Königreich Bayern:Monarchistische Kopfgeburt

Nichts ist unmöglich: Kann Bayern wieder Königreich werden? Und was würde dann geschehen? Zumindest würde Karl-Theodor zu Guttenberg nicht König werden. Ein Essay über Throne, Tore und Träume.

Hans Kratzer

Das Jahr 2011 mag bringen, was es will, zumindest eines ist jetzt schon abzusehen: Der mythenumwobene Bayernkönig LudwigII. wird eine prägende Gestalt des Sommers sein. Touristenheere werden über die Insel Herrenchiemsee herfallen, jenes "bayerische Versailles", das vom Mai bis zum Oktober Schauplatz der Landesausstellung über den "Märchenkönig" sein wird. Die Ekstase ist bereits programmiert, denn LudwigII. gilt als der berühmteste Bayer überhaupt, und darüber hinaus jährt sich sein mysteriöser Tod im Sommer zum 125.Mal - am 13.Juni 1886 schied er im Starnberger See aus dem Leben, wie auch immer.

Trauer um Wolfgang Wagner

Vogelwild, dass sich diese Amsel ausgerechnet auf dem Kopf einer Statue Ludwigs II. niedergelassen hat. Vogelwild auch der Gedanke: Was wäre, wenn Bayern jetzt Monarchie würde?

(Foto: ddp)

Intensiver als je zuvor wird der Ruhm dieses rätselhaften Mannes auch auf das Bayernland fallen, und manche werden sich wieder an den Seufzer des königstreuen Georg Lohmeier bei den großen Gammelsdorfer Kundgebungen vor 30Jahren erinnern: "Wir brauchen keinen König, aber schöner wär's schon."

Bayern war ja nicht immer ein Freistaat, von 1806 bis 1918 war es ein blühendes Königreich. Es war die gute alte Zeit, wie Nostalgiker schwärmen. Die Sehnsucht nach der früheren Eigenstaatlichkeit gedeiht überhaupt sehr gut, je mehr der Zentralismus aus Berlin und Brüssel die freiheitsliebenden Bayern drangsaliert, je mehr die Lasten des Länderfinanzausgleichs und der Finanzspekulanten das Gemüt der Menschen am Fuße der Alpen verfinstern. Höchste Zeit also, zum großen Ludwigs-Jubiläum ein paar Gedanken an eine Rückkehr zur Monarchie zu verschwenden, ungeachtet der Schlagzeilen, die bereits vor unserem geistigen Auge kreisen: "Bayern wieder Königreich, ja spinnen die?" Juristisch zumindest wäre dieser Schritt nicht von vorneherein ausgeschlossen, auch wenn er knifflige Folgen hätte.

Die Liebe zur Monarchie ist in Bayern nie so richtig erloschen. Es ist paradox. Die Bayern waren die ersten, die 1918 die Monarchie abschafften, aber sie waren auch die ersten, die das bereuten. Schon das Begräbnis des letzten Königs LudwigIII. anno 1921 geriet für viele zum monarchistischen Bekenntnis. Sogar im August 1955 flammte es noch einmal auf, als der populäre Kronprinz Rupprecht in München wie ein König zu Grabe getragen wurde. Gleichwohl haben die Königstreuen nie eine Mehrheit im Bayernvolk gefunden, obwohl sie einst im Widerstand gegen Hitler standen und obwohl sogar der Urgroßvater des vielgeliebten Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg in der Weimarer Republik ein lautstarker Anführer der königstreuen Bewegung war.

"Ich kann mir ein Königreich Bayern gut vorstellen"

Freilich, eine Studie der Hanns-Seidel-Stiftung belegt, dass gut 23 Prozent der bayerischen Bevölkerung zumindest mit dem Gedanken eines eigenständigen Bayern sympathisieren (die geringste Neigung verspüren die Franken und die Bewohner des Großraums München). Wen wundert es da, dass sogar Ministerpräsident Horst Seehofer im August vor den Königstreuen in Regensburg (augenzwinkernd) beteuerte: "Wir brauchen Deutschland nicht. Ich kann mir ein Königreich Bayern gut vorstellen."

Vielleicht hatte Seehofer in diesem Moment den Wunschtraum einer bayerischen Fußballnationalmannschaft vor Augen. Wäre Bayern wieder eigenständig, dann wäre sicher eine der wichtigsten Herausforderungen, dass sich das Bayernteam für die Weltmeisterschaft qualifiziert, um dann im Halbfinale auf die Deutschen zu treffen. Bayern-Star Bastian Schweinsteiger im Ländervergleich gegen den Schalke-Torwart Manuel Neuer - der dann aber vermutlich schon Torhüter des FC Bayern ist.

Dieser Fall wirft wiederum die Frage auf, welche Staatsangehörigkeit der Torhüter Neuer in diesem Fall trüge und ob er dann nicht sogar für die bayerische Nationalmannschaft antreten dürfte. Aus Artikel 8 der Bayerischen Verfassung geht nämlich hervor, dass Deutsche ohne bayerische Staatsangehörigkeit, die in Bayern leben, dieselben Rechte und Pflichten haben wie Personen, die die bayerische Staatsangehörigkeit besitzen.

Eine juristische Aufarbeitung der Frage, welche Konsequenzen dies für die Besetzung von Torhütern und sonstigen Staatsposten durch zugewandertes Personal hat, wäre nach Inkrafttreten der Monarchie dringend geboten. Wie im Übrigen auch die Frage zu klären wäre, ob der FCBayern weiter der deutschen Bundesliga angehören oder ob er in die Bayernliga, die dann ja die bayerische Bundesliga wäre, verbannt würde.

Bayern - personell gut gerüstet für die Monarchie

Der Traum von einem eigenständigen Bayern wurde kürzlich auch in einer Radiosendung des Bayerischen Rundfunks hinterfragt, wobei die Macher der Sendung klugerweise nicht nur von einem Traum sprachen, sondern auch die Möglichkeit des Albtraums in Erwägung zogen. Allzu leicht vergisst man in der ersten Aufwallung, dass ein selbständiges Königreich Bayern Probleme mit sich bringen würde, die weit über die Besetzung des Postens des Nationaltorwarts hinausreichten. Allein der Gedanke an den Aufbau eines eigenen Gesundheitswesens oder einer königlich-bayerischen Eisenbahn treibt einem Sorgenfalten auf die Stirn - ungeachtet der Tatsache, dass Bayern zu den wirtschaftlich potentesten Staaten der EU gehören würde.

Könnte aber ein Königreich Bayern überhaupt aus dem politischen Gebilde Bundesrepublik Deutschland austreten? Das ist aus juristischer Sicht eine heikle Frage, deren Beantwortung ganze Bibliotheken füllen könnte. Der Nürnberger Staatsrechtslehrer Karl-Albrecht Schachtschneider jedenfalls zweifelt gemäß einer vor der Bayernpartei vorgetragenen Studie nicht an der rechtlichen Machbarkeit des Austritts aus der Bundesrepublik.

Die Frage sei nur, ob sich dafür politische Mehrheiten fänden. Grundsätzlich kennt das Grundgesetz kein Austrittsrecht der einzelnen Gliedstaaten, aber es gibt viele Interpretationsspielräume wie etwa jenen, wonach der Beitritt zum Grundgesetz gemäß Artikel 178 der Bayerischen Verfassung in freier Selbstbestimmung des bayerischen Volkes erfolgt sei. Nichts anderes kann für den Fall eines Austritts gelten, argumentiert die separationsfreudige Bayernpartei.

Immerhin: Personell wäre Bayern für die Monarchie bestens gerüstet. Wer jetzt glaubt, der König könne nur Karl-Theodor heißen und aus der Familie zu Guttenberg stammen, der irrt. Grundsätzlich hat die Revolution von 1918 alle Bayern gleich gemacht, jeder könnte von Staats wegen König werden. Aber da gibt es noch die Wittelsbacher, die Bayern fast 800 Jahre lang regiert haben. Das Haus habe nach der Abdankung nicht auf seine historischen Rechte verzichtet, sagt der Historiker Hubert Glaser, Ludwig III. habe lediglich die Beamten und Soldaten ihres Treueeids entbunden.

"Das Beste wär eine richtige Anarchie"

Der heutige Chef des Hauses Wittelsbach, Herzog Franz, wäre wohl der erste Anwärter auf den Königsthron und er wäre ein respektabler Kandidat. Als Kunstmäzen und als Veranstalter von hochrangigen Gesprächsrunden repräsentiert er ein ehemaliges Königshaus, das den europäischen Vergleich nicht scheuen muss. Ganz zu schweigen von der Schatzkammer in der Münchner Residenz, gegen deren (wie auch immer erworbene) Preziosen die Truhen anderer Königshäuser geradezu armselig wirken.

Nun ist die Königstreue der Bayern in diesem Blatt schon einmal als ein schwer zu fassendes, vages Gefühl interpretiert worden, das vermutlich nur auf LudwigII. gerichtet ist.

Das wäre freilich eine sehr brüchige Basis für ein eigenstaatliches Königreich Bayern. Bei allem Glanz, den Ludwig verstrahlt, so wird er doch fast exzessiv als eine Art bayerischer Michael Jackson verkitscht und vermarktet. Vielleicht ist die Melange aus Ludwigs-Lust, Separatismusgedanken und Mia-san-mia-Gehabe nichts anderes als die latente Sehnsucht der Bayern nach dem geordneten Irrationalen im Staatswesen, das folgender Witz am besten erklärt. Sagt der eine Bayer: "Das Beste wär halt doch eine richtige Anarchie." Antwortet der andere: "Ja. Aber mit einem starken Anarchen."

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