Koalition in Bayern:Zwei Jahre Wahlkampf

Die FDP hat es CSU-Chef Seehofer vermasselt, den Freistaat an die Spitze der Ausstiegsbewegung zu setzen: Der Atomstreit markiert einen Wendepunkt für die schwarz-gelbe Koalition in Bayern - von jetzt an wirbt jeder für sich.

Mike Szymanski

Es bleibt nur ein Schulterzucken. Wunschkoalition? Seehofer starrt ins Leere. Das ist so ein Wort von früher. Seehofer wirkt, als würde er es im Kopf drehen und wenden, aber egal wie er es dreht und wendet, für diese Beziehung will es nicht passen. Also zuckt er nur leidenschaftslos mit der Schulter.

BayernLB-Vorstandschef fuer HGAA-Debakel verantwortlich gemacht

Zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) ist die Stimmung seit dem Streit um den Atomausstieg besonders schlecht.

(Foto: ddp)

Es ist Montag und der CSU-Vorstand hat gerade getagt. Seehofer plaudert anschließend noch mit Journalisten. Natürlich kommt die Frage, wie es nach dem heftigen Atomstreit in der schwarz-gelben Koalition weitergeht. Die FDP hat es Seehofer vermasselt, den Freistaat an die Spitze der Ausstiegsbewegung zu setzen. Die Liberalen hatten sich geweigert, sich auf 2022 als Ausstiegsdatum festzulegen. Deshalb konnte Bayern auch nicht als Vorreiter später bei den Verhandlungen in Berlin auftreten. Seehofer ist immer noch sauer. Er sagt, was er den ganzen Tag zu den Koalitionsquerelen sagt: "Ich beschäftige mich nicht mit der Vergangenheit."

Was viel auffallender ist: Er beschäftigt sich - was die Koalition angeht - offenbar auch nicht mehr mit der Zukunft . Am Freitag treffen sich die Koalitionsspitzen. Aber Seehofer macht nicht den Eindruck, als ob er sich davon viel verspricht. Im Moment wirkt Seehofer, als sei ihm diese Koalition egal.

Der Atomstreit markiert einen Wendepunkt im schwarz-gelben Zusammenleben. Dieses Mal ist wirklich etwas zu Bruch gegangen. Man muss nur in die Parteispitzen hineinhorchen. Seehofer spricht von einer "ernsten Sache". CSU-Fraktionschef Georg Schmid wünscht sich ein Ende der "Irritationen". Bayerns FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß sagt: "Dieser Streit hinterlässt Spuren." Und man ahnt: So leicht wie sich FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorstellt, ist dieser Konflikt nicht beizulegen. "Eine Belastung der Koalition entsteht nur dann, wenn man übereinander schlecht in den Medien redet", hatte sie kürzlich erklärt.

Das Problem ist nur: Seehofer und sein Regierungsvize, Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) reden im Moment so gut wie gar nicht mehr miteinander. Sie haben sich im Atomstreit derart heftig überworfen, dass schwer vorstellbar ist, wie diese Koalition überhaupt wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückfinden will.

Seehofer wirft Zeil vor, sich erst kompromissbereit gezeigt und dann doch einen Rückzieher gemacht zu haben. Zeil will von einem Kompromissangebot seinerseits nichts wissen. Munter wird spekuliert, wer was in vertraulichen Gesprächen gesagt haben soll und unterschwellig schwingt der Vorwurf mit: einer lügt.

CSU und FDP in Bayern, das war nie eine Wunschkoalition. Seehofer nannte sich und Bayerns FDP-Chefin Leutheusser-Schnarrenberger zu Beginn der Koalitionsregierung ein Dream-Team. Von wegen. Die FDP ist für die CSU eine Fessel, vom Bürger nach der herben Wahlniederlage 2008 angelegt, von der sich die Partei bei der Landtagswahl 2013 aber am liebsten wieder befreien möchte. Und so behandelt Seehofer die FDP auch.

Durchwachsene Halbzeitbilanz

Kaum ein anderer hat das in Bayern in den vergangenen zweieinhalb Jahren so heftig zu spüren bekommen wie Wirtschaftsminister Zeil. Schon vor der Bundestagswahl 2009 hat Seehofer die FDP ins Visier genommen. Er ließ Zeil während der Wirtschaftskrise in aller Öffentlichkeit kaltherzig aussehen und gab den mitfühlenden Firmenretter. Je näher der Wahltermin heranrückte, desto mehr gifteten sich Zeil und Seehofer an. Die Attacken hörten erst auf, als die Liberalen in Bayern am Wahlabend fast 15 Prozent erreicht hatten, die CSU aber von etwa 50 auf knapp 43 Prozent fiel. Für die CSU hatte sich der Streit nicht ausgezahlt.

Heute sieht die Lage anders aus. Die CSU hat sich wieder stabilisiert und die FDP kommt in Umfragen nur noch auf vier Prozent. Sie ist damit kein stabiler Pfeiler der Regierung mehr. Die Bilanz der schwarz-gelben Koalition zur Halbzeit ist durchwachsen. Der Wirtschaftsboom erlaubte den Koalitionären zwar, neben einem Haushalt ohne neue Schulden ein milliardenschweres Investitionsprogramm aufzulegen. Dann aber hören die Gemeinsamkeiten schon auf.

Der Atomstreit läutet nun die zweite Hälfte der Legislatur ein. Für die Koalitionäre hat der Wahlkampf mit Blick auf die Landtagswahl 2013 begonnen, diese Einsicht festigt sich in den Spitzen von CSU und FDP. Generalsekretärin Miriam Gruß sagt: "Der Wettbewerb nimmt zu." Und ihr Parteifreund, Fraktionschef Thomas Hacker, erklärt zum Binnenklima: "Wir sind doch nicht zur Harmoniesucht verpflichtet." Zur Koalitionsarbeit gehöre eben "das Ringen um die beste Lösung". Jetzt wird gerungen.

Seehofer fühlt sich stark. Lange wusste er nicht, was er mit seiner Macht anfangen soll. Jetzt will er die Energiewende vollziehen und träumt von einem grünen Bayern mit Solarzellen auf der Staatskanzlei und Ökostrom für seine Modelleisenbahn in seinem Ferienhaus. Es gibt Mitglieder im Parteivorstand, die von Schwarz-Grün träumen, weil man in der Atomfrage ja einer Meinung sei. Und die FDP sitzt mit ihrem Zögern beim Ausstieg in der Atomfalle fest. Sie hat keine Idee für den Freistaat, und wie es im Moment aussieht, nicht den Atem, zwei Jahre Wahlkampf durchzustehen. Generalsekretärin Gruß mahnt: "Es darf keinen Stillstand in der Zusammenarbeit geben." Aber Seehofer hat sein Wahlkampfthema schon gefunden - und es funktioniert gegen die FDP.

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