Süddeutsche Zeitung

Corona:Aus sechs mach sieben

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Das Bayerische Rote Kreuz in Kitzingen fordert nach eigenen Versuchen, mehr Impfdosen aus den Injektionsfläschchen zu ziehen als eigentlich vorgesehen. "Bei uns wurde nicht gepanscht", versichert der Geschäftsführer des Kreisverbandes.

Von Dietrich Mittler, Kitzingen

In den kommenden Wochen, so hat es Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) in Aussicht gestellt, werde Bayern einen "Impfturbo" erleben. Bis Ende März allein sollen nach Auskunft seines Hauses nahezu 1,6 Millionen Impfdosen nach Bayern geliefert werden. Das soll die Zeiten vergessen machen, in denen die vom Bund zu verantwortenden Impfstoff-Lieferungen vorne und hinten nicht ausreichten. Viel Organisationsarbeit und Kreativität war da gefragt, um den Impfstoff des Herstellers Biontech/Pfizer an jene zu verabreichen, die ihn am nötigsten brauchten - insbesondere an Menschen, die älter als 80 Jahre sind.

Im unterfränkischen Kreis Kitzingen etwa wurden angesichts der Ressourcen-Knappheit aus den Injektionsfläschchen statt der vom Hersteller empfohlenen Entnahme von sechs Impfdosen gleich sieben Dosen herausgeholt - und zwar in jenem Impfzentrum, das in Kitzingen vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) betrieben wird. In Bayern jedoch stößt diese Praxis auf Skepsis. "In der zugelassenen Produktinformation des Impfstoffs der Firma Biontech/Pfizer ist die Entnahme von sechs Impfdosen mit je 0,3 Milliliter Volumen vorgesehen", ließ das Gesundheitsministerium auf Anfrage wissen.

Technisch möglich ist eine Mehrentnahme aber durchaus. Durch eine Überfüllung der Injektionsfläschchen stellt Biontech/Pfizer sicher, "dass die vorgesehene Anzahl an Impfdosen auch tatsächlich entnommen werden kann". So die Auskunft des Gesundheitsministeriums in München. Holetscheks Amtskollegen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben es indessen gestattet, aus den Injektionsfläschchen mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer sieben Dosen zu ziehen - allerdings nur unter der Bedingung, dass diese sieben Einzeldosen von jeweils 0,3 Milliliter Impfstoff aus ein und derselben Ampulle stammen.

Wer in Verdacht gerät, gegen diese Vorgabe verstoßen zu haben, handelt sich Ärger ein. So geschehen im mittelfränkischen Kreis Ansbach, wie der BR berichtete. Ermittler werfen dort einem Impfarzt vor, er habe aus zwei Injektionsfläschchen Impfstoff für private Zwecke entnommen. Es muss nun geprüft werden, ob dadurch der Impferfolg für jene gefährdet wurde, deren Dosen aus jenen zwei Fläschchen stammten. Hintergrund: Bevor Impfstoff aus Injektionsfläschchen gezogen wird, werden diese mit einer Kochsalzlösung bis zum Rand aufgefüllt. Im Ansbacher Fall steht also auch zur Frage, ob der Arzt hier den beiden Injektionsfläschchen womöglich zu viel Kochsalzlösung zugeführt hat, um so die Gesamtmenge zu strecken.

"Bei uns wurde nicht gepanscht", sagt Felix Wallström, der Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Kitzingen am Telefon. Die sieben Dosen Impfstoff seien stets nur aus einem Injektionsfläschchen entnommen worden. Am 6. Februar seien im Kitzinger BRK-Impfzentrum erstmals aus einem Biontech-Pfizer-Fläschchen sieben statt sechs Dosen entnommen worden. "Durch medizinische Fachangestellte in enger Abstimmung mit dem Impfarzt", sagt Wallström. Darüber sei das zuständige Landratsamt umgehend informiert worden. Dort teilte eine Sprecherin mit, man vertraue auf die "ärztliche Expertise des zuständigen Impfarztes". Nachdem aber die ebenfalls eingeschaltete Bezirksregierung Unterfranken Bedenken anmeldete, wurde am 1. März im BRK-Impfzentrum die Entnahme einer siebten Dosis eingestellt.

Wallström betonte auch am Freitag, die Entnahme einer siebten Dose sei aus medizinischer Sicht "bedenkenlos". Und: Um sicherzustellen, dass auch tatsächlich die vorgeschriebene Menge Impfstoff verabreicht wird, seien den Impfteams anstelle der von der Regierung gelieferten Zwei-Millimeter-Spritzen "sogar Ein-Millimeter-Spritzen zur Verfügung gestellt worden, die ein noch präziseres Aufziehen des Impfstoffes ermöglichen".

Ärger mit der Justiz muss das BRK-Impfzentrum in Kitzingen wohl kaum befürchten. Das Gesundheitsministerium in München ließ wissen: Ob "im konkreten Einzelfall noch eine siebte Impfdosis ordnungsgemäß entnommen werden kann, könnte ohnehin nur vor Ort durch die impfende Ärztin oder den impfenden Arzt entschieden werden, unter deren ärztlicher Verantwortung und Haftung". BRK-Kreisgeschäftsführer Wallström ist diese Erklärung indes zu dünn. "Wir würden uns sehr wünschen, dass das Bundesland Bayern - ähnlich wie etwa in Nordrhein-Westfalen - die siebte Dose offiziell freigibt. Wir befinden uns nach wie vor in einer Mangelsituation", sagte er.

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SZ vom 08.03.2021
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