Kitzingen in Unterfranken:Hauptstadt der Hitze

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  • Das unterfränkische Kitzingen hat am Wochenende 40,3 Grad Celsius gemessen. Damit hat es einen neuen Hitzerekord in Deutschland aufgestellt.
  • Meterologen schätzen, dass es im Talkkessel von Würzburg sogar noch heißer gewesen sein könnte. Dort befindet sich jedoch keine Messtation, die das hätte dokumentieren können.

Von Katja Auer und Olaf Przybilla, Kitzingen

Wäre ja schön, sagt Oberbürgermeister Siegfried Müller, wenn das sonst auch so wäre. Wenn sich sonst ebenso viele Menschen für Kitzingen interessieren würden. Nicht nur wegen der 40,3 Grad Celsius, die der Deutsche Wetterdienst am Sonntag in der unterfränkischen Kommune gemessen und tags darauf zum neuen offiziellen Hitzerekord in Deutschland erklärt hat.

Immerhin gibt es in dem Städtchen am Main mit seinen etwa 20 000 Einwohnern das Deutsche Fastnachtmuseum, sie haben den Falterturm mit seiner schiefen Turmhaube und eine Balthasar-Neumann-Kapelle. Überhaupt könne man Besuchern allerlei bieten, findet der Oberbürgermeister, aber jetzt rufen alle an, weil es dort so heiß war wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Noch wärmer als in Freiburg und Karlsruhe, wo 2003 der bisherige Spitzenwert von 40,2 Grad gemessen wurde.

210 Einsätze von Rettungsdiensten und Feuerwehr

Es war schon richtig heiß, erzählt der Oberbürgermeister, seinem Gefühl nach sogar noch mehr als die gemessenen 40,3 Grad. Sogar den Krankenhauslauf hätten sie absagen müssen in der Stadt. Der heißt so, weil die Läufer für den Förderverein der Klinik rennen. Aber das wäre ja nix gewesen bei der Hitze. Ohnehin hätten Rettungsdienst und Feuerwehr 210 Einsätze gehabt über das Wochenende, die meisten davon hatten mit dem Wetter zu tun.

Müller hat den Tag im Garten verbracht, im Schatten, und das Planschbecken seines sechsjährigen Enkels aufgeblasen. Da hat er sich dann ab und zu reingesetzt. "Aber am schönsten war es im Keller", sagt er. Tags darauf, als das Telefon immer wieder klingelt, geht es schon wieder. Am Montagmorgen hat Müller 22 Grad gemessen.

Ein Kitzinger Rentnerpaar im Schatten eines Baumes auf einer Bank im Freibad Mondseeinsel. (Foto: dpa)

Das mit den Hitze-Rekorden sei eine relative Sache

Kitzingen, schön und gut, sagt Udo Klaus, Wetterbeobachter an der Wetterwarte Würzburg. Aber wenn man die Temperatur unten im Talkessel von Würzburg messen würde, läge der Rekord jetzt womöglich nicht in Kitzingen, sondern in der unterfränkischen Hauptstadt. Die Wetterwarte in Würzburg liegt 120 Meter über der Stadt, da kühlt der Wind im Gegensatz zu dem von Weinbergen gerahmten Talkessel. Das mit den Rekorden scheint also eine relative Sache zu sein, zumindest was den Vergleich zwischen den sogenannten heißesten Städten betrifft.

Einen Superlativ aber meldete Klaus auch: Seit Beginn der Aufzeichnungen in Würzburg gab es keinen heißeren Tag als den Sonntag. Bislang hielt den Rekord ein Tag im Juli 1921, damals wurden 38,5 Grad Celsius gemessen. Am Sonntag waren es 0,1 mehr. In den Sechzigerjahren allerdings gab es ähnlich heiße Tage in Würzburg, in den Neunzigern auch, von einem so außergewöhnlichen Ereignis möchte Udo Klaus also nicht sprechen.

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Kühlung bietet der Heizungskeller

Wenn heiße Sahara-Luft eindringt in Würzburgs Talkessel, und das etliche Tage lang, dann heize es sich dort eben auf. Und entlädt sich danach oft in schweren Gewittern. Wie geschehen in Würzburg in der Nacht von Sonntag auf Montag. Strategien, die Hitze einigermaßen zu überstehen? Da müsse er "ein bisschen zynisch" werden, sagt der Beamte Klaus. Im Heizungskeller hat die Würzburger Außenstelle des Wetterdienstes eine Klimaanlage. Im Büro nicht. Also im Hitzenotfall mal kurz in den Heizungskeller runter. Häufiger aber muss er aufs Dach steigen, um Wolken zu beobachten.

Dem Klischee zufolge müssten nun zumindest die fränkischen Winzer glücklich sein über die Tropen im Weinberg, aber das ist auch schon lange nicht mehr so. Die Arbeit werde nicht einfacher, sagt Egon Schäffer, wenn man bei 50 Grad im Weinberg stehe. In der prallen Sonne erreichten die Thermometer das zuletzt spielend in Escherndorf, im Kreis Kitzingen. Die Reben müssen bewässert werden, im ohnehin extrem trockenen Mainfranken ein zusätzlicher Aufwand.

Hitze vertreibt Franken-Note beim Wein

Sorgen machen sich die fränkischen Winzer aber vor allem um ihr Produkt: Man erwarte von einem Frankenwein eben keinen "südländischen Charakter", sagt Schäffer. Prädikate in Fülle erntet der Weißwein aus Franken derzeit ja gerade dafür, dass er anders ist: frischer, fruchtiger, komplexer. Bekommt der Silvaner zu viel Sonne ab, wird er zu schwer und verliert seine klassische Franken-Note. Wobei es noch schlimmer hätte kommen können mit der Hitze: Sahara-Wetter im August, wenn die Beeren der Trauben schon größer sind, wäre gefährlicher. Dann droht ihnen auch noch Sonnenbrand.

Von dem haben sich die Kitzinger am Wochenende nicht abschrecken lassen, im Freibad des Aqua-Sole verzeichnete Betriebsleiterin Verena Dambach am Sonntag den ersten Besucherrekord des Jahres. Die genauen Zahlen wusste sie am Montag noch nicht, mehr als 3500 Badegäste werden aber wohl da gewesen sein, schätzte sie. Die Sonnenplätze waren eher weniger gefragt, wer sich nicht im Wasser aufhielt, suchte sich ein Plätzchen im Schatten. Davon gebe es reichlich, sagt Dambach, auch unter den alten Bäumen im Freibad. Die perfekte Abkühlung versprach der Ausflug ins Bad allerdings auch nicht. Selbst das ungeheizte Becken hatte am Sonntag schon eine Temperatur von 30 Grad Celsius. "Immerhin zehn Grad weniger als draußen", sagt Dambach. Immerhin.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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