Süddeutsche Zeitung

Königssee:Ein verheerendes Echo

Die Bootsfahrer am Königssee weigern sich, Touristen mit ihren Trompeten das legendäre Echo vorzuführen - aus Protest.

Heiner Effern

Eine Schifffahrt auf dem Königssee ohne das berühmte Trompeten-Echo? Wie das ist, das konnten in dieser Woche die Passagiere auf den Elektrobooten in Richtung St. Bartholomä erleben:

In einer spontanen Aktion hatten sich die Angestellten der Königssee-Schifffahrt am Dienstag und Mittwoch geweigert, auf ihren Flügelhörnern oder ihren Trompeten gegen die Felswand zu blasen, die die Melodie so phantastisch auf den See zurückwirft. Denn zwischen dem Unternehmen und den etwa 60 Angestellten ist ein heftiger Streit über eine neue Betriebsvereinbarung ausgebrochen.

Darin soll unter anderem die Annahme von Trinkgeld für das Spielen der Melodie neu geregelt werden. "Wir gestatten das, aber Gäste dürfen dazu nicht genötigt werden", sagt Walter Stürzl, der Geschäftsführer der Königssee-Schifffahrt.

Nun streiten die Parteien, ob das Aufstellen von Gefäßen oder das Ausstrecken der Hand den Passagier zu einem Trinkgeld zwinge. Die Bootsfahrer sehen das nicht so und stellten wegen des angekündigten Verbots das Echo-Blasen ein. Schließlich sei es ja freiwillig, argumentieren sie. Stürzl sagt aber, dass das Spielen aufgrund einer Vereinbarung verpflichtend sei.

Nun müssen die Bootsfahrer doch wieder blasen - gezwungenermaßen. "Bevor man eine Kündigung riskiert, wird halt geblasen", sagt ein Mitarbeiter, der wie seine Kollegen seinen Namen nicht sagen will.

Die arbeitsrechtlichen Drohungen der Gesellschaft seien eine Reaktion auf den Bläserstreik, aber noch lange nicht das Ende der Auseinandersetzung. Die Gewerkschaft Verdi überprüfe nun, ob das Spielen der Echo-Melodie überhaupt angeordnet werden dürfe. "Kann sein, dass sich das ganz aufhört."

"Viele Kleinigkeiten bringen das Fass zum Überlaufen"

Hinter dem Streit um die neue Betriebsvereinbarung, die das Unternehmen seinen Mitarbeitern vorgelegt hat, steckt allerdings nicht nur der Ärger um das Trinkgeld. "Viele Kleinigkeiten bringen das Fass zum Überlaufen", heißt es in der Belegschaft.

Nach Vorstellung des Unternehmens sollen die Bootsfahrer künftig an ihrem freien Wochentag im Sommer vormittags in Rufbereitschaft stehen, an Regentagen ohne Mindestarbeitszeit wieder nach Hause geschickt werden und künftig zur Hochsaison deutlich mehr arbeiten als die jetzigen 40 beziehungsweise 42 Stunden.

"Das Leben hat sich verändert. Die Gewerkschaft hat das erkannt und in ihrem Tarifvertrag diese Möglichkeiten akzeptiert, die wir nun umsetzen wollen", sagt Geschäftsführer Stürzl.

Jeder Mitarbeiter habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er eine Beschäftigung bei einem witterungsabhängigen Saisonbetrieb eingehe.

Das müsse aber nicht bedeuten, dass man nach einer 60-Stunden-Woche am einzigen freien Tag noch von zehn bis zwölf Ohr vormittags für die Rufbereitschaft vor dem Telefon sitze, ärgern sich die Angestellten. "Unser Leben wird mit den beliebigen Arbeitszeiten total konfus", heißt es.

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Quelle:
SZ vom 6.10.2007
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