Nachruf auf Peter Badura:Wirkmächtig, konservativ, omnipräsent

Nachruf auf Peter Badura: Peter Badura rannte mit seinem juristischen Fachwissen gegen herrschende Meinungen an.

Peter Badura rannte mit seinem juristischen Fachwissen gegen herrschende Meinungen an.

(Foto: Manfred Neubauer)

Er kämpfte vor Gericht für das Kruzifix in Klassenzimmern und gegen die Homo-Ehe: Nun ist der Jurist und langjährige LMU-Professor Peter Badura im Alter von 88 Jahren gestorben.

Von Heribert Prantl

Es war und ist nicht leicht, Edmund Stoiber juristisch zu beeindrucken. Peter Badura hat es ohne Mühe geschafft. Stoiber, selbst ein Exzessiv-Jurist, fand in ihm seinen konservativen Meister - seinen Meister des Rechts. Als Stoiber dem Münchner Staatsrechtsprofessor im Jahr 2004 das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreichte, schwenkte der Ministerpräsident vor Badura das Rauchfass wie der Oberministrant vor dem Erzbischof.

Stoiber, selbst berühmt für seinen Fleiß und seine juristische Effizienz, rühmte in seiner Laudatio mit hörbarem Staunen und allergrößtem Respekt das umfassende, ja opulente, schier explodierende wissenschaftliche Werk von Peter Badura: 79 Bücher und umfassende Buchbeiträge in den Hand- und Lehrbüchern waren es bis dahin, dazu mehr als zweihundert Aufsätze zu grundlegenden Fragen der Staatsphilosophie und des Verfassungsrechts, des Rundfunkrechts, des Allgemeinen Verwaltungsrechts, des Besonderen Verwaltungsrechts und des Europarechts. Damals, bei dieser Zählung, war Badura knapp siebzig Jahre alt, und seine Produktivität war noch ungebrochen. Es gibt kaum ein staatsrechtliches Problem, zu dem er sich nicht profund geäußert hätte. Er war das, was man eine Koryphäe nennt.

Badura war nicht zu übersehen, nicht zu überhören, nicht zu überlesen; nicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur, nicht auf den Staatsrechtslehrer-Tagungen, nicht als Prozessbevollmächtigter vor dem Bundesverfassungsgericht - wo er häufig die unionsgeführten Bundesregierungen oder die CSU-geführte bayerische Staatsregierung vertreten hat. In Karlsruhe war der Auftritt des stämmig-kräftigen Manns mit der markant-dunklen Brille ein konservatives Ereignis - eines, das man nicht vergisst: Badura war kampfeslustig und er verstand es, seine Argumentation gewichtig vorzutragen, verfügte über ein wohldosiertes Pathos. Er hatte wegen seines souveränen Auftretens und seiner All-Präsenz in konservativen Kreisen einen beachtenswerten Einfluss; er war wirkmächtig.

Wenn er im Gerichtssaal zu Karlsruhe aufstand, sein Sakko zuknöpfte, sich reckte und ans Rednerpult trat, dann wusste man: Jetzt wird es ernst. Dann sagte er schon mal zum damaligen Verfassungsgerichts-Präsidenten Ernst Benda, er sei jetzt "zu einer Art Wortgefecht bereit". Ein Beteiligter erzählte grinsend und etwas übertreibend: "Beinah hätte es eine Schlägerei gegeben". Das war vor fast vierzig Jahren, in der mündlichen Verhandlung zur Volkszählung, als Badura der Vertreter der Bundesregierung war und in dieser Rolle die Volkszählung und den damaligen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) verteidigte. Der hatte sich vor Gericht fast beleidigt über das Misstrauen gegen das Volkszählungsgesetz beklagt: "Die Biedermeier-Idylle der gänzlich ungestörten Privatheit des Einzelnen ist Erdenferne oder ober verbrämter Egoismus, der die Interessen der Anderen nicht achtet und sich in Wirklichkeit sogar gegen die eigenen Interessen kehrt."

Badura kämpfte gegen die Homo-Ehe und für das Kruzifix in öffentlichen Gebäuden

Das war von der Denkungsart Baduras nicht weit weg. Aber: Badura und Zimmermann konnten sich nicht durchsetzen. Das höchste Gericht ließ 30 Millionen Formulare für die Volkszählung, die Minister Zimmermann vorbereitet hatte, in den Reißwolf werfen - der Minister und sein Prozessvertreter hatten mit vielem, aber nicht mit dem Datenschutz und dem damals von Karlsruhe neu geschaffenen "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" gerechnet. Baduras Kritik daran hatte allerdings lange Lebensdauer. Er gab dem Gefühl, dass man es mit dem Datenschutz übertreibe, juristischen Ausdruck.

Badura trat in Karlsruhe nicht nur gegen das Volkszählungsgesetz auf. Er vertrat die CSU-Regierung im Kruzifix-Streit, als es um die Kreuze in den Klassenzimmern ging. Er war der Meinung, dass ein Gesetz die Kreuze anordnen dürfe; es müsse halt nur eine Regelung für den Konfliktfall nachgeliefert werden. In jüngerer Zeit machte sich Badura gegen die Gesetze zur Homo-Ehe stark. "Es liegt auf der Hand", sagte er, "dass die Verfassung mit der besonderen Schutzgarantie für die Ehe nicht verschiedene oder alternative Verbindungen von Männern und Frauen gewährleistet oder gefördert sehen will". Das Verfassungsgericht sah das anders. Urteil für Urteil glich es die Homo-Ehe der klassischen Ehe an.

Als der neue Münchner Flughafen gebaut wurde, vertrat Badura die Flughafen München GmbH. In einem Schriftsatz ans Bundesverwaltungsgericht verwahrte er sich wortmächtig gegen die Stadt Freising, die die Rodungen stoppen wollte: Es wurden durch den Flughafen "keine wertvollen Biotope zerstört". Ob er recht hatte? Er bekam jedenfalls recht. In einem langen Interview mit Tilmann Steiner vom Bayerischen Fernsehen sagte Badura 1998: "Die meisten Öffentlich-Rechtler haben eine gewisse konservative Grundhaltung." Ob das wirklich noch so stimmt? Bei Peter Badura konnte man da jedenfalls sehr sicher sein. Aber er hatte auch die Gabe, seine linken oder linksliberalen Gegnerinnen und Gegner mit viel Charme zu umgarnen.

Bis 2002 war er Lehrstuhlinhaber an der LMU München

Badura stammte aus dem oberschlesischen Oppeln; sein Vater, Rechtsanwalt von Beruf, kam am letzten Tag des Zweiten Weltkriegs zu Tode. Die Familie floh ins fränkische Bayern, Badura machte Abitur in Hof, studierte in Erlangen und Berlin, wurde 1964, im Alter von nur dreißig Jahren, Ordinarius in Göttingen, ging dann 1970 nach München, war dort bis 2002 Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Rechts- und Staatsphilosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nachfolger auf diesem Lehrstuhl ist der Bundesverfassungsrichter Peter M. Huber.

Badura lebte in Kochel am See, der Maler-Heimat von Franz Marc und der Heimat des legendären Schmieds von Kochel. Daran, dass es in Kochel ein Franz-Marc-Museum gibt, hat Badura einigen Anteil. Und der Schmied von Kochel ist in Oberbayern ein Volksheld; er soll einst nur mit einer Stange bewaffnet das Stadttor von Belgrad eingerammt haben. Das passt: Peter Badura ist gegen herrschende Meinungen mit seinem juristischen Fachwissen angerannt. Er war der Jurist von Kochel. Am vergangenen Mittwoch ist er im Alter von 88 Jahren gestorben.

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