Körpersprache bei Politikern:Hauen, stechen, schmunzeln

Parteikonvent der CSU

Mit erhobenem Zeigefinger und immer leicht gebeugt: Über Horst Seehofer haben Experten der Körpersprache einiges zu sagen.

(Foto: dpa)

Warum Horst Seehofer sich nach vorne beugt, wie Christian Ude seine abgehackte Sprechweise wettmacht und warum Peer Steinbrück authentisch wirkt: Ein Körpersprache-Coach analysiert die Gestik der Spitzenkandidaten.

Von Viktoria Großmann

Beide Arme bewegen sich in einem weiten Bogen vom Körper weg, bevor die Hände auf Magenhöhe wieder zusammenfinden. Ein kurzes Einknicken der (geschlossenen) Knie, dazu die Arme auseinander werfen, das heißt: Unterstreichen, Zustimmung ausdrücken und einfordern zugleich.

So spricht Michael Moesslang und er spricht darüber, welche Wirkung es hat, sich so auszudrücken. Körpersprache, so sagt er, werde nicht nur meist unbewusst angewendet, sondern auch im Unterbewusstsein wahrgenommen. Sobald man anfängt, darüber nachzudenken, bewegt man sich wie Karl Theodor zu Guttenberg. Wenn man es ablehnt, darüber nachzudenken, eher so wie Peer Steinbrück.

Körpersprache zu trainieren und aus ihrer selbst verschuldeten Unachtsamkeit zu befreien, ist Moesslangs Job. Der Augsburger Kommunikationswirt und Vortragsreisende nennt sich selbst "Hitchcock der Präsentation". Allerdings geht es nicht um die Frage, gibt es den perfekten Mord, sondern eher: Gibt es die perfekte Geste?

Antwort: Na klar. Und Christian Ude beherrscht sie. Vermutlich unbewusst, aber dafür umso authentischer. "Ude lächelt viel", sagt Moesslang. "Das spielt eine verdammt große Rolle in der Sympathie." Es wird den Münchner SPD-Oberbürgermeister vielleicht gefallen, das zu lesen, denn mit seinem Lächeln muss er nicht nur mangelnde geografische Kenntnisse, sondern auch sein aus Sicht Moesslangs "abgehacktes Sprechen" wett machen.

Außerdem, lächeln ist das eine. Lächeln wie Horst Seehofer, das ist eine ganz andere Qualität. "Dieses Schelmische", sagt Moesslang, das habe nur der bayerische Ministerpräsident. Beinahe gerät er ins Schwärmen. Dennoch muss er auch dem CSU-Vorsitzenden einen ernsten Rat an die Hand geben. Seehofers stets etwas gerundeter Rücken und die nach vorne geklappten Schultern verrieten nämlich, dass er sich seiner Größe von etwa 1,95 Meter schäme. "Seehofer macht sich kleiner. Er verkauft sich schlecht", sagt Moesslang, eine Hand jetzt auf Brusthöhe schließend. Das mache Seehofer aber andererseits auch so volksnah. Er sei eben keiner, der haut und sticht. Mit der Hand nämlich und dem Zeigefinger.

Diese Gestik, man kann sie Moesslangs Ausführungen folgend, kurz als Kriegsrhetorik bezeichnen, beherrsche hingegen nahezu meisterhaft Peer Steinbrück. Der Sozialdemokrat, der ins Kanzleramt will, "haut und drischt" bei jeder Gelegenheit auf sein Publikum ein. Egal, ob Freund oder Feind. "Es gibt immer noch Rhetoriktrainer, die das ihren Kunden beibringen", sagt Michael Moesslang über seine Kollegen und seine Handflächen weisen dabei zum Boden.

Humor kommt mit der Zeit

Dabei sei das wirklich von Vorgestern. Zu Zeiten Herbert Wehners konnten Politiker noch mit Aggression punkten, und wenn die flache Hand nicht reichte, dann hauten sie eben wie Nikita Chruschtschow mit einem Schuh auf das Rednerpult ein. Doch der Kalte Krieg ist vorbei und was die Leute heute sehen wollten, sagt Moesslang, seien keine angriffslustigen Männer, sondern vertrauenerweckende Menschen jederlei Geschlechts, die sie mit kühlem Kopf durch die Krisen einer unübersichtlichen Welt manövrierten.

Ein bisschen Humor dürfen sie dann auch zeigen, aber erst, wenn sie schon etwas geleistet haben. Die Kanzlerin etwa erscheint, je länger sie im Amt ist, desto witziger. Das schreibt Moesslang aber weniger der mit den Amtsjahren wachsenden Gelassenheit und Gelöstheit zu, als vielmehr ihren umsichtigen Beratern, die Merkels Humor als Unique Selling Point erkannt haben und fördern.

Peer Steinbrück hingegen hat das Hauen und Stechen wohl niemand beigebracht, denn der sei bekannt dafür, Coaching als Schauspieltraining zu empfinden und daher abzulehnen. Aber ausgerechnet die eher für ihre Direktheit als für ihre Freundlichkeit bekannten Deutschen, schätzen an Politikern weniger die Echtheit, als gute Umgangsformen. So wird Musterschülern des guten Benehmens wie Karl Theodor zu Guttenberg eine Schummelei wie die gefälschte Doktorarbeit eher mal verziehen. Der wusste eben: Die Hand gehört nicht in die Hosentasche. Moesslang macht ein missbilligendes Gesicht: "Das hat er ein oder zweimal gemacht und sie sofort wieder heraus genommen."

Mit konservativ und adelig auf der einen und links und bürgerlich auf der anderen Seite, lässt sich diese Einstellung zu gutem Benehmen übrigens nicht erklären. Im real existierenden Sozialismus wurde der Nachwuchs in einem schmissigen Lied aufgefordert: "Sei kein Frosch und keine Flasche, nimm die Hände aus der Tasche, Pionier".

Ob das nun der Grund ist für Merkels in sicherem Abstand zu den Hosentaschen zur Raute geformten Hände? Darüber hat vermutlich Moesslang noch nicht nachgedacht. Aber eines weiß der Gestenzähler: Peer Steinbrücks Tränen vor wenigen Wochen in einem Gespräch mit Fernsehmoderatorin Bettina Böttinger, die waren echt. "Weil es ihm unangenehm war", sagt Moesslang, macht eine Pause und führt Daumen und Zeigefinger der erhobenen Hand zusammen. Geglaubt haben ihm, Steinbrück, dem Authentizitätstier, die Tränen trotzdem nur wenige. Die Mehrheit schätzt ein falsches Lächeln offenbar mehr als echte Tränen.

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