Königsdorf:Eine DNA-Spur bringt den Durchbruch

Zwei Wochen nach dem grausamen Doppelmord von Höfen präsentiert die Polizei zwei Tatverdächtige: Eine frühere Pflegekraft sitzt in Untersuchungshaft. Ihr Bruder ist als mutmaßlicher Haupttäter noch auf der Flucht

Von Matthias Köpf, Claudia Koestler und Christian Sebald, Königsdorf

Der Doppelmord im oberbayerischen Königsdorf steht offenbar vor der Aufklärung. Die Polizei hat am Mittwoch im brandenburgischen Prenzlau eine 49-jährige Polin festgenommen, die im vergangenen Jahr als Pflegekraft in dem Haushalt gearbeitet und den inzwischen verstorbenen Ehemann der Hausbesitzerin betreut hat. Die ehemalige Pflegerin wurde bereits nach Bayern überstellt und in Untersuchungshaft genommen. Sie wird der Beihilfe zu dem brutalen Doppelmord verdächtigt. Einen der Haupttäter vermutet die Polizei in dem 43-jährigen Bruder der Frau. Robert Pludowski ist flüchtig, die Polizei vermutet ihn in seiner polnischen Heimat und sucht ihn mit einem internationalen Haftbefehl.

Lediglich als "sehr wichtiger Zeuge" gesucht wird ein weiterer Mann, der sich zur selben Zeit wie die flüchtigen Täter in der Autobahnraststätte Höhenrain an der A 95 aufgehalten hat. Von ihm erhofft sich die Polizei Angaben über die Zusammensetzung der Gruppe.

Unter anderem ist derzeit nicht klar, ob sich die einstige Pflegerin auch in der Tatnacht in dem Haus in Höfen aufgehalten hat. Die zuletzt 55 Beamte starke Soko Höfen konnte inzwischen auch den Zeitpunkt der Bluttat aufklären. Sie geschah in der Nacht auf Donnerstag, 23. Februar. Der Doppelmord hatte weit über das Oberland hinaus für Verstörung gesorgt. Am späten Abend des 25. Februar hatte die Polizei in einem Haus in dem Weiler Höfen bei Königsdorf die Leichen einer 76 Jahre alten Frau aus Eschborn und eines 81-jährigen Mannes aus Nordrhein-Westfalen entdeckt.

Königsdorf: Der Tatort in Höfen, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. In dem Dorf haben die Menschen schon mal die Türen unversperrt gelassen, weil sie sich sicher fühlten.

Der Tatort in Höfen, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. In dem Dorf haben die Menschen schon mal die Türen unversperrt gelassen, weil sie sich sicher fühlten.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die 76 Jahre alte Hausbesitzerin Luise S. hatte den Überfall knapp überlebt und kam in kritischem Zustand in ein Krankenhaus. Die beiden Toten waren Bekannte von Luise S., die bei ihr zu Besuch waren. Alle drei Opfer waren massiv misshandelt und geschlagen worden. Als Todesursache hat die Obduktion stumpfe Gewalt ergeben. Womöglich hätten die Täter nicht mit der Anwesenheit der beiden Besucher gerechnet, hieß es am Freitag von der Polizei. Die brutale Gewalt, mit der die Täter in dem Haus in Höfen vorgegangen sein müssen, könne man sich anders kaum erklären, sagte Soko-Chef Deindl am Freitag.

Nach Informationen der SZ aus Ermittlerkreisen soll zunächst die Bekannte aus Eschborn erschlagen worden sein. Die Hausbesitzerin und der 81-Jährige sollen sich dann im Schlafzimmer verbarrikadiert haben. Der mutmaßliche Täter soll die Tür eingeschlagen, den Mann getötet und die Frau misshandelt, gefesselt und in den Heizungskeller geschleift haben. Luise S. befindet sich nach wie vor in der Klinik, ist weiterhin nicht ansprechbar und konnte daher nicht vernommen werden.

Königsdorf: SZ-Karte

SZ-Karte

Der Durchbruch bei den Ermittlungen gelang der Soko Höfen Anfang der Woche, als Polizisten erneut die Umgebung des Hauses von Luise S. nach Spuren absuchten. Dabei entdeckten sie einen Gegenstand, auf dem sich DNA-Spuren des nun gesuchten Mannes fanden. Der Abgleich mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergab einen Treffer, der Mann ist in Deutschland polizeibekannt - wofür, wollte Soko-Leiter Markus Deindl am Freitag auf einer Pressekonferenz in Weilheim nicht mitteilen. Auf die wechselnden Pflegekräfte in dem Haushalt, darunter die inzwischen verhaftete Polin, hatten Nachbarn zuerst hingewiesen. Der Präsident des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Robert Kopp, lobte die Arbeit der 55 Polizisten in der Soko. Sie hätten sehr professionell, sehr akribisch und zugleich mit Hochdruck ermittelt, sagte er. Auch Soko-Leiter Deindl zeigte sich "sehr stolz" darauf, dass seine Mitarbeiter die Tat in relativ kurzer Zeit so weit aufgeklärt hätten. Man sei aber noch nicht am Ziel, sagte Deindl. So könne es noch einen weiteren Täter geben. Unter anderem geht die Arbeit der Beamten direkt am Tatort in Höfen weiter. Sie werde noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. Bei der Soko sind seit der Tat bislang 180 Hinweise zu der Tat eingegangen.

Königsdorfs Bürgermeister Anton Demmel atmete hörbar durch, als ihn die Nachricht von dem Fahndungserfolg in einem Gespräch mit der SZ erreichte: "Was für eine Erleichterung, das freut mich natürlich!" Im selben Atemzug fügte er jedoch an: "Aber nur zu hören, dass eine Täterin womöglich gefasst ist, das reicht nicht." Für ihn sei es nun genauso wichtig, die Hintergründe der Tat zu erfahren, um die Verunsicherung, die seither im Dorf herrsche, verarbeiten zu können. "Wir waren ja in unserer Gemeinde noch nie so nah dran an einem Gewaltverbrechen wie in diesem Fall. Man kennt eines der Opfer, das Umfeld, die Geschichte. Da spielt es eine große Rolle, zu erfahren, warum, wieso, weshalb so etwas passieren konnte", sagte Demmel. Lückenlose Aufklärung sei nötig, um die Geschichte verarbeiten zu können, für ihn persönlich wie für die Bürger.

Königsdorf: Nach der Tat suchten Polizisten mehrmals die Gegend ab. Dabei stießen sie auf einen verräterischen Gegenstand.

Nach der Tat suchten Polizisten mehrmals die Gegend ab. Dabei stießen sie auf einen verräterischen Gegenstand.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Während im Hauptort Königsdorf bis zum Fahndungserfolg wenig bis gar nicht mehr über den Mord gesprochen wurde, habe ihm zufolge unter den rund 90 Einwohnern Höfens, das etwa zwei Kilometer Luftlinie entfernt liegt, weiterhin "ganz, ganz große Unsicherheit" geherrscht. Deshalb hatte die Polizei am Mittwochabend eine Informationsveranstaltung speziell für die unmittelbar betroffenen Nachbarn aus Höfen veranstaltet. "Warum das Ganze passiert ist, konnten wir an diesem Abend nicht klären", sagte Demmel, der selbst unweit in dem Nachbarweiler Schönrain lebt. Doch die Ermittler hätten an diesem Abend in seinen Ohren bereits sehr zuversichtlich geklungen. "Das hat uns alle hoffnungsvoll gestimmt, dass da ein Erfolg in Aussicht war."

Vor rund zwei Wochen hatte ein Anrufer die Polizei alarmiert, weil in dem Einfamilienhaus "etwas nicht stimme". Polizisten auf Streife entdeckten daraufhin Einbruchsspuren und kontrollierten deshalb das Innere des Hauses. Dabei fanden sie die brutal zugerichteten Leichen von einer 78-Jährigen und einem 81-Jährigen sowie die schwer verletzte Eigentümerin des Hauses, eine 76-jährige Witwe.

Bürgermeister Demmel war einer der ersten, die am Tatort waren. Seit knapp 30 Jahren ist er Mitglied der örtlichen Feuerwehr und wurde deshalb in der Nacht zum Sonntag von der Sirene zum Einsatz gerufen. "Samstagnacht, da denkt man an alles, ein Brand, ein Unfall, aber nicht an eine Wohnungsöffnung". Er sah die Polizisten ins Haus gehen: "Ihre Schreie, die folgten, als sie das Gebäude betraten, werde ich nie vergessen können. Das ging durch Mark und Bein." Und es war ihm spätestens in dem Moment klar, hinter der Tür mussten sie auf eine Szenerie gestoßen sein, die unvorstellbar war.

Tatverdächtiger nach Gewaltverbrechen

Dringend tatverdächtig: Robert Pludowski ist auf der Flucht

(Foto: Polizeipräsidium Oberbayern Süd)

An einen zufälligen Einbruch habe er seither nicht wirklich glauben wollen. Höfen sei ein idyllisch ländlicher Ortsteil, der überwiegend von Familien bewohnt werde, die fast eine "in sich geschlossene Kommune" bildeten. Einzig eine Stichstraße führt zu den Häusern; von der Bundesstraße 11 aus, die an Höfen vorbeiführt, sind sie so gut wie nicht auszumachen. Dort das einzige Haus zu finden mit einer alleinstehenden älteren Dame ohne Hund, "nein, das funktioniert nicht", zu diesem Schluss sei er für sich gekommen.

Noch am Vorabend der Nachricht vom Fahndungserfolg hatte Demmel sichtlich um Fassung ringen müssen, als er in der Gemeinde die jährliche Bürgerversammlung leitete. "Wie fängt man einen solchen Abend an, wenn man daran denken muss, was bei uns im Ortsteil Höfen passiert ist?", fragte er. Er hätte "nie gedacht, dass ein solch schweres, grausames Verbrechen in unseren Breitengraden möglich ist". Er wünschte der Überlebenden "alles, alles erdenklich Gute und möglichst baldige Genesung".

Polizeipräsident Kopp betonte am Freitag, wie sehr die Tat die Menschen verunsichert habe. Sie sei in der Region bisher einzigartig und habe "den Alltag hier ein Stück weit aus den Fugen gebracht". Soko-Chef Deindl bedankte sich auch bei der Bevölkerung für das Vertrauen, das sie der Polizei entgegengebracht habe.

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