Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Sommerhitze macht den Kiefern zu schaffen

  • Heiße Sommer machen den Kiefern in Bayern schwer zu schaffen.
  • Die Nadelbäume sind eigentlich karge Bedingungen gewöhnt und gelten als anspruchslos.
  • Die geschwächten Bäume sind auch für Schädlinge ein gefundenes Fressen.

Von Christian Sebald

Wer dieser Tage durch die weitläufigen Wälder rund um Nürnberg und anderswo in Mittelfranken streift, trifft immer wieder auf große, mächtige Kiefern, die ein trauriger Anblick sind. Zwar ragen die Stämme mit der groben, schuppigen Borke noch aufrecht und hoch in den Himmel. Aber die Kronen leuchten rostrot statt sattgrün, sie wirken komplett vertrocknet.

Unten am Boden liegt ein dichter Teppich aus abgeworfenen dürren Nadeln. "Diese Kiefern sind alle tot", sagt Christian Kölling, Vize-Chef des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im mittelfränkischen Roth und Kiefern-Spezialist. "Es ist der Hitzesommer 2015, der sie umgebracht hat. Jetzt zeigt sich, dass auch die Kiefer im Klimawandel große Probleme bekommt."

Die Kiefer oder Pinus sylvestris, wie sie die Botaniker nennen, gilt eigentlich als sehr anspruchsloser Baum. Sie kommt auf kargen Böden gut zurecht und hatte zumindest bisher kaum Probleme mit heißen Sommern - obwohl sie ursprünglich aus dem kühlen Skandinavien und Russland kommt. Und ihre Pfahlwurzel reicht bis zu sechs Meter tief ins Erdreich, sodass sie eigentlich auch in Trockenperioden an ausreichend Wasser gelangte.

Von Natur aus sind Kiefernwälder aber eher selten in Bayern. In den meisten Regionen hier gedeihen Buchen und Eichen sehr viel besser als die Nadelbaumart. Nur auf sandigen Standorten wie in Mittelfranken und trockenen Kalkböden in der Oberpfalz, aber auch im Fichtelgebirge wächst die Kiefer besser als konkurrierende Baumarten.

Seit Jahrhunderten setzten die Förster deshalb rund um Nürnberg, bei Weißenburg, im südlichen Steigerwald, aber auch bei Würzburg auf die Kiefer. In den deutlich höheren und kühleren Mittelgebirgen in der Oberpfalz und im Fichtelgebirge erstrecken sich ebenfalls weitläufige Kiefernforste.

Die Fichte wächst in Bayern am häufigsten

Unterm Strich ist die Kiefer die zweithäufigste Baumart in Freistaat - auch wenn sie mit einem Anteil von 17 Prozent weit abgeschlagen hinter der Fichte (41 Prozent) rangiert. Erst auf dem dritten Platz folgt mit ungefähr 14 Prozent die Buche. Sie war einst die am weitesten verbreitete Baumart in Mitteleuropa. Sie ist allerdings für die Holzwirtschaft weniger interessant als die Fichte und die Kiefer.

Natürlich sind längst nicht alle Kiefern in Mittelfranken von dem Baumsterben betroffen. Es ist vielmehr nur eine kleine Minderheit "von vielleicht einem Prozent", die durch den Hitzesommer 2015 eingegangen sind, wie Förster Kölling betont. Aber was sich nach sehr wenig anhört, könnte der Anfang einer dramatischen Entwicklung sein. Denn es war nicht der Rekordsommer 2015 insgesamt, der etlichen Kiefern übel mitgespielt hat. "Sondern offenkundig die vier oder fünf kurzen Extremperioden mit Temperaturen um die 40 Grad", sagt Kölling. "Bei solchen Spitzen versagt offenkundig das Kühlsystem der Kiefern, die Kronen verbrennen oder verdorren regelrecht. Die Bäume bringen einfach nicht mehr ausreichend Wasser in sie hinauf."

Köllings Einschätzung verspricht nichts Gutes für die Zukunft der Kiefer. Schließlich prognostizieren alle Klimaforscher, dass die Zahl der extremen Hitzetage mit Temperaturen von 40 und mehr Grad auch in Bayern zunehmen wird. "Aber dafür", sagt Förster Kölling, "ist die Kiefer einfach nicht gemacht." Zumal es nicht der schnelle Hitzetod alleine ist, der der Kiefer Probleme machen wird.

Der Klimawandel begünstigt zudem die Ausbreitung von Schädlingen und Parasiten. Auch sie können die Kiefern so schwächen, dass die Bäume im Lauf der Zeit eingehen. So sind Kiefern in den vergangenen Jahren offenbar sehr viel anfälliger geworden für das Kieferntriebsterben, das ein besonders aggressiver Pilz namens Diplodia pinea auslöst. Dabei verkümmern - wie der Krankheitsname besagt - die jungen Triebe der befallenen Kiefern.

Aber auch der Blaue Kiefernprachtkäfer, der gut einen Zentimeter groß werden kann, spielt geschwächten Bäumen übel mit. Nach der Paarung legen die Weibchen mit Hilfe einer beweglichen Legeröhre bis zu 200 Eier einzeln innerhalb der Rinde von geschwächten Kiefern ab. Binnen weniger Tage schlüpfen die Larven.

Sie fressen im Lauf der nächsten zwei Jahre Gänge durch die Borke und können eine Kiefer so schädigen, dass sie abstirbt. Geschwächte Kiefern sind außerdem besonders empfänglich für Misteln. Die Schmarotzerpflanzen wachsen in den Kronen zu kugeligen Büschen mit bis zu einem Meter Durchmesser heran und entziehen den Bäumen Wasser und allerlei Mineralsalze.

Das Schlimme an all den Schädlingen, Parasiten und Baumkrankheiten ist, dass es praktisch keine Vorsorge gegen sie gibt. Der einzige Ausweg ist vielmehr der sogenannte Waldumbau - also die Umwandlung reiner Kiefernwälder, wie sie die Forste in Mittelfranken prägen, in artenreiche Mischwälder mit vielen Buchen und Eichen. "Ab und zu kann man auch eine Edelkastanie oder einen anderen Laubbaum pflanzen", sagt Kölling.

"Die kommen wie die Buchen und die Eichen sehr viel besser mit Hitze und Trockenheit zurecht als die Kiefer." Köllings Konsequenz aus dem Hitzesommer 2015: An seinem Forstamt werden sie den Waldumbau deutlich beschleunigen.

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SZ vom 15.07.2016/vewo
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