Seit 2006 zeichnen "Automatisierte Kennzeichen-Erfassungssysteme" der bayerischen Polizei an bestimmten Straßen im Freistaat die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Autos auf. Und zwar rund um die Uhr. Die genauen Standorte der Anlagen nennt die Polizei nicht. Es sollen dreizehn sein. Die Erfassungssysteme stünden an zwölf Durchgangsstraßen und einer Europastraße, heißt es dazu lapidar aus dem Innenministerium. Faktisch handelt es sich hauptsächlich um Autobahnen.
Gegen die Praxis der automatisierten Kennzeichenerfassung hat jetzt ein 32-jähriger Softwareentwickler aus dem niederbayerischen Abensberg vor dem Verwaltungsgerichtshof München (VGH) Klage gegen den Freistaat erhoben. Die gesetzlichen Regelungen für den Betrieb der Anlagen sind seiner Ansicht nach verfassungswidrig. Der Anwalt des 32-Jährigen, Rechtsanwalt Udo Kauß aus Freiburg, geht noch weiter: Er spricht von einer "Massenkontrolltechnik" und nennt die automatisierte Erfassung von Kennzeichen einen "Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch den Staat als Big Brother." In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht München die Klage abgewiesen, die Berufung vor dem VGH aber zugelassen.
Sobald ein Kennzeichen fotografiert wurde, werde es automatisch mit den Kennzeichen abgeglichen, die sich in der "Fahndungsdatei" der Polizei befänden, erklärten die Vertreter des bayerischen Innenministeriums vor dem VGH. Wenn das System ein gesuchtes Kennzeichen identifiziert habe, melde es einen "Treffer". Dieser werde dann an die Einsatzzentrale gemeldet. Die fotografierten Nummernschilder unbescholtener Bürger würden "sofort und unwiderruflich gelöscht". Der Kläger bezweifelt dies. Würde man den Rechner zerlegen, fände man bestimmt Datenrückstände auf der Festplatte, so seine Kritik.
Insgesamt hat die bayerische Polizei derzeit 22 stationäre Geräte an den dreizehn Standorten in Betrieb. Hinzu kommen drei mobile Erfassungssysteme. Diese würden "anlassbezogen" eingesetzt. Von Juli bis September dieses Jahres seien acht Millionen Kennzeichen pro Monat von den Erfassungssystemen fotografiert worden, bestätigten die Vertreter des Innenministeriums. In der Regel seien 500 bis 600 "Treffer" gemeldet worden.
Der Kläger aus Abensberg engagiert sich im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, einem bundesweiten Zusammenschluss von Kritikern dieser Praxis. Parallel zu seiner Klage vor dem VGH hat er Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das Verfahren vor dem VGH wird fortgesetzt.