König Ludwig II. und seine Schlösser:Am Ende blieb nur Herrenchiemsee

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König Ludwig II. wollte sein "Versailles" eigentlich in Linderhof oder bei Ettal bauen, doch nur auf der Insel gab es dafür ausreichend Platz.

Heiner Effern

Eine Notlösung also, ausgerechnet die Herreninsel. Diese grüne Perle mitten im Chiemsee, unvergleichlich hineingeworfen ins Wasser vor den markanten Gipfeln der Chiemgauer Berge. Wegen ihrer Idylle auf Leinwand festgehalten von einer ganzen Kolonie von Malern. Doch für König Ludwig II. war sie der ungeliebte Ausweg aus einer kapitalen Misere: Denn nirgends rund um das geliebte Ettal mit seinem Kloster fanden die Architekten einen ähnlich geeigneten Bauplatz für sein "Versailles", sein Lebensprojekt. "Schließen Sie den Kauf sofort ab, das Gelände scheint entsprechend zu sein", telegraphierte der König am 4. September 1873 dann auch nüchtern an seinen Hof.

Neun Millionen Backsteine mussten mit Kähnen auf die Insel transportiert werden, um dort Ludwigs Vision von einem Schloss zu verwirklichen. (Foto: N/A)

Gut drei Wochen später war der Kauf perfekt, 350000 Gulden bezahlte Ludwig II. an württembergische Holzhändler, die den alten Baumbestand der Insel zu Geld machen wollten. Überschwänglich bedankten sich die Gemeinden rund um den Chiemsee, dass der Insel dieser Frevel erspart blieb. Sogar zum ersten Umweltschützer wurde Ludwig deshalb erhoben, ein Titel, der ihm bis heute anhängt. Und den er völlig zu Unrecht trägt, wenn der renommierte Ludwig-Forscher Alexaner Rauch Recht hat. In dem Band "Herrenchiemsee" jedenfalls räumt er gründlich mit den romantischen Vorstellungen vom naturverliebten Märchenkönig auf.

Er belegt seine These, dass Herrenchiemsee nur einfach genügend unbebaute Fläche für das riesige Projekt bot, unter anderem mit einer Nachricht des Lakaien Mayr an den Hofsekretär Bürkel. "Seine Majestät ist für die hiesige Gegend... nicht eingenommen..., die Kunst allein müsse dieses Unangenehme angenehm machen, und See und Gegend vergessen machen", schrieb Mayr am 29.Dezember 1881 nach München. Karl Hesselschwerdt, einer von Ludwigs engsten Vertrauten in den Jahren vor dessen Tod, notierte am 21. Juli 1885: "Auch wird der Chiemsee so abgesteckt, dass Euere Majestät nichts mehr davon sehen. Wegen der Verdeckung des Sees wurde der allerhöchste Befehl auch Herrn Hofgarteninspector Möhl überbracht." Nicht der Seeblick war wichtig, sondern ein Hauch von Frankreich rundum.

Doch was waren die Alternativen? Am liebsten hätte Ludwig sein Versailles in Linderhof erbaut, doch das dortige Schloss ließ sich nicht mehr wunschgemäß umbauen. Der nächste Versuch ging in Richtung des nahegelegenen Graswangtals, doch der Schloss-Koloss hätte dort die Umsiedlung eines ganzen Dorfes nötig gemacht. Außerdem war es schwierig, ausreichend Wasser für die Prunkbrunnen dorthin zu leiten.

Ludwig-Forscher Rauch ermittelte bei der Durchsicht von mehr als 3000 Briefen im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher, dass auch die Gegend um den Ort Krün als Bauplatz geprüft wurde. Auch hier stellt er die gängige Forschungslage auf den Kopf: Die Fluchtgedanken des mit seinem Amt unzufriedenen Königs hätten niemals der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer gegolten, schreibt Rauch. Vielmehr seien im entsprechenden handschriftlichen Schreiben des Königs die Buchstaben unsauber gelesen worden, richtig sei "Krün" statt "Krim". Doch auch an diesem möglichen Flucht- und Bauplatz gab es Schwierigkeiten mit dem Wasser, es hätte über einen Gebirgsstock geleitet werden müssen.

Nichts ging also mit einem Schloss nahe Kloster Ettal, "Meicost Ettal", wie es Ludwig II. nannte. Zu lesen als Anagramm, die Buchstaben lassen sich auch zu "L' état, c'est moi." verdrehen. Nun also die Herreninsel, immerhin auch in Sichtweite der von Ludwig geliebten Berge. 1874 ließ er sich im früheren Kloster, dem jetzt "Altes Schloss" genannten Gebäudekomplex, eine Wohnung einrichten. Von 1881 bis 1884 wohnte er dort jeweils die erste Oktoberwoche und verfolgte durch ein Fernrohr den Fortgang der Bauarbeiten. Ein Recht, das er den Einheimischen übrigens schon im September 1877 abgesprochen hatte.

So verrieten nur die vielen Hütten und Werkstätten, die zwischen dem Ort Prien und dem jetzigen Hafen in Stock aus dem Boden schossen, etwas über die gigantischen Baupläne auf der abgeriegelten Insel. Und natürlich die Kähne mit Baumaterialien, die zum Beispiel etwa neun Millionen Backsteine auf die Insel transportierten. Dort wurde eigens eine Dampfeisenbahn gebaut, die das Material vom Ufer zur Baustelle brachte. Sogar die Verbindung von Prien und der Insel mit einer Ballon-Drahtseilbahn wurde erwogen, aber als zu unsicher verworfen.

Bis zum Jahr 1885 war der Bau so weit fortgeschritten, dass Ludwig II. ein paar Nächte dort verbringen konnte. Doch schon in den letzten Monaten seines Lebens zogen sich die ersten Firmen wegen der prekären Kassenlage des Königs zurück. Nach seinem Tod wurden zwar noch einige Arbeiten getätigt, vieles verblieb jedoch im Rohzustand. In genau diesen unvollendeten Seitenflügeln ist nun die Landesausstellung über den bayerischen "Märchenkönig" zu sehen.

Mehr zum Thema in: Elmar Schmid, Kerstin Knirr, Alexander Rauch - Herrenchiemsee. Landschaft und Kunst, Verlag Bayerland, 2011, 29,90 Euro.

© SZ vom 28.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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