Süddeutsche Zeitung

Kloster Waldsassen:Essen wie die Schwestern

Sogar aus der Staatskanzlei kommen Gäste: Im mittelalterlichen Trakt des Klosters Waldsassen gibt es edle Hotelzimmer, im Stiftsrestaurant Ländliches aus der Region. Die Bibliothek hier ist weltberühmt.

Dummheit, Zorn, Spottlust, Eitelkeit - in der Stiftsbibliothek Waldsassen warnen zehn hölzerne Personifikationen dieser Laster vor den Gefahren sinnentleerter Gelehrsamkeit. Oder sollen die Erkenntnisse, die Bücher vermitteln, vor solch verderblichen Regungen schützen?

Die Atlanten, von Karl Stilp zwischen 1724 und 1726 geschnitzt, tragen die Emporen, auf denen sich die Bücher in Regale reihen. Im lichten Bibliothekssaal gesellen sich zu den Narrenfiguren die Porträtbüsten antiker Herrscher und Denker. In den Deckenfresken begegnen dem Besucher Szenen aus dem Leben des Ordensheiligen der Zisterzienser, Bernhard von Clairvaux, und in Medaillons die Kirchenväter - ein Hinweis darauf, wie alle Gelehrsamkeit zum göttlichen Ziel führen soll. Seit Markgraf Diepold III. von Vohburg-Cham 1133 Zisterziensermönche aus Thüringen an das Ufer des Flüsschens Wondreb in der Oberpfalz holte, durchlebte die Abtei eine wechselvolle Geschichte.

Eine Blütezeit brachte der Barock, aus dieser Zeit stammen Kirche und Konvent - und die weltberühmte Bibliothek. 1803 kam das Aus durch die Säkularisation. Doch Waldsassen bekam eine weitere Chance: 1863 wagten Zisterzienserinnen aus Seligenthal in Landshut den Neuanfang, gründeten eine Schule und wirkten in Waldsassen, das durch die Nähe zum Eisernen Vorhang etwas ins Abseits geraten war. Als der Fortbestand des Klosters erneut gefährdet schien, diesmal durch Personalmangel, rettete 1995 die Äbtissin M. Laetitia Fech durch ihr Engagement die Gemeinschaft, die inzwischen wieder Klostereintritte verzeichnet. Und Gäste empfängt, sogar aus der Staatskanzlei.

Im mittelalterlichen Trakt der Abtei wurden Mauern freigelegt und darin edle Hotelzimmer eingebaut, überformt von moderner Architektur. Im Stiftsrestaurant gibt es Ländliches aus der Region und das Tagesgericht "Essen wie die Schwestern" - ein schönes Zeichen der Verbundenheit.

Haus St. Joseph, Basilikaplatz 2, 95652 Waldsassen, Bibl. geöffnet Palmsonntag bis 31. Okt., Di.-Fr. 11-16 Uhr, Sa. 10-16 Uhr, Restaurant: warme Küche tgl. 11.30-14 Uhr, 17.30-20 Uhr, 09632/923880

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SZ-Extra vom 16.5.2012/itb/afis
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