Koalitionsvertrag:"Das sind Vereinbarungen und die kommen!"

Schwarz-gelbe Bruchstellen: Vor dem CSU-Parteitag widerspricht Parteichef Seehofer dem künftigen Finanzminister Schäuble beim Thema Steuern - und bremst den Reformeifer des FDP-Gesundheitsministers Rösler.

Horst Seehofer gibt sich alle Mühe, den Koalitionsvertrag als Erfolg zu verkaufen. Er sei mit dem Werk "absolut" zufrieden. Was er selbst und die CSU im Wahlkampf versprochen hätten, das sei "auf Punkt und Komma gekommen", erklärte der CSU-Chef vor Beratungen der CSU-Gremien in München.

Horst Seehofer, ddp

Beharrt auf Steuersenkungen und widersetzt sich einer schnellen Reform des Gesundheitssystems: CSU-Chef Horst Seehofer.

(Foto: Foto: ddp)

Jenseits von Punkten und Kommata herrscht offenbar aber wenig Einigkeit in der künftigen Koalition. Vor allem die versprochenen Steuersenkungen und die Reform des Gesundheitssystems machen kurz vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrages erste Bruchstellen zwischen CDU, CSU und FDP sichtbar.

So löste Wolfgang Schäuble, designierter Finanzminister, bei Horst Seehofer Irritationen aus, als er die für 2011 versprochenen Steuersenkungen in der ARD-Sendung "Anne Will" nicht definitiv zusagen wollte.

Die schwarz-gelbe Koalition werde alles tun, damit die versprochenen Steuerentlastungen von 24 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag von 2011 an angekündigt werden, auch kommen, sagte Schäuble. Er wolle aber kein Versprechen abgeben.

Seehofer sieht das anders: "Das sind Vereinbarungen und die kommen!", beteuerte der CSU-Chef. Erste Entlastungen gebe es 2010, "und der Rest kommt dann 2011".

Dafür übernimmt Seehofer bei der Gesundheitspolitik die Rolle des Bremsers, was wiederum bei FDP und CDU auf Kritik stieß. Seehofer betonte erneut, im Gesundheitssystem ändere sich zunächst gar nichts. Wenn die geplante Regierungskommission 2010 ihre Arbeit aufnehme, dann werde eine "langfristige Gesundheitspolitik definiert", betonte der bayerische Ministerpräsident

Auch Volker Kauder bremst den Reformeifer des designierten Gesundheitsministers Philipp Rösler (FDP). Es werde "auf jeden Fall zu einer Prämie kommen, aber nicht zu einer sogenannten Kopfpauschale", sagte der Unionsfraktionschef. Dass jeder dasselbe für die Gesundheitsleistungen zahle, "das gibt es mit uns nicht".

Zunächst bleibe es beim jetzigen System, dann werde sich die geplante Kommission um die Weiterentwicklung kümmern. Union und FDP wollen den Gesundheitsfonds langfristig auf den Prüfstand stellen. Die Liberalen hatten die Abschaffung gefordert. Rösler betonte hingegen, bei der Reform der gesetzlichen Krankenversicherung werde es einen Systemwechsel geben.

Der bisherige CDU-Generalsekretär Pofalla sagte dagegen der Passauer Neuen Presse: "Für die Union gilt grundsätzlich: Der Gesundheitsfonds steht nicht zur Disposition." Den Finanzpool verwalteten gerade mal 21 Mitarbeiter. "Eine so schlanke Einrichtung im Gesundheitsbereich hat es noch nie gegeben." Es gehe allenfalls darum, das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung weiter zu optimieren.

Union und FDP hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, die Krankenkassenbeiträge von 2011 an zum Teil auf einkommensunabhängige Prämien umzustellen. Für Geringverdiener soll es einen steuerfinanzierten Sozialausgleich geben. Seehofer hatte aber schon bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages deutlich gemacht, dass es aus seiner Sicht noch keinerlei Festlegungen gebe.

Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder zeigte sich davon überzeugt, dass der Gesundheitsfonds abgeschafft werde. "Der Fonds ist Geschichte. Es wird ein neues System etabliert werden", sagte der CSU-Politiker. Aufgabe der CSU sei es, dafür zu sorgen, dass nicht die ganzen Lasten auf die kleinen Leute abgewälzt würden. "Eine Kopfpauschale in reinster Form wird es nicht geben."

Die neue Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, forderte dagegen erneut einen schnellen Systemwechsel. Diesen Anspruch hätten Union und FDP auch im Koalitionsvertrag festgehalten, sagte Homburger im ARD-"Morgenmagazin". "Das bedeutet, das wird nicht zum 1.1.2010 direkt alles umgesetzt. Aber es ist ganz klar vereinbart." Auch der Gesundheitsfonds könne so nicht bleiben.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte dazu im selben Sender: "Der Gesundheitsfonds bleibt."

FDP rät zur Gelassenheit

Gleichzeitig trat die FDP der Sorge entgegen, die Pläne für ein Gesundheitssystem mit pauschalen Beiträgen könnten zu neuer Ungerechtigkeit führen. Auf die Versicherten kämen keine übermäßigen Belastungen zu, sagte der designierte Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr der dpa. "Einige Befürchtungen und Anfeindungen entsprechen gar nicht dem, was im Koalitionsvertrag steht." An die Adresse der Koalitionspartner von CDU/CSU sagte Bahr: "Ich rate allen zu Ruhe und Gelassenheit."

Die Regierungspartner hätten genug Zeit, mit Sach- und Fachverstand über die künftige Gesundheitspolitik zu diskutieren, sagte Bahr. "Die Aussagen des Koalitionsvertrags sind eindeutig. Es gibt eine Regierungskommission mit einem klaren Auftrag." Bahr versicherte: "In den nächsten Monaten bleibt es zunächst einmal so, wie es ist." Dann gelte das Ziel, mittelfristig ein robustes System aufzubauen. "Das bestehende Ausgleichssystem wird in eine neue Ordnung überführt."

Allen Streitigkeiten zum Trotz werden die Spitzen von Union und FDP den Koalitionsvertrag am Montagabend unterzeichnen. Der CSU-Vorstand stimmte dem Berliner Koalitionsvertrag bereits einstimmig zu. Auch die kleinen Parteitage von CDU und CSU werden die Vereinbarung wohl ohne Murren absegnen. Doch der Streit dürfte damit nicht beendet sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: