Klausurtagung in Andechs:Merkel liebäugelt mit Seehofers Atomkurs

2022 sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet sein, das hat die CSU auf ihrer Klausurtagung in Kloster Andechs beschlossen. Kanzlerin Merkel begrüßt dies als "ganz außerordentlich". Doch es regt sich bereits Widerstand.

Soviel zur Schau gestellte Einigkeit in der Union gab es selten: "Ich freue mich, dass wir uns einig sind", sagt Angela Merkel bei der CSU-Klausurtagung auf Kloster Andechs. Zwischen ihr und der CSU-Spitze gebe es eine "völlige Übereinstimmung". Die Festlegung der Schwesterpartei für einen schnellen Atomausstieg begrüße sie "ganz außerordentlich".

CSU-Klausurtagung in Kloster Andechs

Bei der CSU-Klausurtagung in Kloster Andechs führt Pater Valentin Ziegler (re.) Bundeskanzlerin Angela Merkel und den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer über das Gelände des Klosters.

(Foto: dpa)

In der Tat schwenkt die Kanzlerin in der Atompolitik auf die forsche Linie der CSU ein: Die Christsozialen hatten auf ihrer zweitätigen Vorstandssitzung einen Atomausstieg bis 2022 beschlossen - auf Drängen von CSU-Chef Horst Seehofer und gegen den Widerstand vieler Abgeordenter aus der Berliner CSU-Landesgruppe.

Merkel nannte das CSU-Konzept als einen "wesentlichen Beitrag" für die weitere Diskussion innerhalb der Berliner Koalition über die Energiewende. Die CDU-Vorsitzende legte sich allerdings nicht darauf fest, dass auch ihre Partei einen Atomausstieg bis spätestens 2022 anstreben wird.

Merkel antwortete auf eine entsprechende Frage, die CSU habe ein "sehr ambitioniertes" Papier beschlossen. Der darin genannte Zeitraum für die Energiewende sei richtig. Sie wolle jedoch zunächst das Ergebnis der von der Bundesregierung eingesetzten Ethikkommission abwarten. Klar sei, dass die Menschen einen "konkreten Endpunkt" für den Atomausstieg wissen wollten.

Sieben Stunden Debatte

Sieben Stunden hatten die Vorstandsmitglieder am Freitagabend debattiert. Die Aussprache verlief phasenweise kontrovers, am Ende gab es aber keine Stimmen gegen den Kurs von Parteichef Horst Seehofer. Die Kritiker des schnellen Atomausstiegs argumentieren vor allem mit der Befürchtung steigender Strompreise und sinkender Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft.

Merkel nahm zur Debatte in der CSU nicht Stellung, sagte aber allgemein: "Ich glaube, dass sich da schnell mehr Übereinstimmung zeigt, als manch einer heute denkt." Doch die Skeptiker und Kritiker in der Union halten nach wie vor dagegen - vor allem der Wirtschaftsflügel. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Josef Schlarmann, kritisierte Merkel im Focus: "Viele Leistungsträger haben ein gutes Gespür dafür, dass einige Grundsatzentscheidungen in die falsche Richtung gehen". "Die Bundeskanzlerin darf sich mit ihrer Führung nicht in Berlin einbunkern."

Auch die Kritiker in der CSU sind nach wie vor skeptisch, obwohl sich die Parteispitze nun mit dem Ausstiegsbeschluss formell hinter Seehofer versammelt hat: "Wir haben eine Startdiskussion, keine Schlussdiskussion", sagte Hans Michelbach, der Chef der CSU-Mittelstandsunion. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, die Jahreszahl des Ausstiegs sei "für die Sache sicher nicht das Allerwichtigste". Viel entscheidender sei die Frage des Wegs, wie man den der Atomausstieg erreiche.

Auch der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber äußerte sich "skeptisch", dass der Atomausstieg wie von seiner Parteispitze geplant bis spätestens 2022 umgesetzt werden kann. Huber sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd: "Viele haben gesagt, man muss sich ehrgeizige Ziele setzen. Ich bin da mehr für Realismus."

Ohnehin ist das Ausstiegsjahr 2022 bei der CSU nicht in Stein gemeißelt. Die Fortschritte des Umstiegs auf die erneuerbaren Energien sollen regelmäßig überprüft werden - was die Möglichkeit beinhaltet, das letzte Atomkraftwerk bei Bedarf auch später abzuschalten. CSU-Chef Seehofer erklärte trotzdem, er sei zufrieden: "Die moderne CSU ist eine Diskussionspartei geworden. Sieben Stunden Diskussion bei einem sehr wichtigen Thema und ich habe sieben Stunden nichts gesagt." Erst zum Schluss habe er das Wort ergriffen.

Jetzt müsse nur noch die bayerische FDP überzeugt werden. Die Liberalen streben bislang das Jahr 2025 an. Seehofer will sich bemühen, bis zur Sitzung des bayerischen Kabinetts am Dienstag eine vollständige Einigung mit der FDP über das geplante Energiekonzept zu erreichen. Einziger Streitpunkt sei noch der konkrete Termin für den Atomausstieg.

Die Grünen haben die CSU-Atompläne unterdessen scharf kritisiert: Vor allem die Ankündigung, den Verlauf der Energiewende regelmäßig zu überprüfen, löst Bedenken aus. "Die CSU will sich mit ihrer Überprüfungsklausel nicht nur ein Hintertürchen, sondern ein ganzes Scheunentor für einen deutlich späteren Atomausstieg offenhalten", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth in Berlin.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das CSU-Konzept begrüßt hatte. "Was Frau Merkel jetzt betreibt, ist ihr altes durchsichtiges Spiel: ein Schritt vor andeuten und drei zurück marschieren", sagte Trittin. Die Grünen plädieren für einen Atomausstieg bis spätestens 2017.

Seehofer verzichtet auf CSU-Basisabstimmung zum Euro

Ein weiteres Hauptthema der Diskussion Merkels mit der CSU-Spitze war die europäische Schuldenkrise. Die CSU will den Druck auf Griechenland und andere Euro-Schuldnerländer erhöhen und verlangt vor neuen Hilfszusagen eine Beteiligung des Bundestags in jedem Einzelfall.

Merkel gab keine Zusage, erklärte aber, sie habe "großes Verständnis". Das Budgetrecht gehöre dem Parlament. "Deswegen werden wir mit Sicherheit einen Weg finden, wie das in Absprache mit dem Parlament geschehen kann."

Seehofer sagte seinerseits zu, keine CSU-Basisabstimmung zum Euro zu starten - so wie sie von Generalsekretär Alexander Dobrindt ins Gespräch gebracht worden war. Experten sind sich sicher, dass die CSU-Basis gegen weitere Hilfen gestimmt hätte. "Ich möchte dick unterstreichen, wie wichtig die europäische Währung für uns ist", betonte Seehofer. Er sei davon überzeugt, dass der Weg der Bundesregierung beim Thema Euro gut angelegt und auch im bayerischen Interesse sei.

Die CSU werde im Herbst im Bundestag für den ab 2013 geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM stimmen, sagte Seehofer. "Ich sehe da keine Gefährdung von Mehrheiten im Herbst und werde alles dafür tun."

Merkel ist offensichtlich erleichtert, dass die CSU keine Anti-Euro-Stimmung erzeugen will: "Es war ein großer Wille, zur Lösung beizutragen und nicht das Problem zu vergrößern". Diese Diskussion gebe ihr "Rückenwind" dafür, in Europa "unsere Position stark, aber immer auch im Geiste der europäischen Gemeinsamkeit zu vertreten". Sie sei sich mit der CSU einig, dass Soldidariat in Europa immer mit Anforderungen auch an die Stabilität und an die Anstrengungen einzelner Länder verknüpft werden müsse.

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