Klinik am Tegernsee:Zu nah am Wasser gebaut

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Am Tegernsee kochen die Emotionen wegen eines geplanten Klinikneubaus hoch. (Foto: Johannes Simon)

Heftiger Streit im Tegernseer Tal: Die Deutsche Rentenversicherung will ihre Orthopädische Klinik direkt ans Seeufer bauen. Seeschützer und Lokalpolitiker lehnen das 70-Millionen-Euro-Projekt ab.

Von Heiner Effern, Tegernsee

Nach dem erbitterten Streit um Gut Kaltenbrunn droht am Tegernsee erneut eine harte Auseinandersetzung um ein Bauprojekt. Die Deutsche Rentenversicherung will an einem der markantesten Plätze des Tals ihre Orthopädische Klinik für 70 Millionen Euro fast komplett neu errichten. Die Gebäude sollen sechs Geschosse hoch werden und deutlich näher ans Wasser heranreichen als bisher. Gegner warnen vor einem "Moloch". Der Bürgermeister von Tegernsee wünscht eine Umplanung, die Nachbargemeinde Rottach-Egern kündigt eine Klage an. Die Rentenversicherung will ihre Pläne aber so umsetzen, wie sie bis Montag im Rathaus der Stadt Tegernsee öffentlich auslagen. "Im Falle einer Ablehnung muss über die Zukunft der Klinik erneut beraten werden", heißt es in einer Erklärung.

Der Tegernsee endet im Süden in einer weiten Bucht, an deren Ufer der Nobelort Rottach-Egern liegt. Am Eingang ragt eine grüne Landzunge in den See, die Point, die als eine der herausragenden Plätze im gesamten Tal gilt. Hier will die Rentenversicherung bauen. Ähnlich prominent direkt gegenüber liegt das Hotel Überfahrt, das Heimatschützern wie Angela Brogsitter-Finck von der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) noch heute schmerzt. "Ein solch massiver Baukörper in unmittelbarer Nähe des Sees darf nie wieder passieren", sagt sie. Doch sie fürchtet: Genau das soll nun geschehen.

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Der Münchner Gastronom Michael Käfer soll es richten: Fünf Jahre lang lag einer der schönsten Biergärten des Freistaats brach, nun gibt es ein Konzept für Gut Kaltenbrunn am Tegernsee. Die Wirtschaft soll 2015 eröffnet werden und eine zweite Terrasse bekommen.

Von Heiner Effern

Steigenden Anforderungen gerecht werden

Bisher sind die Gebäude der Orthopädischen Klinik hinter Bäumen gut versteckt. Die Neubauten sollen deutlich näher ans Wasser heranrücken. Projektgegner sprechen von zehn Metern Abstand, im Tegernseer Rathaus hat man 45 Meter errechnet. Der Grund für den Neubau sei nicht die schlechte Substanz der Gebäude, erklärt ein Sprecher der Rentenversicherung. "Vielmehr stehen in der Klink erhebliche Instandhaltungsmaßnahmen an, bei denen wir die stetig steigenden Anforderungen an die Rehabilitation, zum Beispiel an die Barrierefreiheit oder an das Therapieangebot, berücksichtigen müssen."

Zugleich würde die Kapazität um 20 Betten erweitert. Eine andere Möglichkeit, die Klinik und die 120 Arbeitsplätze langfristig zu sichern, sieht die Rentenversicherung nicht. Denn bei einer Umplanung ergäben sich "zum Beispiel erhebliche Verschlechterungen der Arbeitsprozesse, Einbußen bei der Wirtschaftlichkeit und Lärmbelästigungen für mehr als 25 Prozent unserer Patientinnen und Patienten".

Seeschützer fürchten, dass die Einbußen für die Öffentlichkeit dramatischer ausfallen könnten. Dass sich für alle außer den Patienten eine dauerhafte Verschlechterung der Lebensqualität im Tal ergeben könnte. Besonders ärgert Angela Brogsitter-Finck, dass die Rentenversicherung sich trotz eines stetig anwachsenden Protestes unbeeindruckt zeigt und schon darauf verwies, dass man die Klinik nicht unbedingt am Tegernsee betreiben müsse. "Mit einer gewissen Arroganz geäußerte Drohungen greifen nicht und sind nicht hilfreich", sagt sie.

Bei diesem Projekt sind alle dagegen

Oft stand Brogsitter-Finck mit ihrer Schutzgemeinschaft beim Kampf gegen den ungezügelten Bauboom im Tal alleine da, diesmal jedoch weiß sie die Lokalpolitik auf ihrer Seite. Nur in der Tonlage gibt es Unterschiede. Die Gemeinde Rottach-Egern, deren Gebiet nur wenige Meter hinter der Point beginnt, will sogar mit einer Klage gegen die Baupläne vorgehen, wenn sie nicht mehr überarbeitet werden. Und auch die Stadt Tegernsee steht nach einem Bürgermeister-Wechsel im März den insgesamt vier neuen Gebäuden kritischer gegenüber. "Ich persönlich wünsche mir, dass umgeplant wird", sagt Bürgermeister Johannes Hagn (CSU).

Der neue Stadtrat werde die Einwände, die nach der öffentlichen Auslegung der Baupläne eingegangen seien, genau prüfen und abarbeiten. Wenn die Nachbarn aus Rottach-Egern sogar eine Klage ankündigten, fasse er das nicht als Affront auf, sagt Hagn. Dazu muss man wissen, dass es seit Jahrzehnten einen ungeschriebenen Pakt der Seegemeinden gab. Der lautet: Jede Kommune darf auf ihrem Gebiet bauen lassen, wie sie will. Doch die Zeiten haben sich geändert. Das gelte auch für die Haltung der Stadt Tegernsee zu den Bauplänen der Klinik. "Man muss mal sehen, von wann die stammen. Vor zwölf Jahren lag Tegernsee finanziell und auch optisch darnieder", sagt Bürgermeister Hagn. Was er nicht ausdrücklich sagt, aber meint: Im Jahr 2014 muss die Gemeinde nicht mehr jede Idee eines Investors abnicken, nur um ihn zu halten.

Ein Kompromiss scheint möglich

Wobei für Bürgermeister Hagn weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Klinik das erste Ziel ist. Dafür müsste man die unterschiedlichen Sichtweisen aufgeben: "Wir nähern uns den Plänen nur von außen: Wie sieht es aus." Die Klinik denke nur von innen heraus: "Was braucht sie für den Betrieb?" Sollten sich beide bewegen, hält Hagn einen Kompromiss für möglich. Ziel der Stadt müsse sein: Die neuen Klinikgebäude dürfen nicht näher ans Wasser als die der Nachbarn. Dafür müsse man eventuell auch Zugeständnisse machen. "Die Frage ist: wie viele."

Seeschützer wie Angela Brogsitter-Finck werden sich dafür einsetzen, dass diese möglichst gering ausfallen. "Das Gesamtbild der Point darf nicht zerstört werden. Sollte dies doch geschehen, so wird der massive Protest von vielen Seiten mit Sicherheit weitergehen." Eine Ankündigung, über die die Deutsche Rentenversicherung vielleicht mal mit dem Schörghuber-Konzern sprechen sollte. Dieser wollte sein Gut Kaltenbrunn über dem Nordufer des Sees zu einem Hotel umbauen, scheiterte jedoch an einer Klage der Seeschützer. Das Gut blieb erhalten, Jahre später wird es nun gerade sanft renoviert.

© SZ vom 05.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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