Koalitionsverhandlungen:Bauernopfer in Berlin

Egal, wie sehr Ilse Aigner den Eindruck der Zweiflerin vermeiden will. Die Gerüchte kann sie nicht stoppen: Demnach will die CSU das Landwirtschaftsministerium abgeben - aus gutem Grund.

S. Braun und D. Kuhr

Offiziell lautet die Parole der Koalitionäre: erst die Inhalte, dann die Ressortverteilung, dann die Personen. Doch obwohl sich viele dran halten, gibt es rund um manche Arbeitsgruppe in den schwarz-gelben Verhandlungen wilde Spekulationen, wer wofür kämpft und wer anderes womöglich scheuen könnte.

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Zu hören ist das aktuell vor allem in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft, Umwelt, Verbraucherschutz. Denn seit der Wahl wuchern in der CSU Gerüchte, sie könnte diesmal nein sagen und offensiv auf das Landwirtschaftsministerium verzichten. Ministerin Ilse Aigner selbst kämpft zwar um das Ressort, aber andere in ihrer Partei halten das für einen Fehler.

Aus der Arbeitsgruppe ist zu vernehmen, dass Aigner dort derzeit alles tue, um den Eindruck einer Zweiflerin zu vermeiden. Sie ackere und tue und setze Ideen, so beschreiben es Mitglieder. Sie zeige so, dass sie ihr Amt unbedingt fortsetzen möchte.

Zugleich ist aus der Berliner CSU-Landesgruppe wie aus der Münchner Parteiführung zu hören, dass nicht wenige hinter vorgehaltener Hand empfehlen, auf dieses Ministerium zu verzichten. Ihre Begründung: Die letzten vier Jahre hätten gezeigt, wie schwer es sei, auf diesem Feld politisch noch zu punkten.

Gravierendstes Beispiel: die Milchbauern und ihre Proteste gegen das Establishment. Adressaten sind auch die Christsozialen, die sich bislang als Interessenvertreter der Bauern verstanden.

So hatte Aigner sich in den vergangenen Monaten mehrfach für sie eingesetzt und versucht, ihre Wünsche zu erfüllen. Doch häufig scheiterte die Ministerin, entweder an der Mehrheit der Mitgliedstaaten in der EU oder an den Bundesländern in Deutschland, die ganz überwiegend andere Vorstellungen von der Zukunft der Milchbauern haben als die CSU. Und so ist es wenig erstaunlich, dass die Milchpolitik einer der Punkte ist, über den die Parteien in der Arbeitsgruppe am heftigsten streiten.

Zweiter großer Konfliktpunkt ist die Gentechnik. Während FDP und Union diese Technologie fördern wollen, ist die CSU in den vergangenen Monaten auf den gentechnik-ablehnenden Kurs der Verbraucher eingeschwenkt. "Wir wollen keine kommerzielle Gentechnik in Bayern", sagte der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) vor Beginn der Verhandlungen am Montag.

Er fordert eine Öffnungsklausel, nach der jedes Bundesland selbst entscheiden kann, ob es den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen erlaubt oder nicht. In der FDP hält man diese Position für unsinnig. "Aber wenn die CSU die Option unbedingt haben will, würden wir uns unter ein paar engen Voraussetzungen darauf einlassen", sagte der FDP-Agrarexperte Hans-Michael Goldmann. Im Gegenzug müsse die CSU unter anderem das bundesweite Anbauverbot von Mais der Sorte Mon 810 wieder rückgängig machen.

Dieser Mais ist bislang die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die in der EU für den kommerziellen Anbau zugelassen ist. Bei anderen Pflanzen ist der Anbau lediglich zu Versuchszwecken erlaubt. Mitte April hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner die anstehende Aussaat des Genmaises in Deutschland überraschend verboten, weil sie Hinweise sehe, dass von dieser Sorte Gefahren für die Umwelt ausgingen. Die Entscheidung war sehr umstritten.

Einig ist sich die Arbeitsgruppe dagegen in ein paar anderen Punkten. So soll die Finanzaufsicht künftig auch dem Schutz der Verbraucher dienen. Zudem sollen Lebensmittelimitate eindeutig erkennbar sein. Die von Verbraucherschützern geforderte Ampel-Kennzeichnung in den Farben Rot, Gelb und Grün lehnen Union und FDP dagegen ab.

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