König Ludwig II.:Die ewige Legende vom Königsmord

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Obwohl es keinerlei stichhaltige Indizien gibt, finden die Spekulationen über den mysteriösen Tod von Ludwig II. kein Ende. Jetzt soll ein unbekanntes Gemälde Beweise liefern.

M. Hummel und H. Kratzer

Jene Abendstunde des 13. Juni 1886, in der König Ludwig II. und der Irrenarzt Bernhard Gudden im Starnberger See den Tod fanden, markiert für alle Zeiten das Ende eines gescheiterten Monarchen.

Das Kaulbach-Gemälde soll einen Mordkomplott an Ludwig II. belegen. (Foto: Foto: ddp)

Gleichzeitig aber legte dieser mysteriöse Tod den Keim für den bis heute fortdauernden Ludwig-Kult. Und er bereitete in seiner Rätselhaftigkeit den Boden für jede Menge Legenden und Verschwörungstheorien.

Erst vor wenigen Tagen trat zum Beispiel der ehemalige Oberkonservator der Staatsgemäldesammlung, Siegfried Wichmann, mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, auf einer bisher unbekannten Skizze von Ludwigs Leichnam sei im Mundwinkel Lungenblut zu erkennen.

Das Gemälde, das der Porträtmaler Hermann Kaulbach kurz nach dem Tod des Königs angefertigt haben soll, deutet laut Wichmann auf einen Lungenschuss und damit auf ein Mordkomplott hin.

Nach Ansicht vieler Historiker ist solchen Spekulationen um eine Ermordung des Monarchen jedoch schon längst der Boden entzogen. Auf Wunsch des Herzogs Franz von Bayern hatte der ehemalige Staatsanwalt und Richter Wilhelm Wöbking nämlich im Jahr 1986 eine umfassende kriminologische und juristische Untersuchung zum Tode Ludwigs II. vorgelegt.

Für diese Arbeit standen ihm sämtliche einschlägigen Bestände der staatlichen bayerischen Archive einschließlich des Geheimen Hausarchivs der Wittelsbacher zur Verfügung. Wöbking dokumentierte die Vorgänge, die zur Entmündigung und schließlich zum Tod des Königs führten, nahezu lückenlos und bewertete die Akten, darunter die Obduktionsbefunde, nach den Maßstäben der modernen Kriminalistik.

Sein Ergebnis lässt für Zweifel keinen Platz: Der Tod Ludwigs und des ihn begleitenden Arztes Dr.Gudden war demnach nicht von dritter Seite verursacht worden. "Insbesondere ist mit Sicherheit Tod durch Schussverletzungen auszuschließen", schreibt Wöbking. LudwigII. habe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an jenem 13. Juni 1886 die schon oft ins Auge gefasste Suizididee verwirklicht".

Die meisten landeshistoriker stützen Wöbkings Aussage vorbehaltslos: "Die Akten geben für die Mordthese nichts her", sagt Hubert Glaser, der ehemalige Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte. "Wöbking hat alles gesagt, dem ist nichts hinzuzufügen", sagt Gerhard Immler, der als Abteilungsleiter im Bayerischen Hauptstaatsarchiv die Ludwig-Akten ebenfalls bestens kennt.

Die "Ludwigologen" halten trotzdem eisern am Glauben fest, dass der König auf der Flucht erschossen worden sei. Der Schriftsteller und Königstreue Georg Lohmaier hatte diese These schon vor Jahrzehnten vertreten, heute sorgen vor allem Historiker wie Peter Glowasz und Erika Brunner dafür, dass die Mordtheorie nicht aus den Schlagzeilen gerät.

In dieselbe Kerbe hauen auch die Guglmänner, ein bayerischer Geheimbund, dessen Mitglieder sich ähnlich wie der Ku-Klux-Clan mit Kutten und Kapuzen vermummen.

Die Meinungen über den Tathergang gehen allerdings weit auseinander. Eine Version besagt beispielsweise, dass der "Kini" aus einem Bootshaus heraus hinterrücks erschossen wurde. Der inzwischen gestorbene Königstreue Albert Widemann vertrat dagegen die Überzeugung, dass der König aus einem Gebüsch heraus mit einem "Wolfstöter", einer abgesägten Schrotflinte ohne Kolben, erschossen wurde. Eine Vielzahl kleiner Bleikugeln habe Ludwig niedergestreckt.

Das Rachemotiv der Gräfin

Bei der Obduktion wären diese freilich unmöglich zu übersehen gewesen, ebenso wie die zwei Einschüsse. Es sei denn, man hätte den Bericht absichtlich gefälscht, was die Anhänger der Verschwörungstheorie ohnehin glauben.

In diesem Fall hätte der ominöse Mantel, den Ludwig bei seinem Tod getragen hatte, viele Einschusslöcher aufgewiesen. Nur zwei will dagegen der Augenzeuge Detlef Utermöhle gesehen haben, wie er kürzlich offenbarte. Die Reichsgräfin Josephine von Wrbna-Kaunitz habe ihm in den 50er Jahren, als er noch ein Bub war, den Mantel mit den beiden Einschusslöchern gezeigt, sagt Utermöhle.

Für die Beweisführung ungünstig ist freilich, dass die Gräfin längst tot und der Mantel verschwunden ist. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass die Gräfin mit den Wittelsbachern verschwägert war und zuletzt im Streit mit ihnen lag, was zumindest ein Rachemotiv erklären könnte.

Flucht zur Kaiserin Sisi

Die Chloroform-Theorie besagt wiederum, dass Ludwig bei seinem Spaziergang mit Gudden überfallen, mit Chloroform betäubt und anschließend in das seichte Wasser des Sees gelegt worden sei, wo er ertrank. Als Beleg nennt der Autor Rudolf Reiser den damaligen Pfarrer von Aufkirchen, der gesagt haben soll: "Alles hat nach Betäubungsmittel gestunken."

Die Guglmänner führen als Verfechter der Chloroform-Theorie sogar den ehemaligen Münchner Weihbischof Johannes Neuhäusler an, der in einer Predigt am 13. Juni 1970 gesagt habe: "Der König starb in Betäubung."

Schließlich gibt es noch die Flucht-Variante. Sie besagt, dass Ludwig versucht haben soll, schwimmend ein Boot zu erreichen, in dem die Kaiserin Sisi auf ihn wartete. Er soll dabei, obwohl er als guter Schwimmer galt, ertrunken sein. Tatsächlich hielt sich die österreichische Kaiserin Elisabeth in jenen Tagen im Hotel Strauch am gegenüberliegenden Ufer in Feldafing auf. Nach der Tragödie war auch sie eine glühende Verfechterin der Mordtheorie. "Umbracht ham's ihn!"

Unter Pragmatikern kursiert noch die Deutung, des Königs Tod sei schlicht ein Versehen gewesen. An jenem denkwürdigen Abend hätten drei Gendarmen im Schlosspark patrouilliert. Eine Flucht des Königs sollte unter allen Umständen verhindert werden. Als einer der Polizisten bemerkte, dass der "Gefangene" plötzlich in den See ging und auf Zuruf nicht reagierte, drückte er einfach ab. Danach habe die Blamage unter allen Umständen vertuscht werden müssen.

Schließlich bleibt noch die offizielle Todesversion, die da lautet: Ludwig wollte im See Selbstmord begehen. Gudden wollte ihn daran hindern. Es kam zum Handgemenge. Der kräftige Ludwig drückte den 62-jährigen Arzt unter Wasser. Danach starb Ludwig in dem etwa 80 Zentimeter tiefen Wasser nicht durch Ertrinken, sondern bei einer Temperatur von zwölf Grad durch Herzschlag.

Sehnsucht nach dem ewigen Rätsel

Die Gerüchte, dass es beim Tod Ludwigs nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, haben laut dem Münchner Historiker Hans-Michael Körner mehrere Ursachen. Das Verhalten des Ministeriums, die mysteriösen Begleitumstände, eine Informationsblockade der Regierung hätten den Mordverdacht spontan und ungesteuert aufkommen lassen.

Für die Bevölkerung musste die Entmündigung Ludwigs wie ein Putsch wirken, sagt Archivar Immler. Er und Glaser halten einen Mord schon deshalb für ausgeschlossen, weil niemand ein Motiv hatte. "Der König war ja schon entmündigt und regierungsunfähig. Er war schachmatt."

Während darüber bei den meisten Historikern kein Zweifel herrscht, ist die historische Bewertung der Entmündigung Ludwigs noch in vollem Gang. Ungeachtet dessen weigern sich die Wittelsbacher beharrlich, die sterblichen Überreste Ludwigs für eine Untersuchung freizugeben und damit die Totenruhe zu stören. Sie tun gut daran, wird der Mythos um Ludwig doch weiterleben. Das war wohl auch sein innigster Wunsch: "Ein ewiges Rätsel bleiben will ich mir und anderen."

© SZ vom 10./11.11.07/zif - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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