst des Bistums vor Telefonsex

Das Bistum Regensburg untersagt einem Filmteam den Dreh in einer Kirche - da es um frivole Themen geht. Kabaretttist Sigi Zimmerschied glaubt, das Verbot hat mit ihm zu tun.

M. Hägler

In dieser Woche sollten die Szenen in der Pfarrkirche gedreht werden. Sankt Magdalena bei Kollnburg hatte das Filmteam dafür ausgesucht. Hier sollte der Passauer Kabarettist Siegfried Zimmerschied den Dorfpfarrer Gandl spielen. Das ZDF dreht gemeinsam mit Münchner Produktionsfirmen im Bayerischen Wald einen Kinofilm. Der Titel: "Eine ganz heiße Nummer". Es geht um die drei Dorffrauen Maria, Waltraud und Lena, die vor dem Nichts stehen, als der einzige Dorfladen schließt und sie damit ihre Arbeit verlieren. Der Film erzählt die Suche der Drei nach unkonventionellen Auswegen aus der Misere.

Doch ein Teil der Szenen kann nicht gefilmt werden: Das Bistum Regensburg hat die Dreharbeiten in Sankt Magdalena verboten. Wieder einmal wehrt sich die Kirche gegen den Schauspieler und Kabarettisten Zimmerschied, gegen sexuelle und kritische Bezüge zur Kirche in Kunst und Kultur. Er dürfe mitteilen, schrieb ein Bistums-Pressesprecher an das Produktionsteam, dass die geplanten Dreharbeiten im Kircheninneren nicht durchgeführt werden könnten. Ein Gotteshaus als liturgischer Raum, in dem die Heilige Messe gefeiert werde und Gläubige beteten, könne nicht in Zusammenhang mit dem Thema Telefonsex gebracht werden.

Tatsächlich geht es in dem Film auch um Telefonsex, aber eingebettet in eine gesellschaftliche Befindlichkeit, die Zimmerschied als "ganz ernsthafte Tragikomödie" beschreibt. In ihrer Not gründen die drei Frauen des fiktiven Bayerwalddorfes eine Erotik-Hotline. "Der Geist der katholischen Kirche ist zwar allgegenwärtig, dafür mangelt es an wirtschaftlicher Perspektive", heißt es in der Presseaussendung, die zum Dreh verschickt wurde. Kein unglaubwürdiges Buch, das sich Andrea Sixt ausgedacht hat und das Regisseur Markus Goller nun umsetzen soll mit Schauspielern wie Siegfried Zimmerschied, Gisela Schneeberger oder Michael Fitz. Natürlich wirbelt die Idee mit dem Telefonsex das Dorfleben durcheinander.

Der Wirbel in der Realität ist aber nicht minder spannend. Natürlich habe das vom Bistum ausgesprochene Drehverbot mit ihm zu tun, sagt Siegfried Zimmerschied. Mit seinem Kabarett, das oft kirchenkritisch war, mit den Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft wegen Gotteslästerung einst gegen ihn führte.

Zimmerschied kennt solche Situationen. 1975 sorgte er in Passau und bald auch darüber hinaus für Aufregung, als er im Peschl-Keller gemeinsam mit Bruno Jonas "Die Himmelskonferenz" aufführte. Jesus rauchte dabei einen Joint, der Heilige Geist war angetrunken und Maria zum zweiten Mal schwanger, weil Petrus ihr die Pille verwehrte. Es folgte eine (echte) Anzeige des Passauer Generalvikars. Ein Gymnasialdirektor bescheinigte als Gutachter der Staatsanwaltschaft, dass der Glaube an einen allmächtigen Vater durch die Darstellung eines ohnmächtigen Gott Vaters verächtlich gemacht worden sei.

Die Staatsgewalt sprach die jungen Kabarettisten zwar nach halbjährigen Ermittlungen frei - unter Bezugnahme auf die Kunstfreiheit. Aber natürlich sind sie seitdem bekannt für solche Art von aufmüpfigem Kabarett. Vor allem Zimmerschied, der damals Theologie studierte und mittlerweile konfessionslos ist.

Die Ablehnung der Filmaufnahmen habe nichts mit Zimmerschied zu tun, sagt Jakob Schötz, ein Pressesprecher des Bistums. Man sehe ihn in diesem Fall "nur als Schauspieler", entscheidend seien Spielszenen, die "leicht blasphemisch" seien.

Im Hauptspielort Kollnburg versteht man die Entscheidung des Bistums nicht. "Ich bin römisch-katholisch", sagt Josefa Schmid, die junge Bürgermeisterin. "Und deshalb akzeptiere ich die Entscheidung." Aber ganz ehrlich, fügt die blonde CSU-Politikerin mit Entschiedenheit hinzu, das Urteil sei "scheinheilig" und "kleinkariert". Das Buch und der Film seien witzig, kritisch, aber seriös und mit aktuellen Bezug.

Sie selbst ist Komparsin, hat mit dem fiktiven Frauenbund schon "Halleluja" gesungen. Erstaunt sei sie, dass das Bistum nach all den ernsthaften Skandalen der vergangenen Monate keine anderen Sorgen habe, als den Dreh eines ZDF-Films. Bei ihren Bürgern, viele sind ebenfalls Komparsen, komme das Kirchenurteil gar nicht gut an, es werde der Kirche wohl mehr schaden als nutzen, prophezeit die Kommunalpolitikerin.

War solch ein Wirbel nicht auch irgendwie absehbar, angesichts einer Person Zimmerschied und eines Plots, der sich auch irgendwie um das kirchliche Anti-Thema "Sex" dreht? Zimmerschied, der Kirche und Kulturbetrieb so gut kennt wie seine niederbayerische Heimat, überlegt ein wenig. "Nein", sagt er dann.

Nach dem "aufgeklärten Getue" der letzten Monate habe man solch eine Reaktion nicht erwarten können. Aber andererseits könne er das Denken der Kirche, das "anachronistisch und versteinert" sei, doch nachvollziehen. Und zwar immer dann, wenn er sich das Priestergewand überziehe. Wie ein Flashback sei das, meint der Schauspieler. "Man wird zurück katapultiert in die Zeit und das Denken, das einen geprägt hat."

Wo die Dreharbeiten nun weitergehen werden, ist unklar. Um den Zeitplan der aufwendigen Produktion zu retten, die natürlich auch ein wenig Werbung für Kollnburg bedeuten würde, setzt die energische Bürgermeisterin auf die gemeindeeigene Allersdorfer Kirche. Parallel dazu sucht die Produktionsfirma fieberhaft nach weiteren Notlösungen, etwa Kapellen in privaten Schlössern.

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Quelle:
SZ vom 03.11.2010/tob
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