Verfassungsänderung:Darum stimmen Bayerns Grüne wohl gegen den Klimaschutz

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Vertauschte Rollen im bayerischen Landtag. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Um den Klimaschutz soll in der bayerischen Verfassung zu verankern, ist im Landtag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.
  • Auch die CSU, die sich lange gewehrt hatte, ist inzwischen dafür. Dagegen ist nur noch die AfD.
  • Grüne und SPD wollen aber nur mit CSU und Freien Wählern stimmen, wenn diese einen Forderungskatalog der Oppositionsparteien abnicken.

Von Lisa Schnell, München

Es klingt nach einer einfachen Angelegenheit: Alle Fraktionen im Landtag - außer der AfD - wollen den Klimaschutz in der bayerischen Verfassung verankern. Insgesamt sind das 183 klimaschutzwillige Abgeordnete. Gemeinsam bringen sie die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung locker zusammen. Ein fraktionsübergreifendes Signal für den Klimaschutz, das wäre doch eine schöne Nachricht. Es wäre auch eine kurze Nachricht und dieser Text könnte hier enden.

Wie der aufmerksame Leser unweigerlich bemerkt haben muss, tut er das nicht. Denn was außerhalb des Landtags als eine einfache Angelegenheit erscheinen mag, gestaltet sich innerhalb komplizierter. Obwohl alle dafür sind, gibt es derzeit keine Mehrheit für eine Verfassungsänderung. Vielmehr kann ein kurioser Rollentausch beobachtet werden. Grüne und SPD, die früher immer für eine Änderung waren, wollen jetzt dagegen stimmen. Die CSU auf der anderen Seite weigerte sich jahrelang, den Klimaschutz mit einem Platz in der Verfassung zu adeln und ist jetzt begeistert von der Idee. Einzig die Freien Wähler, die seit ihrem Wechsel von der Opposition in die Regierung durchaus einer gewissen inhaltlichen Flexibilität zugeneigt waren, sind standhaft geblieben.

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Jetzt reden also CSU-ler plötzlich wie Grüne und umgekehrt. Darüber mag sich der Bürger wundern, Politiker beider Seiten aber können das klug erklären, etwa bei der CSU. Vor nicht einmal einem Jahr hörte sich deren Landtagsabgeordnete Petra Guttenberger noch so an: Den Klimaschutz in der Verfassung zu erwähnen, sei nichts weiter als ein "Symbol". Die rechtliche Lage würde das nicht ändern. Die Menschen interessiere weniger, ob ein Wort in der Verfassung stehe, sondern ob konkret etwas für den Klimaschutz getan werde. Ein Jahr später sieht das Parteikollege Tobias Reiß völlig anders. Warum? "Als Fazit aus dem Wahlergebnis", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der CSU.

Das fiel für die CSU eher bescheiden aus, für die Grünen umso besser. Mit ihnen regieren wollte Ministerpräsident Markus Söder nicht, grüner werden aber soll seine Partei schon. Deshalb wunderten sich einige, als kürzlich der Bund Naturschutz all seine Mitglieder unter den Landtagsabgeordneten einlud und außer Innenminister Joachim Herrmann kein CSU-Mitglied gesichtet wurde. Wer daraus den Schluss zieht, die CSU interessiere sich nur mäßig für Natur- oder Klimaschutz, wird von Reiß eines Besseren belehrt. Die CSU habe schon immer viel für den Klimaschutz getan: "Wir haben es nur unterverkauft." Das soll sich jetzt ändern. Ein gutes Verkaufsargument wäre es aus Sicht der CSU, wenn am Tag der Europawahl auch über die Verfassungsänderung zugunsten des Klimaschutzes abgestimmt wird. Bis zum 26. Februar muss es einen Landtagsbeschluss geben, sonst wird das nichts mehr.

Reine Symbolpolitik ist das für Petra Guttenberger von der CSU: nein, natürlich nicht - kleiner Scherz. Reine Symbolpolitik ist das diesmal für Grüne und SPD. Die Grünen unterstützen zwar das Volksbegehren "Klimaschutz in die Verfassung", die CSU wollen sie nicht unterstützen. Ihr Fraktionschef Ludwig Hartmann erklärt das so: Früher, als die Grünen für die vielen Anträge der FW zu einer Verfassungsänderung stimmten (das geht seit 2010 so), musste man für das Thema noch Aufmerksamkeit erzeugen. Jetzt aber sei die Aufmerksamkeit da, selbst bei der CSU, und damit eine "Riesenchance", gemeinsam etwas zu erreichen. Alleine nämlich, da sind sich Grüne und SPD einig, schaffe die CSU das nicht.

Die Maßnahmen zum Klimaschutz, die sich im Koalitionsvertrag finden, reichen ihnen nicht. Und von einem Wort allein werde das Klima ja noch nicht geschützt (siehe Guttenberger). Grüne und SPD arbeiten deshalb an einem Forderungskatalog. Wenn die CSU den abnicke, bekomme sie ihre Stimmen für die Verfassungsänderung. Der öffentliche Nahverkehr müsse mittelfristig in ganz Bayern für Junge, Alte und Bedürftige kostenlos sein, fordert SPD-Fraktionschef Horst Arnold. Hartmann will ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das festlegt, wie hoch der Anteil von Erneuerbaren Energien bei der Heizung von Gebäuden sein muss.

Warum die Grünen nun Bedingungen stellen, obwohl sie doch für einen "bedingungslosen Klimaschutz" sind, kann Reiß nicht ganz verstehen. Er ist aber bereit für weitere Gespräche. Einmal schon haben sich die Parteien getroffen, und sind ohne Ergebnis auseinandergegangen. Dabei könnte es bleiben. Aus der CSU ist zu hören, dass sie von ihrem Glaubensgrundsatz der Freiwilligkeit kaum abrücken werde. Arnold dagegen sagt, ohne verpflichtende Vorgaben gehe es nicht. Und so könnte es der Klimaschutz am Ende doch wieder nicht in die Verfassung schaffen - obwohl sich doch alle einig sind.

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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