Kleine Brennereien:"Mit schnapsigen Grüßen"

Destillerie Lantenhammer in Hausham, 2015

Branche mit neuen Perspektiven: Destillerie Lantenhammer am Schliersee.

(Foto: Johannes Simon)

Nachdem das Branntweinmonopol gefallen ist, ist die Szene im Umbruch. Besonders Kleinbrenner wie der gelernte Maurer Georg Birkle profitieren. Ein Besuch

Von Johann Osel

Es finden sich deftige Zoten darin, aber auch viel Lob und Dankbarkeit. Daher ist das Gästebuch der Stolz von Georg Birkle. Besucher des Schau-Brennens, in seiner Destillerie "Birkles Tröpfle" in Weißenhorn bei Neu-Ulm, haben sich auf den Seiten verewigt, bei manchen steuerten anscheinend Brände von der Williamsbirne oder Mirabelle Hirn und Kugelschreiber. "Der Willi war sehr fein, doch die Gläser war'n zu klein", schreibt einer. Der nächste fabuliert von "heißen Zonen, wo die geilen Weiber wohnen". Da war wohl ein Stamperl zu viel im Spiel.

Trunkenbolde sind gleichwohl keineswegs Birkles Zielgruppe, Alkoholiker dürften sich eher beim Discounter eindecken als in seinem Laden, allein preislich bedingt. Er legt "Wert auf Genuss und qualitative, ehrliche Produkte". Seine Brände sind "nicht gezuckert", das ist ihm wichtig, "das ist meine Philosophie: Man sollte schon schmecken, dass es Schnaps ist und keine Limo".

Herr Birkle, Anfang 40, kurze Lederhose, tätowierte Arme, feinstes Schwäbisch, Viel-Lacher und Jeden-Duzer, war mal Maurer. Heute ist er hauptberuflich Kleinbrenner. Und experimentierfreudig. "Mit schnapsigen Grüßen", so unterzeichnet er E-Mails. Er steht für eine Szene im Auf- und Umbruch. Seit diesem Jahr gelten neue gesetzliche Bestimmungen für Brenner, günstige Bedingungen für Georg Birkle. Nach fast 100 Jahren ist das staatliche Branntweinmonopol restlos gefallen.

Das Obstjahr 2018 war bestens: Kein Frost im Frühjahr, die Trockenheit schadete nicht

Um Wildwuchs bei der Herstellung von Hochprozentigem zu ordnen, war das Regelwerk einst erlassen worden. Es sah bis zuletzt vor, dass Kleinbrenner Steuern in Naturalien zahlen können. Eine Bundesbehörde nahm Rohalkohol ab, zum Weiterverkauf an die Industrie. Die EU sah das als Subvention, das Monopol fiel. Jetzt wird die Steuer mit Geld bezahlt, der automatische Absatz entfällt. Prompt wurde ein Austrocknen der Branche befürchtet, gerade für Bauern, die nebenbei Früchte von Streuobstwiesen brennen, lohne es sich nicht mehr - für den Vertrieb auf dem freien Markt fehle die Zeit oder mitunter die Qualität.

"Insgesamt ist mit einem Rückgang der Zahl an Brennereien, dafür aber mit einer erheblichen Steigerung der auf dem Markt erhältlichen Qualität zu rechnen", meldet die Initiative "Bayern Brand", in der sich das Agrarministerium und Brennerverbände in Franken, Lindau und Südostbayern vereint haben. Wobei Hubert Fröhlich, Vorsitzender des Frankenverbands, sagt, dass Kleinbrenner weiter Alkohol an Großhändler abtreten könnten, für Industrie oder Billigschnapsfabriken, und nicht alles an Kunden vermarkten müssten. Nur das Gute zum Beispiel für den Trinkgenuss. Brennen sei wie das Schlachten einer Sau, da gebe es Lende, guten Braten, dann das für die Wurst und "die Restla" für den Hund. Sein Eindruck: Manche geben auf, Neue kommen nach. "Gefühlt ein Ausgleich".

Was an weiteren Teilen der Reform liegen dürfte: Bürokratieabbau. Und: Sogenanntes Lohnbrennen ist überall freigegeben, zuvor war dies nur ein einzelnen Regionen gestattet. Wie bei Keltereien, wo man sich aus eigenem Obst Saft machen lassen kann, läuft das seit 2018 auch mit Bränden. Für Birkle ist das ein neuer Geschäftszweig. Ein Besuch in seinem "Tröpfle", vorn der Laden, hinten ein Café. Urige Holzbänke, ein Ofen, ein Radio spielt schmalzige Schlager. Schnaps wird nicht ausgeschenkt, das ist erst in Planung - das Café lockt an diesem Nachmittag vier ältere Damen, die Nusstorte findet Anklang. Die Kuchen und Pralinen kreiert Birkles Freundin, eine Konditorin.

Kleine Brennereien: Brenner Georg Birkle mit Betrieb im Landkreis Neu-Ulm.

Brenner Georg Birkle mit Betrieb im Landkreis Neu-Ulm.

(Foto: Johann Osel)

Sonst ist das Café als Stüberl fürs Schau-Brennen gedacht. Der Blick geht in den offenen Nebenraum, dort glänzt kupfern die Brennerei. Angefangen hat alles vor gut zehn Jahren mit einer alten Brennblase. Auf dem Schrottplatz seines Onkels hatte der Maurer die gefunden, seine Neugier stieg, er begann sich einzulesen, zu tüfteln mit Vor-, Mittel- und Nachlauf beim Brennen, so der Fachjargon. Er tastete sich an Rezepte heran, besuchte Kurse, pachtete Land mit Obstbäumen, um das Brennrecht zu erhalten. Die Äpfel und Birnen davon sind noch heute die Basis, aber längst um Neues ergänzt. Er führt auch Exoten wie einen Löwenzahn-Orangen-Likör.

Rasch kam damals die Frage auf: Alles oder nichts? Am Freitag sei am Bau mittags Schluss, sagt Birkle. Wenn aber "der Kapo sagt, wir machen weiter, dann kannst dein Häusle nicht um 14 Uhr aufsperren." Er hat gekündigt, hat es gewagt. Und es hat funktioniert, "da bin ich bis heute manchmal verblüfft". Schon der Zufall mit dem Schrottplatz - 30 Minuten später wäre das Ding zerquetscht gewesen und er wäre Maurer geblieben.

Trend zu Regionalisierung, Individualität und Events

300 Liter reinen Alkohol darf er als sogenannter Abfindungsbrenner herstellen, heraus kommt gut das Doppelte an Trinkbarem. Plus "Überbrand", der entsteht, wenn man sein Handwerk beherrscht und die Früchte süß sind. Birkle kann davon leben: Weil es das Café gibt, weil er auf Märkte reist, oft Mittelaltermärkte, und sich so Ruf und Kunden erarbeitet, "bis Augsburg sogar". Einnahmen bringt das Schau-Brennen für Firmenausflüge oder Feste - samt Verkostung, siehe Gästebuch. Da ist es ihm wichtig zu vermitteln, wie Preise entstehen - Handwerk kostet. Und das Lohnbrennen kommt hinzu. "Da haben manche gelacht, als ich das angefangen habe. Da komme doch keiner." Das Gegenteil war der Fall: Fünf Tonnen externes Obst hatte er im Lager. 70 Kilo sollte ein Interessent mitbringen, und er darf gern dabei sein. Birkle nimmt dafür einen Brennlohn.

Es gibt den Trend zu Regionalisierung, Individualität und Events - seit Jahren sei er auf Märkten angesprochen worden, er solle den Leuten ihr Obst brennen. Durfte er nicht. Nun schon, und dann sei das Obstjahr noch "so super" gewesen. Auf seinem Handy klickt er durch Fotos grinsender Kunden mit Privatschnaps. Vielleicht haben sie schon kräftig genippt. "Nach fast hundert Jahren", sagt Birkle, "war eine Reform wirklich fällig." Die Steuerabgabe über Naturalien hat ihn nie betroffen.

Zuversicht herrscht auch bei Verbandschef Fröhlich, der den Titel Edelbrandsommelier hat. Er lobt ebenfalls das Obstjahr: Im Frühjahr kein Frost, "alle Sorten gut durchgekommen", die Trockenheit habe nicht geschadet, weil noch Wasser im Boden war. Nächstes Jahr aber werden wohl viele Bäume eingehen. Die Szene sei ein Übergang zwischen Hobby, Nebenerwerb und Existenzgrundlage. Letzteres sei bei den Abfindungsbrennern selten. Birkle gehört dazu, auch dank seiner Ideen.

Neulinge beleben die Zunft, bei Gin tut sich viel Innovatives, mancher sieht einen Trend analog zur hippen Craft-Beer-Bewegung. "Die Szene ist im Aufbruch. Es kommen viele junge Leute nach, Quereinsteiger mit innovativen Gedanken", sagte Experte Mathias Krönert von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau der Bayerischen Staatszeitung. Zudem macht die "Bayern Brand"-Initiative Rummel. "Unsere heimischen Brände, vom Lindauer Apfel über die Fränkische Zwetschge bis hin zu den edlen Destillaten der Streuobstwiesen des Voralpenlandes, verkörpern unsere Kulturlandschaft in höchster Konzentration", sagte Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) neulich bei einer Aktion auf dem Münchner Viktualienmarkt. Fotos zeigen die Ministerin fidel, mit Kostprobe mal aus Ansbach, mal aus Erding, mal aus Kitzingen. Obstbrände leisteten einen Beitrag "zum Erhalt der Biodiversität".

Den Erhalt alter Obstgärten sieht Birkle auch als Plus des Lohnbrennens. Wer unterm Zwetschgenbaum sitze, von dem er Schnaps habe, "der wird den Baum nie ummachen". Aber auch beim Obst brauche es Qualität. Einem Kunden habe er gesagt, seinen Kompost wolle er nicht. "Bei mir kommt nur in den Kessel, was ich mir auch in den Mund stecken würde."

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