Empört, aufgebracht, konsterniert - so haben SPD, Grüne und Linkspartei reagiert, als sie erfuhren, dass die bayerische CSU-Landtagsfraktion für diesen Mittwoch Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán eingeladen hat. Ausgerechnet Orbán, der in den vergangenen Wochen durch seinen menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen immer wieder die Schlagzeilen beherrscht hat.
Alle drei Parteien waren deshalb fest entschlossen, zu der Klausurtagung der CSU-Fraktion ins oberfränkische Banz zu reisen, um dagegen zu protestieren. Orbán, die CSU, ja die ganze Welt sollte erfahren, dass die Opposition diese Einladung des Rechtspopulisten auf das Schärfste verurteilt.
Grüne Spitzenpolitiker schimpfen auf Orbán
Doch um 9:10 Uhr steht exakt ein Politiker vor den Toren des Kloster Banz: SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Die anderen kämen noch, sagt er, aber er könne ja schon mal die Gelegenheit nutzen, um klarzustellen: "So jemanden lädt man nicht ein, zu so jemandem geht man auf Distanz!"
Dann eilen eine junge Frau und ein Mann herbei und rollen ein Plakat aus, von den Grünen. Verzweifelte Menschen hinter einem Stacheldrahtzaun sind darauf zu sehen. Drunter steht: "Herr Seehofer, ist das Ihr Vorbild für Bayern?"
Mit etwas Verspätung kommt auch die Landesspitze der Grünen, um vor dem Kloster gegen den Besuch zu demonstrieren. "Orbán tritt die europäischen Werte mit Füßen. Man muss mit ihm reden, aber man lädt ihn nicht zu einer Klausur ein. Das ist absolut skandalös", schimpft der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter. Und Landtags-Fraktionschefin Margarete Bause betont: "Seehofer bietet Orbán eine Propagandabühne, er zeigt sich als sein Bruder im Geiste." Das sei unerträglich, findet sie und fügt hinzu: "Natürlich muss man mit Orbán sprechen, aber man muss ihn kritisieren."
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"Es kann nicht sein, dass die einen für die Moral und die Menschlichkeit zuständig sind und die anderen für die Arbeit und die Ressourcen": Der CSU-Chef erneuert vor dem Spitzentreffen in Berlin seine Kritik.
Böse Worte muss Orbán nicht fürchten
Orbán selbst sehen sie nicht mehr ankommen. Um etwa zehn Minuten verpassen die Grünen die Ankunft des Ungarn: Für 9:20 Uhr ist Viktor Orbán angekündigt. Und exakt um diese Uhrzeit fährt sein schwarzer Minivan dann auch durch das Eingangsportal des Klosters. Im weitläufigen Innenhof steht bereits Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und begrüßt den Ungarn.
Dicht umringt von Bodyguards und Kameraleuten schreiten die beiden die steile Auffahrt zum Eingang des Klosters empor. Von draußen hört man die zwei Pfeifen, die aufgeregt, aber doch insgesamt etwas kläglich trillern. Orbán muss schon sehr aufmerksam gewesen sein, wenn er überhaupt etwas von den Protesten mitbekommen haben will.
Als die Oppositionspolitiker eintreffen, haben sich er und Seehofer längst zu einem Vier-Augen-Gespräch in einen der abgeschiedenen Räume des Klosters zurückgezogen. Anschließend wird Orbán im kleinen Kreis mit Spitzenvertretern der CSU sprechen und am Mittag mit der gesamten CSU-Fraktion. Allzu böse Worte wird er dort nicht befürchten müssen. Erst am frühen Nachmittag wird sich der Ungar der Presse stellen. Dann geht es für ihn direkt weiter zum nächsten Termin nach Brüssel. Denn dort treffen sich bereits um 18 Uhr die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Sondergipfel, um Lösungen für das Flüchtlingsdrama zu finden.
Orbán weiß die knapp bemesse Zeit, die er in Bayern verbringt, gut zu nutzen. Für ein Treffen mit einem alten Bekannten ist er sogar einen Tag früher angereist. In einem Bamberger Hotel saß Orbán anderthalb Stunden mit Edmund Stoiber zusammen. Die beiden kennen sich lange, mehr als 20 Jahre, sagt Stoiber hinterher. Für das Treffen hat Bayern-Fan Stoiber sogar auf das Fußballspiel verzichtet, das sein Club in einem legendären Spiel 5:1 gegen Wolfsburg gewann.
Der frühere CSU-Chef zeigt Verständnis für den Ungarn. "Ich glaube, dass er nicht objektiv bewertet wird in Deutschland", sagt Stoiber. Orbán habe sich überrascht gezeigt von der harschen Kritik, die ihm aus Deutschland entgegengebracht werde. Warum niemand den Zaun in Spanien kritisiere oder jenen in Calais, habe er gefragt.
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Die Kritik an seiner Partei weist Stoiber zurück. Die Einladung Orbáns zeige die Unvoreingenommenheit der CSU, "dass sie sich nicht von Stimmungen wegtragen lässt", sondern objektiv mit ihm spreche, der gerade die größtem Schwierigkeiten habe, die Grenzen zu sichern.
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"Orbán tritt die europäischen Werte mit Füßen. Man muss mit ihm reden, aber man lädt ihn nicht zu einer Klausur ein", schimpfen die Grünen. Der frühere CSU-Chef Stoiber verteidigt den ungarischen Rechtspopulisten: "Ich glaube, dass er nicht objektiv bewertet wird in Deutschland."
Stoiber: Krise kann nur gemeinsam gelöst werden
Die Krise könne nur gemeinsam gelöst werden, wird Stoiber nicht müde zu betonen. "Wir brauchen ein europäisches Asylrecht, wir brauchen europäische Standards." National können das weder Deutschland noch Ungarn noch Frankreich lösen.
Orbán habe beklagt, dass die Stimmung in Ungarn von den Deutschen kaum zur Kenntnis genommen werde. "Ihr messt alles nach eurem Standard", habe er gesagt. Stoiber fordert gemeinsame europäische Standards "und das kann nicht der deutsche sein", sagte er.