Kathrin Scholz' Euphorie ist fast durchs Telefon zu greifen, so sehr freut sie sich über die Nominierung der Biosphärenkinder für den Deutschen Kita-Preis 2024. "Ich bin total überwältigt, wie gut die Erzieherinnen das machen", sagt Scholz. Dann zählt sie auf, was die Kitas im unterfränkischen Markt Oberelsbach so besonders mache: Die sanften Übergänge für die Mädchen und Buben von der Eingewöhnung in der Krippe bis zur Grundschule zum Beispiel, das offene Konzept, bei dem die Kinder entscheiden, wo und womit sie in der Kita ihre Zeit verbringen wollen, und die Zertifizierung durch das Siegel des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön.
Seit 2019 gibt es diese Zertifizierung für Schulen und Kindertagesstätten in Hessen, Bayern und Thüringen, die sich intensiv mit dem UNESCO-Biosphärenreservat Rhön beschäftigen. Die Kitas in Oberelsbach wurden schon in der ersten Runde zertifiziert. Mittlerweile führen auch die Grundschule und der Hort das Siegel, deshalb sind die Biosphärenkinder als "Lokales Bündnis für frühe Bildung" für den Deutschen Kita-Preis 2024 nominiert.
Neben den Oberelsbachern ist ein weiteres bayerisches Bündnis im Finale: die "AG frühe Bildung und Förderung" aus München. Beide sind unter den letzten 15 Finalisten dieser Kategorie. Die dritte Finalistin aus Bayern ist die Kindertagesstätte im mittelfränkischen Diespeck, die mit 14 anderen Kitas um den Sieg konkurriert. Die Erstplatzierten beider Kategorien bekommen 25 000 Euro Preisgeld, die Zweitplatzierten 15 000 Euro, die Dritten 10 000 Euro. Außerdem werden Sonderpreise vergeben. Alle drei bayerischen Finalisten haben sich bereits gegen 500 andere durchgesetzt und müssen nun bis Ende Juni warten, bevor sie erfahren, ob sie zu den diesjährigen Siegern zählen. Ausgerichtet und verliehen wird der Preis vom Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung, dem Bundesfamilienministerium und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.
Der Fokus auf Umwelt und Natur kam in Oberelsbach durch einen Gemeinderatsbeschluss. 2018 wurde Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zur Querschnittsaufgabe der 2700-Einwohner-Gemeinde erklärt. Ein Jahr später folgte die Zertifizierung der Biosphären-Kitas.
Um dieses Siegel zu erhalten, müssen die Kitas, die Grundschule und der Hort in den Kategorien Ernährung, Ökologie, Bauliche Maßnahmen, Soziales & Kooperation und Konsum bestimmte Voraussetzungen erfüllen, erklärt Kathrin Scholz, die im Rathaus auch für BNE zuständig ist. Die Ernährung der Kinder muss regional, saisonal und biologisch angebaut sein. Das Catering übernimmt die Umweltbildungsstätte im Ort, deren Zulieferer aus maximal 20 Kilometern Entfernung kommen. Die Mädchen und Buben können die Landwirte besuchen, um zu sehen, wo das Essen herkommt.
Der Hort habe zum Beispiel in den Osterferien Pflegehühner betreut und dabei gelernt, was sie fressen, wie Hühner leben und wo die Eier herkommen, erzählt Scholz. Die Kitakinder fragten sich im Wald an einem Regentag, wo denn die vielen Regenwürmer auf dem Boden herkommen. Die Erzieherinnen machten ein Projekt daraus, alle Kinder recherchierten, und am Ende beobachteten Mädchen und Buben in mit Erde befüllten Terrarien in der Kita, wie Regenwürmer sich verhalten, was sie fressen und wie sie sich fortpflanzen. Wie genau kann Scholz nicht erklären, sie verknoteten sich irgendwie, das wüssten die Kinder besser, sagt sie und lacht.
Um den Papierkonsum einzuschränken, malen die Kitakinder auf Altpapier oder der Rückseite von alten Plakaten aus dem Rathaus. Die Projekte der Kategorie Soziales könnte man auch unter funktionierendes Dorfleben einordnen: Die Kita in Unterelsbach backe regelmäßig Kuchen, erzählt Scholz, den die Kinder dann mit dem Bollerwagen zum Dorfplatz fahren und dort zum Kaffee der Senioren verteilen. Oder die Sache mit dem Hiffenmus: Eine Seniorin habe noch eine alte Hagebuttenschleuder daheim stehen, erzählt Scholz, also hat der Hort sie besucht, Hagebutten gesammelt und dann mit ihr das Hiffenmus eingekocht.
Die Idee zur Kita-Preis-Bewerbung kam von Bürgermeister Björn Denner, als Biosphärenkinder-Fan steht er Scholz in nichts nach: Er spricht von der "Biosphärenkindheit", der "gemeinsamen Vision" der Einrichtungen im Ort und dem ganzen "Dorf als Lernort". Ein Dankeschön aus dem Rathaus sollte die Bewerbung sein für die "wertvolle Arbeit" der Pädagogen und Pädagoginnen. Jetzt kommt aber erst einmal zusätzliche Arbeit auf Kitas, Hort und Grundschule zu. Die Juroren haben viele Fragen, bevor sie Ende Juni die Sieger 2024 verkünden.